Bei der Vorstandssitzung der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino in Stams (Tirol) standen die Corona-Pandemie, die Lebensmittelpolitik, die Landshuter Europahütte und der erste Euregio-Bürgerrat im Fokus.
Heute (1. Oktober) tagte der Euregio-Vorstand unter Vorsitz des Euregio-Präsidenten Landeshauptmann Günther Platter aus Tirol im Stift Stams. Gemeinsam mit Südtirols Landeshauptmann sowie dem Landeshauptmann des Trentino, Maurizio Fugatti, wurden zahlreiche Projekte besprochen: Auf der Agenda standen der Neubau der Landshuter Europahütte, eine nachhaltige bürgernahe Lebensmittelpolitik, der 2021 erstmals stattfindende Euregio-Bürgerrat, der Euregio-Reformprozess sowie das Projekt „Euregio macht Schule“ ebenso wie die Eröffnung weiterer Euregio-Büros und die gemeinsame Entwicklungszusammenarbeit in Ostafrika.
Zentrales Thema war auch die Corona-Pandemie mit all ihren Herausforderungen. So bekräftigte die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino die erst gestern (30. September) in Salzburg beim Treffen der Arge Alp Länder unterfertigte Erklärung, wonach die länderübergreifende Kooperation zur Bewältigung der Corona-Krise verstärkt werden soll.
Nachdem sich die drei Länder zu Beginn der Pandemie gegenseitig mit Schutzmaterial ausgeholfen und das Bundesland Tirol auch Südtiroler Intensiv-Patienten aufgenommen hatte – beide Punkte sind Gegenstand der Arge Alp-Erklärung –, gilt das Hauptaugenmerk der Euregio nun den Reisewarnungen: „Tirol, Südtirol und das Trentino sind sich einig, dass für die Verhängung von Reisewarnungen mehr Kriterien als lediglich die Inzidenzzahlen ausschlaggebend sein müssen“, erklärte dazu Euregio-Präsident Platter. „Es gehören unbedingt auch Faktoren wie die Testungsquote, die Hospitalisierungsquote und die Bettenbelegungsquote berücksichtigt. Es liegt in unserem größten Interesse, dass sich die EU-Staats- und Regierungschefs eingehend mit dieser Thematik beschäftigen und einheitliche und objektivierte Standards festlegen, die auch die Möglichkeit des Freitestens bei Reisewarnungen umfassen.“ Im Hinblick auf die bevorstehende Wintersaison verständigten sich Tirol, Südtirol und das Trentino darauf, mit möglichst gleichen Vorgaben und Standards in den Winter zu starten.
Lebensmittelpolitik und Schutzhütte
Auf Vorschlag von Südtirols Landeshauptmann genehmigte der Euregio-Vorstand heute einen Beschluss zur „Nachhaltigen bürgernahen Lebensmittelpolitik für die Zukunft Europas“. Damit unterstützt die Euregio das Positionspapier, das Südtirols Landeshauptmann als Berichterstatter des Ausschusses der Regionen für eine nachhaltige Lebensmittelpolitik im Rahmen des europäischen Vergaberechts eingebracht hat und ersucht ihn, dieses auch im Namen der Euregio bei den europäischen Institutionen vorzubringen. „Die aktuelle Covid-19-Krise hat den Wunsch der europäischen Bürger nach einer zuverlässigen und nachhaltigen Versorgung mit regionalen Lebensmitteln verstärkt“, erklärte Südtirols Landeshauptmann. „Eine nachhaltige Lebensmittelbeschaffung der öffentlichen Verwaltungen stellt eine enorme Chance einerseits für die lokale und regionale Wirtschaft, andererseits für eine gesunde und umweltverträgliche Ernährung dar.“
Als „einzigartiges Beispiel für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit im europäischen Geiste“ bezeichnete Euregio-Präsident Platter heute den Neubau der Europa-Hütte, ehemals Landshuter Hütte. Durch das Schutzhaus in den Zillertaler Alpen verläuft seit 1919 die österreich-italienische Grenze. In Zukunft soll das Schutzhaus von einer Stiftung betrieben werden, an der sich das Land Südtirol, das Land Tirol und der Deutsche Alpenverein-Sektion Landshut beteiligen. Dazu wurde heute ein Einvernehmensprotokoll unterzeichnet, das das INTERREG-Projekt „Fit for Cooperation (Fit4Co)“ abschließt. Anlässlich der 125-Jahr-Feier im Jahr 2024 soll auch der dringend notwendige teilweise Neubau des Schutzhauses fertiggestellt sein, wie Südtirols Landeshauptmann informierte.
