Fastenbrief von Prof. Paul Imhof, Theologe
Mit dem Aschermittwoch begann die österliche Bußzeit, in der wir daran erinnert werden, was nötig ist, damit es auf Erden besser wird. Welche Umkehr steht individuell, ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich an? Was heißt das für den Umgang mit den Nöten der Menschen, seien sie gesellschaftlicher oder religiöser Natur?
Mit einem höchst unkonventionellen Ansatz, die hungernden Menschen satt zu machen, betritt Jesus von Nazareth die gesellschaftliche und politische Bühne in Galiläa (Wundersame Brotvermehrung) Das Volk ist so begeistert, dass sie ihn zu ihrem Brotkönig machen will. Endlich einer, der lösungsorientiert auftritt und sich nicht durch die defizitäre Situationsanalyse bannen lässt! Und siehe da, er ist erfolgreich. Solche Politiker brauchen wir. Aber er zieht sich zurück, um darauf hinzuweisen, dass die Probleme noch viel grundsätzlicher anzupacken sind.
Nach dem Sternzeichen Fische beginnt der kosmische Kalender neu mit dem Sternzeichen Teleh, d.h. Widderlamm. Denn mit der Frühlings-Tagundnachtgleiche im März fängt ein neuer Zyklus an, der bis zur Sommersonnenwende, der Herbst-Tagundnachtgleiche und der Wintersonnenwende bis zur nächsten Tagundnachtgleiche im Frühling läuft. Jesus Christus ist der neue Anfang, von dem her Licht auf alle Anfänge in der Perspektive des Glaubens fällt.
Bei der Liturgie wird die ganze, sichtbare Hostie gebrochen. Durch die über einander geschobenen Hälften entsteht ein Geviert, das die genießbare Welt symbolisiert. Der Priester deutet dann, den Finger des Johannes figurierend, auf die unsichtbare Mitte der konsekrierten Hostie hin, und spricht: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“
Selbstverständlich kann dies nur mit den geistlichen Augen des Glaubens erkannt werden. Das liturgische Geschehen ist eine rituelle Choreographie für die sakramentale Präsentierung des Lammes Gottes. Es ist mit Jesus Christus identisch, so der Glaube der Christen (vgl. Joh 1,29.36). Wie im Himmel so auf Erden, das himmlische Hochzeitsmahl, bei dem es für alle reicht, weil alles im Überfluss der Liebe geschieht, wird von Jesus Christus auf Erden inszeniert.
Wir müssen erst einmal ein Fest feiern, ehe wir über Problemlösungen nachdenken. Das Fest ist der Anfang, um Antworten auf wichtige Fragen zu finden: Wo ist mein Platz in der Gesellschaft? Wie werde ich satt? Was fehlt mir? Wann bin ich zufrieden? Bei einem Festmahl bleibt immer genügend übrig. Es ist ein kommunikatives Ereignis schlechthin! Hier wird das Geheimnis des Lebens gefeiert, die Selbstmitteilung und das Teilen, das die Not lindert. Partizipation glückt. Jeder ist auf seine Weise ein Teil des Ganzen.
Das irdische Dasein ist kostbar. Das Evangelium, das verkündet wird, verändert die Welt und weist darüber hinaus. Durch die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde entsteht eine Zukunftsperspektive. Gott verheißt Leben, ja ewiges Leben in Fülle. Jesus Christus ist so gesehen der irdische Befreier. Wer aus seinem Geist lebt, ist frei mit den Dingen im Sinne des Gemeinwohls umzugehen. So entsteht eine Kontrastgesellschaft, in der nicht die Bösen das Sagen haben und die Guten nicht sinnlos leiden müssen.
Sein Konzept der Entfeindung und der Nächstenliebe ist gesellschaftlich höchst relevant. Denn mit Mutter Erde wird ausbeuterisch und zerstörerisch umgegangen. Die Verteilungskämpfe werden zunehmen. Daher braucht es Lösungen, sodass die Gesellschaft nach den Maßstäben der Gerechtigkeit organisiert werden kann. Jeder soll erhalten, was er zum Leben benötigt. Jesus Christus ist der kosmische Christus.
Durch ihn kommt es zum Ausgleich von Hell und Dunkel, von Aufgang und Untergang, von Arm und Reich.