So unterschiedlich wie wir Menschen sind, so unterschiedlich erleben wir auch eine an sich für alle gleiche Situation. Stimmen zum Lockdown wegen der Coronapandemie aus dem Burggrafenamt:
Kathrin (40 J.) mit vielen Frauen aus dem Burggrafenamt
Für uns berufstätige Mütter mit Kindern im Kindergarten- und Schulalter war diese Zeit eine sehr große Herausforderung. Wir waren ja alle nicht darauf vorbereitet und so von einem Tag zum andern musste alles auf digitale Heimarbeit umgestellt werden. Viele Videokonferenzen, die Kinder ständig daheim und nicht immer „brav und vernünftig“, wenn Mutter am PC arbeitete, die Männer, teils auswärts auf Arbeit, nein, es war nervenaufreibend. Papier und Farbe für den Drucker zu besorgen war ja auch nicht so einfach. Dieses Schuljahr werden weder wir Mütter, noch unsere Kinder so schnell vergessen!
Mira (10 J.) und Alisa (8 ½ J.) aus Hafling
Die beiden Schwestern litten besonders unter dem Eingesperrt-Sein, während sie andere Kinder beim Spiel im Freien erblickten, und dass sie ihre Freunde nicht sehen konnten. Auch die Jungschar fehlte ihnen sehr. Alisa wäre so gerne zur Schule gegangen!
Maria (71 J.) aus Meran
Für uns war die Zeit, wo wir nirgends hinkonnten, eigentlich eine sehr positive Zeit. Der Sohn, der meist berufsbedingt viel im Ausland ist, war einmal für längere Zeit daheim, was er und seine Frau so richtig genossen. Die Tochter, die von ihrem Mann getrennt lebt, machte mit ihren Kindern und ihm sehr viel gemeinsam, auch Spielenachmittage für die Kinder. Eine rundum gelungene Zeit!
Marlene (69 J.) aus Vöran
Am meisten fehlte mir unser Kirchenchor, da wir eine sehr gute Gemeinschaft sind. Dass da so plötzlich alles abgesagt wurde, die Gottesdienste, gerade zu diesen hohen Festen wie Ostern, Pfingsten … aber auch die Konzerte und Theaterbesuche fehlten mir.
Weitaus am schlimmsten war jedoch, dass ich von einem Tag zum anderen Kinder und Enkel nicht mehr sehen konnte. Sehr vermisste ich die Besuche im Altersheim, wo ich seit langem als Freiwillige tätig bin. Ich litt auch unter dem Gedanken an die Vielen, eingesperrt in den Städten, ohne alle Möglichkeiten, die wir am Berg noch hatten. So manches Jubiläum, das in diese Zeit fiel, konnte nicht oder musste eben anders gefeiert werden. Da war Kreativität gefragt und so wurde mein Mann mit einem wunderbaren Musikvideo überrascht. Positiv war für mich der Garten, den ich richtig genossen habe – und zwar ganz ohne Stress. Ja, man schätzt die Freiheit erst, sobald sie einem abgeht.
Michael (29 J.) aus Meran, Handwerker
Mein Betrieb musste für knappe 4 Wochen schließen. Nach der ersten Unsicherheit hat sich bald eine prima Erholungszeit für mich und meine Freundin eingestellt. Wir konnten in Ruhe die ganze Wohnung samt Garage auf den Kopf stellen, kochen, faulenzen, wir hatten keinen Freizeitstress. Durch die Ausgangssperre „mussten“ wir weder laufen noch Rad fahren noch ins Fitnessstudio. Ich habe mich richtig gut erholt. Als ich wieder arbeiten durfte, habe ich mich gefreut. Zwar sind die Corona-Auflagen bei der Arbeit keine Freude, wohl aber eine Notwendigkeit.
