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Faszination Weltraum

Sputnik V(akzin) haben die Russen ihren Impfstoff gegen das Covid-19-Virus benannt. Bezeichnenderweise war Sputnik1 der Name des ersten Satelliten, der 1957 von den Russen ins Weltall geschossen wurde und den US-Amerikanern das Fürchten lehrte. Monate später folgte zwar der amerikanische Satellit „Explorer“, als aber am 12. April 1961 Juri Gagarin als erster Mensch die Erde umrundete, saß der Schock in den USA tief.

von Josef Prantl

Der russische Kosmonaut Juri Gagarin

„Ich sehe die Erde! Sie ist so wunderschön!“, schwärmte Gagarin und prägte den Begriff des „blauen Planeten“. 108 Minuten dauert diese erste menschliche Exkursion ins Weltall vor genau 60 Jahren. Damit ist er der erste Mensch im Weltraum und die damalige Sow­jetunion gewinnt im Rennen um die Vormachtstellung im All zunächst die Oberhand. Das änderte sich erst mit der amerikanischen Apollo-1-Mondlandung am 20. Juli 1969.
2011 erklärten die Vereinten Nationen den 16. April zum „Internationalen Tag der bemannten Raumfahrt“. Als „Yuri’s Night“ wurde er weltweit aber schon viel früher gefeiert, denn im April fand nicht nur der erste bemannte Raumflug statt, sondern auch der erste Flug des amerikanischen Space-Shuttles, das vor genau 40 Jahren am 12. April 1981 in den Orbit aufbrach. Und so haben wir heuer gleich zwei Jubiläen zu feiern, die völkerverbindender nicht sein könnten.
Als Gagarin am 16. April 1961 wieder Boden unter den Füßen hatte, wurde er zunächst für einen Außerirdischen gehalten. Er überraschte damals die Försterfrau Anna Tachtarowa mit ihrer Enkelin beim Kartoffelpflanzen auf einem Feld, weil sich die sowjetischen Raumfahrtingenieure beim Landeplatz um Hunderte Kilometer verrechnet hatten. Wegen des orangen Raumanzugs und des weißen Helms hielten sie Gagarin für ein „Monster“, wie die russische Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ schrieb. Der Kosmonaut rief ihnen aber zu: „Ich bin einer von Euch!“

Der Kolumbus des Weltraums
Zwei Tage nach der Landung von Wostok 1 traf Gagarin in Moskau ein. Gemeinsam mit dem damaligen sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow zeigte er sich auf dem Bal­kon des Kremls einer unübersehbaren Menschenmenge, die ihn frenetisch feierte. 48 Stunden zuvor noch völlig unbekannt, war er jetzt der wohl berühmteste Mensch. Die sich anschließende Reise rund um den Erdball bestätigte das: Wo immer er auch hinkam, überall jubelten ihm die Menschenmassen zu.
Der Sohn einer Bäuerin und eines Tischlers wird am 9. März 1934 im Dorf Kluschino im Westen Russlands geboren. Bei Moskau lernt er den Beruf des Gießers, wird später Pilot bei den Luftstreitkräften. Der Flug ins All macht ihn über Nacht international berühmt. Nach seinem spektakulären Flug machten allerdings Gerüchte von Wodka-Exzessen und Frauengeschichten die Runde. Am 27. März 1968 stürzte er beim Test eines Jagdflugzeugs vom Typ MiG-15 UTI bei Moskau ab. Um seinen tragischen Tod ranken sich viele Legenden, weil die Umstände des Unglücks lange geheim geblieben sind. Gagarins Urne wird bei einem Staatsbegräbnis in der Kremlmauer beigesetzt. Über die geografischen und ideologischen Grenzen der Sowjetunion hinaus wurde Gagarin als „erster Pop-Star des Ostblocks“ gefeiert. Auch die britische Königin Elizabeth II. empfing ihn 1961. Einer Umfrage zufolge halten die Russen Gagarin für das größte Idol des 20. Jahrhunderts. Wenn heute die neue Crew zur ISS wie damals Gagarin vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur – heute in der Republik Kasachstan – abhebt, dann gibt es Rituale in Erinnerung an den ersten Weltraumflug: neben dem Pflanzen eines Baums „pinkeln“ die Raumfahrer gegen die Reifen eines Busses, wie es der erste Kosmonaut vor 60 Jahren getan hat. Als Markenname geschützt ist Gagarins Spruch „Pojechali!“ („Los geht’s“). Das meldete er damals der Bodenstation, bevor er ins All aufbrach. Bemerkung am Rande: Die erste Frau im Weltall war auch eine Russin. Am 16. Juni 1963 hob die 26-jährige Valentina Tereschkowa ab, um 49-mal die Erde zu umrunden. Bewusst schickte Nikita Chruschtschow eine Frau in das Weltall.

