Die folgende Straßengeschichte führt uns in das Passeiertal, um genauer zu sein, nach St. Leonhard und zur Jaufenburg. Zunächst verlassen wir aber Tirol und blicken gut 300 Kilometer nordöstlich.
Wer am oberösterreichischen Wallfahrtsort St. Thomas am Blasenstein vorbeikommt, sollte sich unbedingt ein wenig Zeit nehmen und die Pfarrkirche besuchen. In der Gruft befindet sich eine Mumie, die bis heute Rätsel aufgibt. Es soll sich um den Pfarrvikar Franz Xaver Sydler de Rosenegg handeln, der 1746 im Alter von 37 Jahren verstarb und bereits am Tag darauf bestattet wurde – unüblich für einen Geistlichen.
Als man gut hundert Jahre später das Grab ausräumte, fand man den unversehrten Leichnam. Seither gilt die Mumifizierung als ein Wunder. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen konnten bis heute nicht alle Details restlos klären. Im Volksmund ist die Mumie – mehr humor- als respektvoll – als Luftg’selchter Pfarrer oder Lederner Franzl bekannt. Auch hierzulande kann man auf Mysterien dieser Art stoßen, zum Beispiel im Passeiertal auf der Jaufenburg. Nach einem ihrer bekanntesten Besitzer, Carl Graf Fuchs, ist eine Straße in St. Leonhard benannt. Sein Grab wurde ebenso Jahrzehnte nach der Beerdigung geöffnet. Aber der Reihe nach.
Die Jaufenburg
Die Ursprünge der Jaufenburg reichen ins 13. Jahrhundert zurück. Die erste urkundliche Erwähnung als „turn under jauven“ stammt aus dem Jahr 1320. Im Inneren sind zumindest in einigen Räumlichkeiten die prächtigen Wandmalereien erhalten geblieben. Ergänzt wurden diese mit Bibel-Zitaten, die interessanterweise aus der Übersetzung von Martin Luther stammen, obwohl Christoph Fuchs von Fuchsberg, der Auftraggeber der Fresken, ein katholischer Bischof war. Dieses Tiroler Adelsgeschlecht war in den Besitz der Burg gekommen, als die Herren von Passeier, die ursprünglichen Eigentümer, 1418 mit Ritter Hildebrand im Mannesstamm ausstarben. So fiel die Burg an die Familie seines Schwiegersohnes. Die Fuchs von Fuchsberg verzweigten sich in mehrere Linien – mit sehr unterschiedlichen Charakteren. Der erwähnte Christoph aus der besonders mächtigen und reichen Jaufenburger Linie besetzte zunächst die Position eines kaiserlichen Rates in Innsbruck, war verheiratet und hatte vier Kinder. Nach dem Tod seiner Frau strebte er eine geistliche Laufbahn an, die ihn auf den Brixner Bischofsstuhl brachte. Als seinen Nachfolger installierte er einen seiner Neffen, die weltlichen Ämter schob er seinem Sohn zu. Eine Anklage wegen Vetternwirtschaft konnte er gerade noch abwenden.
Der gute Herr
Ganz anders hingegen war Carl Graf Fuchs. Er lebte um 1600 und zeigte sich als besonders großzügig gegenüber der Bevölkerung des Passeiertales: mit Geschenken, günstigen Darlehen und gerechter Unterstützung in Zeiten der Not. Bekannt als der „gute Herr auf Jaufenburg“, wurde er fast wie ein Heiliger verehrt. Als er am 8. Juni 1664 starb, fand er seine letzte Ruhe in der Fuchs’schen Familiengruft. Doch schon mit den Nachfolgern wichen die Wohltaten den rauschenden Festen und die Nächstenliebe der Genusssucht. Die Schulden häuften sich, worunter das Verhältnis zu den Talbewohnern stark litt. Dass sich die jungen Gräfinnen auf die Fistradalm bringen ließen, um dort der Schönheit wegen in frisch gemolkener Milch zu baden, würde zum Klischee passen. Und es wäre das Sahnehäubchen der Verschwendung. Carl Graf Fuchs hätte sich im Grab umgedreht und er hätte dies wohl mit Kraft geschafft. Als man 130 Jahre nach seinem Tod seinen Sarg öffnete, fand man den Leichnam des Grafen gänzlich unverwest – so jedenfalls kann man es bei Beda Weber nachlesen.
Christian Zelger