Johannes (35 J.) aus Völlan
Ich arbeite in Lana und habe zuhause eine Familie mit zwei kleinen Kindern (2 und 5 Jahre). Nach dem ersten Schock und der Anspannung, wie lange diese Situation denn dauere, habe ich mich relativ schnell mit der neuen Situation abgefunden. So war es eben und nun hieß es, das Beste daraus zu machen. Ich habe mich so organisiert, dass ich beruflich sehr viel in Heimarbeit erledigen konnte. Da wir ja meist schönes Wetter hatten, spielte ich viel mit den Kindern auf unserer großen Wiese, was diese sehr genossen. Trotzdem fehlt unserer Großen der Kindergarten und die Freundinnen. Dafür erlebten die Kinder nun tagtäglich die Großfamilie: denn auch Opa und Oma waren ständig zuhause, Onkel mit Freundin ebenso. Das war für die Kinder ein großes Plus. Zuhause gibt es für jemanden mit handwerklichem Geschick auch immer etwas zum Werkeln und Basteln, da konnte ich mich in dieser Zeit richtig „austoben“, an Ideen fehlte es nie. Außerdem bereicherte uns die Erkenntnis, dass man eigentlich so Vieles nicht braucht, was man immer meinte zu brauchen.
Luis (63 J.) vom Deutschnonsberg
Ich verspürte zu Beginn der Coronakrise eine gewisse Angst, selbst zu erkranken. Die Ausgangssperre machte mir anfangs sehr zu schaffen. Im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und ich habe versucht Struktur in meinen Tagesablauf zu bringen und mehr zur Ruhe zu kommen. Dies gelang mir vor allem im täglichen Gebet und im Hören des Sonntagsgottesdienstes im Radio. Auch der regelmäßige Gang in die Kirche hat mir Kraft gegeben. Die vielen Todesfälle haben mich zum Nachdenken gebracht und ich hätte nie gedacht, dass so etwas in der heutigen Zeit möglich ist! Die besondere Ausnahmesituation hat für mich auch zu einem Umdenken im alltäglichen Lebensstil geführt: „Weniger ist mehr!“
Josefine (93 J.) aus einem Altersheim
Wir sind halt alle eingesperrt, niemand darf auf die Straße hinaus. Das Personal ist zwar nett, aber sie haben auch keine Zeit, einem „aufzulosen“. Wir dürfen auch nicht von einem Zimmer ins andere; so sind wir schon sehr isoliert. Umso schöner ist es, wenn einmal jemand anruft; es ist die einzige Möglichkeit, und so komme ich aus meinem Trott ein wenig heraus. Ich hoffe nur, dass dies alles bald ein Ende hat.
Maria (62 J.) aus St. Martin/Passeier
Wir haben im Haus viel Bewegungsfreiheit… und ich konnte durch die Wiese meines Neffen immer rasch in den Wald, so habe ich diese Zeit gar nicht schlimm empfunden. Auch meine Schwester, die ganz nahe wohnt, ist fast täglich gekommen und wir haben gemeinsam mit meinem Mann dann immer Romy gespielt. Natürlich haben mir die Enkel gefehlt, aber ich bin kreativ sehr tätig, deshalb kam nie Langweile auf, ebenso wenig bei meinem Mann, der sich viel mit Holz beschäftigt hat. Gut war, dass wir am Anfang keine Ahnung hatten, wie lange das Ganze dauert, irgendwann ist man mittendrin und dann kann man nur noch weitergehen, bis zum Ende des Tunnels…
Helmut (71 J.) aus Meran
Vorweg bemerkt: Ich dürfte als Letzter über den „Lockdown“ klagen. Ich konnte gesund unter einem guten Dach leben, noch dazu mit gesichertem Gehalt und eigenem Garten, zu zweit und ohne verlassene Verwandte im Altersheim, auch ohne Kinder im Fernunterricht… Es genügte allerdings in diesen Wochen ein Blick aus dem Fenster zum Krankenhaus und zum Lebensmittelgeschäft, zum Müllmann und zum Polizisten, um hellhörig und weitsichtig zu bleiben, voll Respekt und Hochachtung für Menschen, die für Menschen arbeiten – trotz allem. Was mich in diesen Tagen am meisten beeindruckt hat, war die Art, wie Menschen in dieser Krisenzeit agiert und reagiert haben: da waren zum einen die klatschenden und beklatschten Menschen, die bis zur Erschöpfung gearbeitet haben, da waren die politisch Verantwortlichen in ganz Europa, die über Nacht sich entscheiden und zeigen mussten, ob ihnen das Gemeinwohl wichtiger war als der billige Applaus der Wähler und der Stammtische, da war auch der Papst, der jeden Morgen die richtigen und beeindruckenden Worte gefunden hat, um die Menschen in ihrer Solidarität zu würdigen und zu stärken – vom Primar bis zum Totengräber. Ich habe auch gespürt, welche Bedeutung und welchen Wert der Sprachstil hat, den Politiker und Redakteure wählen, und welchen Wert ein Europa ohne Grenzen hat – in jeder Hinsicht.