Das russische Kulturzentrum „Borodina“ in Meran

Spaziergänge im Weltraum sind heute außerhalb der ISS (Internationale Raumstation) möglich

Russland und Meran verbinden schon lange wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen. Die direkte Zugverbindung St. Petersburg-Meran brachte vor rund 120 Jahren betuchte Russen in die blühende Kurstadt. Die Russen machten damals Merans drittgrößte Gäste­gruppe aus. Äpfel aus dem Burggrafenamt wurden nach Russland verkauft und 1889 hinterließ die Moskauerin Nadezhda Ivanovna Borodina dem „Russischen Komitee“ in Meran eine beträchtliche Summe zum Bau einer Kirche und eines Heims für Kranke.
Der Gebäudekomplex in der Schafferstraße besteht aus zwei Villen (Villa Moskau und Villa Borodina) und einer orthodoxen Kirche. Die alte Verbindung Russland-Meran neu zu beleben, führte 2008 zur Gründung des Kulturzentrums „Borodina“. In den vergangenen Jahren organisierte die Meraner „Borodina“ Ausstellungen, Seminare, Begegnungen und Festlichkeiten mit Schwerpunkt „Russland“. Ein Thema, welches das Kulturzentrum gemeinsam mit seinen Südtiroler Partnern öfters aufgriff, ist die Raumfahrt. So organisierte man 2013 mit dem Planetarium Südtirol und in Zusammenarbeit mit dem Frauenmuseum Meran ein Jubiläumsevent zu Ehren des 50. Jahrestages von Valentina Tereshkova, der ersten Frau im Weltall,. Valeriy Tokarev, russischer Kosmonaut, Weltraumspaziergänger und Bürgermeister der Kosmonauten-Ausbildungsstätte „Star City“ in der Nähe Moskaus hielt einen Festvortrag über die russische Raumfahrt. 2015 enthüllten die Amateurastro­nomen „Max Valier“ und das Russische Zentrum „Borodina“ auf der Sternwarte in Gummer (Karneid) eine Büste von Jury Gagarin. Die Bronzebüste des Bildhauers Alexey Leonov ist ein Geschenk der Stiftung „Dialogue of Cultures –United World“ in Moskau. Sie schafft eine sichtbare Verbindung zwischen dem Südtiroler Raketenpionier Max Valier (1895 – 1930), den die Ama­teurastronomen als Leitfigur gewählt haben und Juri Gagarin (1934 – 1968), dem ersten Menschen im Weltraum im Jahre 1961. Der Weltraum hat an seiner Faszination nicht nachgelassen, sowohl was die Entwicklung der Technik betrifft, in den Weltraum vorzudringen, als auch was Erforschung der Sterne und des Universums als solches betrifft. Zum heurigen doppelten Jubiläumsjahr sind daher wieder mehrere gemeinsame Veranstaltungen geplant.

Südtirols Amateurastronomen-Verein „Max Valier“

Als 1984 der Amateurastronomen-­Verein gegründet wurde, war die Errichtung einer Volkssternwarte ein Ziel in weiter Ferne. Heute befinden sich in Gummer oberhalb von Karneid die einzige Sternwarte Südtirols „Max Valier“, das Sonnenobservatorium „Peter Anich“ und das einzige Planetarium in der Region. 2017 gelang es den zwei ehemaligen Gewerbeoberschulen von Bozen und Meran in Zusammenarbeit mit dem Luft- und Raumfahrtunternehmen OHB in Bremen – gegründet vom Latscher Ingenieur Manfred Fuchs – den Amateursatelliten „Max Valier Satellite“ über eine indische Rakete ins All zu schicken.