Einbeziehung von Bürgern und Gemeinden
Gestartet sind auch die Vorbereitungen für den ersten Euregio-Bürgerinnen- und Bürgerrat 2021. Bis Februar 2021 wird das Konzept ausgearbeitet und mit dem Euregio-Vorstand abgestimmt. Ziel ist es, ein zentrales Thema der Europaregion mit den Bürgerinnen und Bürgern aus allen drei Landesteilen zu vertiefen. Das Thema wird gleichzeitig mit dem Startschuss zur Einladung im Frühjahr bekanntgegeben. Künftig sollen auch Gemeinden verstärkt in Form eines „Rats der Gemeinden“ miteinbezogen werden, der sich aus Vertretern der Gemeindeverbände und der INTERREG-Räte im unmittelbaren Grenzgebiet zusammensetzt.
Reformprozess unter der Leitung von Walter Obwexer
Im Rahmen des Tiroltags beim Forum Alpbach in August sprachen sich die drei Landeshauptleute auf Empfehlung des EuregioLabs für einen Reformprozess in der Europaregion aus. Heute wurde dem Europarechtsexperten Walter Obwexer von der Universität Innsbruck die Leitung der Gruppe von Fachleuten anvertraut. „Er hat bereits das EuregioLab geleitet und ist Garant dafür, dass die Reform nunmehr zügig implementiert und in die Gründungsverträge der Europaregion eingearbeitet wird“, sind sich die Landeshauptleute einig.
Das Herzstück der Statutenreform wird die Stärkung der demokratischen Strukturen und die Einbeziehung der Bevölkerung sein: Derzeit findet alle zwei Jahre der Dreierlandtag der jeweils gewählten Mandatarinnen und Mandatare statt. Mit der Erweiterung der Versammlung erhält die Europaregion ein runderneuertes Statut.
Informations- und Koordinierungsbüros in Innsbruck und Trient
Nachdem am 1. Juli 2020 die Europaregion ihren neuen Sitz in Bozen („Waaghaus“) bezogen hat, wird es künftig auch in Innsbruck und in Trient Euregio-Büros geben. Derzeit ist die Europaregion in den jeweiligen Landesverwaltungen und dem Euregio-Büro in Bozen vertreten. Für eine noch bessere Koordination sollen in Zukunft auch in Tirol und dem Trentino Informations- und Koordinierungsbüros eingerichtet werden.
Euregio macht Schule
Auf Initiative des Tiroler Euregio-Vorsitzes hat die Europaregion in Kooperation mit der Bildungsdirektion für Tirol und der Pädagogischen Hochschule Tirol ausführliche Lehrmaterialien über die Europaregion ausgearbeitet. Die Schüler werden mittels einer Website mit laufend aktualisierten Modulen durch das Schuljahr begleitet. Ergänzt werden diese digitalen Unterlagen von einer analogen Landkarte, die von den Schülerinnen und Schülern kreativ gestaltet werden und am Ende des Schuljahrs im Rahmen eines Wettbewerbs eingereicht werden kann. Die Lehrmaterialien können künftig auch von Schulen in Südtirol und dem Trentino genutzt werden.
Zusammenarbeit Euregio-Büros Bozen und Brüssel
Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Euregio-Büro in Bozen und der gemeinsamen Vertretung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino in Brüssel wird verstärkt. So tritt die Europaregion nunmehr auch in Brüssel mit gemeinsamen Logo auf, das um Englisch erweitert wurde. Darüber hinaus wird der Internetauftritt der beiden Euregio-Büros in Bozen und Brüssel unter www.europaregion.info zusammengefasst und im Frühjahr 2021 vorgestellt werden.
Entwicklungszusammenarbeit in Ostafrika
Die Entwicklungszusammenarbeit im Grenzraum von Uganda und Tansania wird fortgeführt. Insgesamt nimmt die Europaregion eine Million Euro für die nächsten drei Jahre in die Hand, um die landwirtschaftliche Produktivität und damit die Ernährungssicherheit zu steigern sowie den Wissensaustausch zu fördern. (LPA)