Margaret (67 J.) aus Gargazon
Diese Zeit werde ich nie vergessen! Gerade als die Coronakrise begann, lag mein Mann mit hohem Fieber im Bett, eine schwere Lungenentzündung. Schon damals war ich sehr berührt durch die großartige Hilfe meiner Nachbarn und anderer im Dorf: die einen erledigten Besorgungen für mich, andere überraschten uns mit einem Kuchen. Das war sehr schön! Dann jedoch, am 22. März hatte mein Mann einen Schlaganfall und lag darauf acht Tage im Krankenhaus im Koma – dies alles mitten in dieser schrecklichen Zeit. Wir durften ihn nicht besuchen, ich war das Alleinsein daheim überhaupt nicht gewohnt. Wenn mich damals eine Frau nicht täglich auf einen Rundgang durch die privaten Obstwiesen begleitet hätte, dann hätte ich diese Zeit wohl nie so durchgehalten. Ich hörte viel Radio Maria und immer wieder war es eine Bibelstelle, die mich „ansprang“ und durch den Tag trug, so zum Beispiel einmal der Satz: „Sei getrost, dein Sohn lebt!“, was ich natürlich auf meinen Mann bezog. Außerdem war es mir eine große Hilfe, dass ich meinen Mann im Gebet getragen wusste von unserer Dorfgemeinschaft und weit darüber hinaus. Auch meine Familie war mir sehr nahe. Sobald man von zuhause aus zu Fuß losgehen durfte, kam meine jüngste Schwester Maria zu Fuß von Auer, 33 km weit, um mich zu besuchen. Als mein Mann dann am 30. März wieder aus dem Koma erwachte, war es eine Logopädin, die täglich anrief, um mich zu informieren, wie es meinem Mann geht. So habe ich gerade in dieser so schweren Zeit viel Hilfe erfahren, für die ich nie genug danken kann.
Daniel (49 J.) aus Rabland
Da ich beruflich sonst viel unterwegs bin, brachte die unverhoffte Entschleunigung für uns als Ehepaar und Familie auch viel Gutes. Alle Mahlzeiten gemeinsam, Zeit zum Lesen, Spielen und für den Garten… Glaube und Gebet gehörte immer schon zu unserem Familienleben dazu, jetzt umso mehr inklusive Gottesdienste übers Internet. Den Alltag in Home-Schule (für unsere zwei Oberschüler) und Home-Office haben wir regulär gelebt und als wichtig erlebt. Dass manches auch mühsam war, versteht sich von selbst. Irgendwann reicht es. Die lange Zeit ohne Bergtouren war schwer, aber das waren keine Probleme im Vergleich zu vielen anderen Menschen und Berufsgruppen.
Sarah (24 J.) aus Lana
Die Corona-Zeit war für mich eine Zeit der Ungewissheit und des Vermissens. Was, und vor allem WER wird bleiben? Was wird noch alles passieren? Wo ist meine Freiheit geblieben? Wird sich etwas nach Corona verändern? Einige der Fragen, die ich mir täglich gestellt habe. – Nichtsdestotrotz war es auch eine Zeit, in der ich erkannte, wie stark der Zusammenhalt in meiner Partnerschaft, Freundschaft und Familie trotz der Entfernung ist. Dies gab mir immer wieder neuen Mut und Kraft, die Zeit durchzustehen.