In Gedenken an den Kosmonauten Nr. 1

Lukas Pichler, Direktor der Borodina

Das russische Zentrum „Borodina“ in Meran nimmt das heurige Jubiläum zum Anlass, um in Zusammenarbeit mit dem Museum für Kosmonautik in Moskau, dem Tourismusverein des „Sternendorfes“ Gummer-Steinegg, den Amateurastronomen „Max Valier“ und mehreren Oberschulen aus ganz Südtirol verschiedene Veranstaltungen durchzuführen. Die Schulklassen können an einer Live-Online-Führung durch das Museum für Kosmonautik in Mos­kau teilnehmen. Im Sternendorf Steinegg-Gummer wird eine Ausstellung mit Bildern, die von der russischen Presseagentur Tass zur Verfügung gestellt werden, eröffnet. Die Amateurastronomen „Max Valier“ senden aus der Sternwarte Grußworte an die „Sternenstadt“ nahe Moskau, wo auch heute noch die Ausbildung der Kosmonauten stattfindet. In der Sternwarte lässt sich die abgebildete Büste Gagarins bewundern.

 

 

 

 

„Der erste Mensch, der den Mars betritt, lebt bereits!“
Der Lananer Stephan Bertagnolli ist Mitglied der rund 150 Südtiroler Amateurastronomen und hat sich intensiv mit Juri Gagarin, der Raumfahrt und dem Weltraum beschäftigt. Lukas Pichler leitet seit kurzem das russische Kulturzentrum „Borodina“.

Die BAZ sprach mit den Beiden über den Kosmonauten Nr.1, das Space Shuttle und das heurige Doppeljubiläum.

Was die belebte Raumfahrt angeht, waren die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg den Russen zunächst voraus. Wie konnte es die Sowjetunion dann aber schaffen, besser und schneller zu werden?

Stephan Bertagnolli

Stephan Bertagnolli: Anfangs waren die Amerikaner noch gar nicht voraus. Die USA glaubte zwar mit den Spitzentechnikern um Wernher von Braun einen gro­ßen Vorsprung gegenüber der Sowjetunion erlangt zu haben. Bei ihrem Rückzug aus „Mittelbau Dora“, das ja in Thüringen und somit in der sowjetischen Besatzungszone lag, haben sie alles mitgenommen, was sie für brauch­bar hielten. Die Sowjetunion konnte aber noch verschiedene Bauteile der bal­listischen Rakete Wernher von Brauns, der V2, sichern. Auch viele deutsche Raketeningenieure, die von den USA als „aus der 2. Reihe“ eingestuft worden waren, wurden in die Sowjetunion gebracht. Dort gelang es unter der Leitung von Sergei P. Koroljow in kürzester Zeit wichtige Erkenntnisse der deutschen Raketentechnik zu gewinnen und nach dem Vorbild der V2 eine Rakete zu bauen. Die USA teilte die Aufgaben in der Raketenforschung auf die verschiedenen Teilstreitkräfte auf. Keine gute Idee. Die deutschen Raketenforscher z. B. wurden mit dem Bau von taktischen Raketen und Mittelstreckenraketen für die US-Army sozusagen „kaltgestellt“. Langstreckenraketen waren noch nicht vorrangig im Programm. Dies ist teilweise auch auf die damalige Überlegenheit bei den strategischen Bomberflotten zurückzuführen. Die USA fühlten sich durch ihre kontinentale Lage sicher. Die UdSSR baute dagegen bald auf Interkontinentalraketen, diese waren durch ihre 5-fache Schallgeschwindigkeit auch nicht mehr abfangbar.

Welche Rolle spielte dabei der Chefkonstrukteur Sergej P. Koroljow?

