Er ist wahrlich kein Unbekannter in Südtirol. Als Pionier des Seilbahnbaus und gewiefter Unternehmer hat er Geschichte geschrieben, deren Erfolg durch seine Familie bis heute andauert. In Bozen, Innsbruck und Meran wurden Straßen nach ihm benannt, ebenso in seiner Heimatgemeinde Lana – Park inklusive: Ing. Luis Zuegg.
Blättert man im Taufbuch von Lana, stößt man am 26. April 1876 auf einen Alois Karl Zuech. Noch deutet nichts darauf hin, welches technische Genie am Steinbogen-Hof in Mitterlana heranwächst. Als Luis gerade einmal drei Jahre alt ist, stirbt seine Mutter im Kindbett. Der Vater heiratet kurz darauf die 20 Jahre jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau. Die Tante wird damit zur Stiefmutter. An Unterstützung fehlt es nicht. Luis erhält eine gute Ausbildung, zuerst am Benediktinergymnasium in Meran und dann – nach seiner Matura mit Auszeichnung – an der Technischen Hochschule in Graz. Er beschäftigt sich dort mit Chemie, Physik, Mechanik und einigen anderen Disziplinen und entscheidet sich schließlich für die Elektrotechnik. Schon damals zeigt sich sein kaufmännisches Talent, das er, so heißt es, von seiner Mutter geerbt hat. Er fertigt mit Erlaubnis seines Professors präzise Mitschriften der Vorlesungen an, vervielfältigt diese in Steindruck und verkauft sie an die Studenten. Mit dem Erlös kann er seine Studien abschließen und in seine Heimat zurückkehren. Etwa in dieselbe Zeit fällt die Namensänderung von Zuech zu Zuegg.
Die Not wird zur Tugend
Mit finanzieller Hilfe eines Grazer Studienkollegen, Franz Pichler, baute er die erste Stufe eines Elektrizitätswerkes in der Gaulschlucht. Dies war durchaus ein Wagnis, da sich damals nur wenige Haushalte als Stromabnehmer finden ließen und auch die meisten Unternehmer noch skeptisch waren. Wie so oft misstraute man dem Neuen. Was der Bauer nicht kennt… Doch Zuegg hatte eine Idee. Wenn das E-Werk Erfolg haben sollte, brauchte es einen Dauerkunden. Gesagt, getan, er gründete zusammen mit anderen die erste elektrische Straßenbahn Südtirols. Von nun an wurde Lana mit Meran durch eine Tram verbunden. Die Vorteile des elektrischen Lichts sprachen sich herum, die Bedenken in der Bevölkerung wurden weniger, und nach und nach kamen immer mehr Kunden dazu. 1909 konnte die zweite Stufe des E-Werks in Betrieb genommen werden. Dass er noch vorher eine Braunpappenfabrik gegründet hatte, weil ihm auffiel, dass es genügend Holzabfälle gab, die nicht anderweitig genutzt werden konnten, rundet das Bild des tüchtigen und vorausblickenden Unternehmers ab.
Überbordender Ideenreichtum
Während des Ersten Weltkrieges wurde Zuegg, der sich mittlerweile einen Namen im Seilbahnbau gemacht hatte, an verschiedenen Orten eingesetzt. Als er eine für eine geplante Offensive wichtige Materialseilbahn in Lavarone bauen sollte, stellte sich heraus, dass das gelieferte Tragseil um fast 200 Meter zu kurz war. Die zuständigen Militärs wüteten, doch Zuegg fand einen Ausweg, indem er vorgegebene Regeln brach und damit – wie sich bei späteren Messungen herausstellte – nicht nur eine Notlösung gefunden hatte, sondern ein System entwickelte, das sicherer, langlebiger und effizienter war. Sein Motto „Sicherheit durch Einfachheit“ führte ihn zu zahlreichen bahnbrechenden Neuerungen und machten ihn zu jenem Pionier, als der er noch heute bekannt ist. Als seine Pappenfabrik kriegsbedingt die Produktion einstellen musste, wandelte er sie mit seinem Bruder in eine Marmeladenfabrik um. Das ist aber eine andere Geschichte.
Christian Zelger