Annamarie (59 J.) vom Deutschnonsberg
Für mich war vor allem die Karwoche eine ganz schwierige Zeit, mir fehlten die Gottesdienste sehr, vor allem zu Ostern. Ich verfolgte regelmäßig die Messen mit Papst Franziskus am PC. Das gab mir viel Kraft und Halt. Mir ist in dieser Corona-Zeit aufgefallen, was wir Menschen doch eigentlich für Egoisten sind! Wir kümmern uns immer nur um uns selbst und sehen den Nächsten, der Hilfe braucht, nicht. Oft geht es nur um unsere eigenen kleinen Befindlichkeiten… Plötzlich war nichts mehr selbstverständlich und sicher. Trotzdem, so schlimm diese Corona-Krise mit all ihren Auswirkungen auch war und ist – hat sie auch viel Menschliches, Neues und Hoffnungsfrohes zutage gebracht. Vielleicht werden nun endlich echte Probleme angegangen, die viel größer als Corona sind! Vor allem brauchen wir mehr soziale Gerechtigkeit, Demut vor dem Leben, eine neue Achtsamkeit. Krisen können hochkreative Momente sein! In diesem Sinne habe auch ich mir die Frage gestellt: Wo liegt die richtige Wertschätzung in meinem Leben? Was brauche ich wirklich, und worauf kann ich verzichten?
Mahmoud aus Meran
Als anerkannter Flüchtling lebe ich allein, war dankbar für meine eigene Wohnung, aber umso mehr isoliert. Wie gut, dass ich übers Internet Kontakte pflegen und mich weiterbilden konnte. Durch Insolvenz des Chefs war ich seit Herbst auf Arbeitssuche und hatte dabei sehr auf das Frühjahr gehofft – ja, und dann kam Corona. Ich hoffe und suche weiter.
Edeltraud (73) aus Meran
Für mich persönlich hatte ich nie Angst vor dem Virus, aber für meine Familienmitglieder war ich schon besorgt (und es ist noch nicht ausgestanden). Ich bin in den 2 Monaten Ausgangssperre um 2 Jahre gealtert. Die Isolation und Beschränkung auf Medien aller Art, der Ausübung des Glaubenslebens war für mich schmerzhaft. Ebenso, dass ich „Dr. Wald“ nicht mehr besuchen konnte (Hausbesuche macht er nicht). Nun dürfen wir ja wieder in den Wald, trotzdem kann ich nicht wirklich durchatmen, denn die Tatsache, dass sich trotz Corona in der Welt nichts ändert, erdrückt mich. Jetzt wäre die Chance, große Änderungen im Wirtschaftssystem zu setzen. Die Staaten haben bewiesen, dass sie Dinge durchziehen und umsetzen können. Stattdessen wartet ganz Europa auf die „Normalität“. Es ist also ganz normal geworden, Menschen, Tiere, Umwelt und Schöpfung bis aufs Letzte auszubeuten. Mal sehen, wie lange man aus einem leeren Sack austeilen kann.
Richard aus St. Gertraud / Ulten
Ich bin der Mesner und es war schon sehr eigenartig, beim täglichen Weg zur Kirche, beim Auf- und Zusperren derselben keinem Menschen zu begegnen, in der Kirche kein Priester, keine Ministranten… Wir haben ja schon lange keinen eigenen Seelsorger mehr und sind gewohnt, vieles selbst zu machen. Obwohl keine Gottesdienste stattfanden und niemand in die Kirche kam, sie steht ja außerhalb der Dorfmitte und es hätte eine Eigenerklärung gebraucht, haben wir den Altarraum geschmückt, wie sonst auch. Am Palmsonntag lagen Ölzweige bereit, die sich die Leute holen konnten, am Gründonnerstag der Altar besonders festlich geschmückt, ebenso wie für Ostern. Am Karfreitag beeindruckte der nackte Altar … wenn auch niemand kam, das war mir wichtig. Irgendwie war ich stellvertretend für alle in der Kirche! Jeden Sonntag wurden die Glocken 10 Minuten lang geläutet, ebenso wie in der Osternacht, alle sollten erinnert werden. Eine Freiwillige erstellt den Pfarrbrief, er lag im Geschäft für alle auf und wurde mit dem Milchtransport auf die Berghöfe gebracht. Darin stand das Sonntagsevangelium mit erklärenden Worten. Außerdem stellte die Religionslehrerin Wortgottesfeiern für die Festtage ins Internet, sogar eigene für Kinder. So mühten sich viele für eine lebendige Kirche trotz äußerer Beschränkungen. Jetzt, wo alles wieder anläuft, sorgt die Feuerwehr für den Ordnungsdienst bei den Gottesdiensten, das klappt erstaunlich gut.
von Christl Fink