Das russische Kulturzentrum „Borodina“ in der Meraner Schafferstraße

Koroljow spielte sowohl in Sputnik als auch in Wostok 1 die größte Rolle in der sowjetischen Raketentechnik. Er war ein genialer und begnadeter Techniker, dem es gelang, aus den zurückgelassenen Ersatzteilen in Kürze brauchbare Raketen auf Basis der V2 zu konstruieren. Nachdem diese Technik ausgereizt war, wurde eine neue eigenständige Raketen­entwicklung vorgenommen. Die Sowjetunion hatte einen Rück­stand in der Computerisierung und Miniaturisierung. Das bedeutete, dass ihre Atombomben weitaus schwerer waren als die der USA. Daher mussten auch die Trägerraketen stärker sein. Mit der R7 entwickelte Koroljow eine Rakete, die dann auch leistungsstark genug war, um eine Raumkapsel mit lebenserhaltenden Sys­temen für einen Menschen in den Or­bit zu bringen. In der Sowjetunion gab es allerdings keine koordinierte Raumfahrtstrategie. Dies mag seltsam klingen. Die Raketenplanung unterstand primär dem Militär, das sehr ungern Ressourcen für nichtmilitärische Projekte vergab. Daher ist die Figur Koroljows absolut nicht zu unterschätzen. Er musste seine Visionen gegen den hartnäckigen Widerstand der Militärs durchsetzen. Im Gegensatz zu den USA, wo nach dem Sputnik-Schock die Nasa 1958 gegründet wurde und schier unendliche Ressourcen in die Raketenentwicklung gesteckt wurden, gab es in der Sowjetunion eine Vielzahl an Strukturen, die sich gegenseitig im Weg standen und um politische Aufmerksamkeit kämpften. Trotzdem gelang es dem „Chefkonstrukteur“ Koroljow und seinem OKB 1 ein Jahrzehnt lang die USA in der Raketenentwicklung abzuhängen. Er war so etwas wie eine „Ein-Mann-Nasa“. Und schlussendlich setzte sein Tod auch einen Schlussstrich unter den Wettlauf zum Mond. Sein Nachfolger besaß nicht Koroljows Charisma und auch nicht seinen Biss. Koroljows Raketen fliegen in einem gewissen Sinn aber immer noch. Auch die aktuelle Sojus-Trägerrakete, die noch heute zur ISS fliegt, baut auf das Design und die Technik der R7 „Semjorka“ von Sergej P. Koroljow auf und gilt als eine der zuverlässigsten Raketen der Welt.

„Laika“ ist in Russland ein beliebter Hundename. Was hat es damit auf sich sich?

Oberschüler erhalten Online Einblick in das Kosmonautenmuseum in Moskau

Zur damaligen Zeit wusste man gar nicht, wie Lebewesen im Weltraum überleben können. Auch das Wissen über die Reaktion von Säugetieren in der Schwerelosigkeit war gleich null. Daher haben sowohl die Sowjetunion als auch die USA angefangen, immer höhere Lebensformen ins All zu transferieren und deren Vitaldaten zu messen und zu überprüfen. Die USA bedienten sich eher bei Primaten, während die Sowjetunion Hunde in den Weltraum schickte, um festzustellen, ob auch Menschen dort überleben können. Die Hündin Laika war das erste Lebewesen, das die Erde in einem Orbit umkreiste. Lange ließen die sowjetischen Raumfahrtbehörden nicht verlautbaren, wie lange Laika im Weltraum überlebt hat. Heute geht man davon aus, dass sie bereits nach wenigen Stunden durch Überhitzung gestorben ist. Teile der Wärmeisolierung waren wahrscheinlich verloren gegangen. Denn obwohl es im Weltraumvakuum kalt ist, können sich Oberflächen und Räumlichkeiten binnen Kürze durch die direkte Sonneneinstrahlung extrem aufheizen. Auch das Space-Shuttle musste deswegen im Orbit immer mit offener Laderaumbucht fliegen, weil sich dort das Temperaturausgleichssystem befand. Was Laika angeht, war allerdings nie geplant, dass sie wieder lebend zur Erde zurückkehrt. Sie sollte nach 10 Tagen vergiftet werden, um ihr das Verglühen beim Eintritt in die Atmosphäre zu ersparen.

Der Weltraum berühre heute viele Aspekte unseres täglichen Lebens, behauptet die Kosmonautik. Inwiefern?
Heutzutage nutzen wir tagtäglich Technologien, die wir der Weltraumfahrt verdanken. Wir schauen Satelliten-TV, fahren mit dem Navi in den Urlaub, telefonieren mit Hilfe von Satelliten. Auch ich habe so mit einem bekannten Physiker sprechen können, worauf er zu meiner Überraschung sagte, er müsse sich nun kurz fassen, da er momentan in der Antarktis sei. All das wäre ohne Raumfahrt nicht oder noch nicht möglich. Dazu kommen noch: kratzfeste Brillengläser, In-­Ohr-Fieberthermometer, batteriebetriebene Bohrer, Rauchmelder u. v. m. Und eine Sache dürfen wir auch nicht vergessen: Im Weltraum gibt es keine Grenzen. In der Weltraumfahrt arbeiten viele Staaten problemlos zusammen. Gerade erst wurde der Kooperationsvertrag USA-Russland bis 2030 verlängert.

Ab wann beginnt der Weltraum?
Zwischen 80 und 100 Kilometer Höhe. Das hängt ein wenig von der Sichtweise ab. Die FAI (Fé­dé­ra­tion Aéronautique Internationale) hat die Grenze bei 100 Kilometer gesetzt. Die US-Air Force zieht sie bei 80 Kilometern. Daher erhalten Piloten der USAF die „As­tronautenschwingen“, wenn sie mit Experimentalflugzeugen diese Grenze überschreiten. Aber wenn man es genau nimmt, ist die Erde ja Teil des Weltraums, so auch wir. Ich zitiere hier immer gern den großen Astrophysiker Carl Sagan, der meinte: „Wir sind alle Sternenstaub.“

Gagarins Reise in den Kosmos war alles andere als ungefährlich. War ihm bewusst, worauf er sich da einließ?

Gagarin wurde zum Idol der Russen

Die Überlebenschancen lagen bei 40 % und das wusste er auch. Er hat dementsprechend Briefe an seine Frau und Familie geschrieben. Aus ihnen geht eindeutig her­vor, dass es ihm bewusst war, welches Risiko er einging. Man muss sich vor Augen halten, die Kosmonauten der 1. Gruppe waren oft in Baikonur und haben die Fehlstarts und Explosionen der ver­schiedenen Startversuche teilweise miterlebt. Trotzdem war er von seinem Flug begeistert und wäre nicht erfreut gewesen, wenn er nur als Ersatzmann eingeplant worden wäre. Gagarins Ersatzmann Titow hat seine Enttäuschung, nicht der Erste zu sein, mehrmals erwähnt.

Was ist von Gagarin geblieben?
Gagarins Vermächtnis lebt. Er war ein Botschafter nicht nur seines Landes, sondern auch der Möglichkeiten, die sich der Menschheit eröffnen, wenn sie sich auf ein Ziel konzentriert. Denn wir müssen immer bedenken, dass, wenn es um Weltraumfahrt geht, die Nationen ihre persönlichen Animositäten meist ablegen und gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten. Durch die Figur Gagarins und die großen Erfolge der russisch-sowjetischen Weltraumprojekte hat die Raumfahrt immer noch einen sehr großen Stellenwert in Russland. Am Jahrestag des ersten Weltraumflugs Juri Gagarins feiert ganz Russland den „Tag der Raumfahrt“. Das heurige 60-jährige Jubiläum hat einen dementsprechenden Stellenwert. Auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte 2011 den 12. April zum „Internationalen Tag der bemannten Raumfahrt“.

Gagarin war der erste Mann im Weltraum, Valentina Tereschkowa die erste Frau. Warum schickten die Russen gerade eine Frau in den Orbit?

Emfpang beim brasilianischen Staatspräsidenten

Chruschtow hatte immer einen guten Riecher für politisch wirksame Aktionen. Er wollte den kapitalistischen Staaten beweisen, wie fortschrittlich die Sowjet­union gegenüber dem Westen war. Und in der Tat, die USA zog erst mit dem Shuttle Programm 21 Jahre später gleich, als Sally Ryde 1983 mit der Mission STS 7 ins All flog.

Der italienische Kosmonaut Paolo Nespoli sagte: „Der erste Mensch, der den Mars betreten wird, wurde schon geboren.“ Hat er Recht?
Ja, ich wage sogar zu wetten, dass zu meinen Lebzeiten der erste Mensch den Mars betreten wird. Auch Wernher von Braun hat sich dazu schon sehr genaue Gedanken gemacht. Sein erstes Zeitfenster war sogar 1981. Leider zogen sich die USA nach Apollo 17 aus dieser Art Raumflügen zurück und beschlossen in der bemannten Raumfahrt im LEO („low earth orbit“) zu bleiben. Daraus wurden dann das Space Shuttle und Spacelab, die Zusammenarbeit auf der MIR und die ISS. Das Ergebnis ist, dass wir momentan nicht mehr die technischen Voraussetzungen besitzen, um einen bemannten Mondflug durchzuführen. Alles muss neu erarbeitet werden. Aber wenn der entsprechende Einsatz dahintersteht, wird es bald wieder weitergehen. Der Mond ist nur eine Zwischenstation zum Mars. Von privaten Organisationen kommen immer mehr Initiativen. SpaceX z. B. hat Mond und Mars ja schon sehr werbewirksam als Landeziel in Betracht gezogen.

Herr Pichler, Sie leiten seit kurzem das russische Kulturzentrum „Borodina“ in Meran. Kann das heurige Gagarin-Jubiläum eine Chance zur Neubelebung für die Beziehungen zwischen Meran und Russland sein?

Internationale Zusammenarbeit auf der ISS, denn der Weltraum kennt keine Grenzen

Lukas Pichler: Es kann nicht nur, es ist bereits eine Belebung spürbar! In den nächsten Wochen wer­den Oberschüler des Real­gym­­nasiums und der technischen Fachoberschule in Meran durch das Kosmonautenmuseum in Moskau geführt. In Covid-Zeiten findet dies in einer englischsprachigen Direktübertragung zu den Vortragenden statt. In einem weiteren Projekt arbeiten Jugendliche des Zentrums „Stike-up“ in Meran unter Anleitung einer Designerin aus Wladiwostok das Thema künst­lerisch auf. Amateurastronomen und Interessierte konnten bereits Onli­ne-Begegnungen zwischen russischen und italienischen Astro­nauten mitverfolgen. Diese Begegnung war durch unsere Schwes­terorganisation in Rom möglich geworden. Kurzum, trotz Covid versuchen wir in der Borodina persönliche Kontakte zwischen Russen und Einheimischen zu ermöglichen und so ge­gen­sei­ti­ges Vertrauen aufzubauen.

Nur wenigen ist das russische Zentrum „Borodina“ bekannt. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die vollständige Bezeichnung lautet „Zentrum zur Förderung der Beziehungen zwischen dem Land Südtirol und Russland Nadezhda Ivanovna Borodina – Meran“. Es handelt sich um eine Plattform für die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit, welche zu gleichen Teilen von Institutionen aus Russland und Südtirol getragen wird. Für Südtirol sitzen die Autonome Provinz Bozen, die Gemeinde Meran und die Handelskammer in den Gremien. Von russischer Seite nehmen das Moskauer Haus der russischen Diaspora, das Moskauer Zentrum für internationale Zusammenarbeit, das russische Forum „Dialog“ und das Konsulat der russischen Föderation in Mailand teil. Präsident der Organisation ist der Vizebürgermeister von Moskau, Sergeij Cheremin. Wie im Falle des ersten Weltraumfluges nehmen wir Jubiläen zum Anlass, Südtirolern und Russen den persönlichen Austausch miteinander zu ermöglichen. Die „Borodina“ ist auch An­laufstelle für Russen, die in Süd­tirol ihre Heimat gefunden haben. Über Facebook können sich Interessierte über die anstehenden Veranstaltungen informieren. Sehr gerne stehen wir nach Vereinbarung auch für Führung von Gruppen durch den Park, die orthodoxe Kirche und das Zentrum zur Verfügung.