von Philipp Genetti
Sinich ist der südlichste Ortsteil von Meran und liegt ungefähr 4 km vom Stadtkern entfernt. Seine
Entstehung geht auf die italienische Siedlungspolitik der 1920er Jahre zurück und hängt eng mit dem Bau der Industrieanlage des Düngemittelherstellers Montecatini zusammen, für deren zugewanderte Arbeiterfamilien ein neues Dorf aus dem Boden gestampft wurde. Der Vittorio-Veneto-Platz erinnert heute noch an den anfänglichen Namen des Dorfes „Borgo Vittoria“. Auch das Areal um das „Dopolavoro“-Gebäude stammt aus jener Zeit und wurde von Montecatini als Freizeit- und Unterhaltungszentrum für die italienischen Arbeiter und deren Familien errichtet.
Heute befinden sich hier außerdem eine Boccia-Arena, einige Tennisballfelder, ein Fußballplatz und ein kleiner Fischerteich, der allerdings seit rund zwei Jahren geschlossen ist und seither auf einen neuen Betreiber wartet. Anstelle der alten Düngerfabrik steht in Sinich heute die Produktionsstätte der zur GlobalWafers Company gehörenden Firma „MEMC Electronic Materials“, in der unter anderem an erneuerbaren Energien und Zukunftstechnologien geforscht wird. Unmittelbar dahinter haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gleich mehrere Gewerbezonen entwickelt, die allesamt aus einem bunten Branchenmix aus Industrie, Handel, Handwerk, Logistik, Technologie und Dienstleistung bestehen.
Der Ortskern von Sinich
Seinen dörflichen Charakter hat Sinich bis heute behalten, geprägt durch verschiedene Wohnanlagen, Parks und Obstwiesen. Über einen Teilabschnitt des übergemeindlichen Fahrradweges ist der Standort auch mit dem Rad gut erreichbar. Bergseitig, d. h. hin zu Freiberg, befinden sich außerdem einige Wanderwege, auf der Höhe der Kläranlage befindet sich der nördliche Einstieg zum Graf-Volkmar-Weg. Den Ortskern bildet das Gebiet um den Vittorio-Veneto-Platz. Hier gibt es neben der Niederlassung einer lokalen Bank auch eine Apotheke, eine Zahnarztpraxis, eine Bäckerei und ein hübsches kleines Café. Auch das Kindergarten- und Schulzentrum ist hier. Was dem Ortskern aber ein zusätzliches dörfliches Flair verleiht, ist die Pfarrkirche mit ihrem historischen und modernen Teil der Kirche, die dem Heiligen Justus geweiht ist. Das anliegende Mehrzweckgebäude wird unter anderem von einer Kindertagesstätte und einem mitgliederstarken Seniorentreff benutzt. Besonders beliebt sind die Märkte auf dem Vittorio-Veneto-Platz.
Unabhängiger durch eine neue Zughaltestelle
Bei der Erweiterung der Zugstrecke Meran-Bozen um ein zweites Gleis soll Sinich in absehbarer Zeit nun endlich auch die langersehnte Zughaltestelle bekommen. Damit würde der Standort nicht nur allgemein aufgewertet, Sinich würde dadurch auch mehr Unabhängigkeit erlangen und für Berufspendler wäre es eine große Erleichterung, vor allem für all jene, die in den Gewerbezonen von Sinich oder in der Industriezone Lana arbeiten.
Akutes Grundwasserproblem
Was der Bevölkerung von Sinich schon seit langem Kopfzerbrechen bereitet, ist das massive Grundwasserproblem. „In vielen Gebäuden stehen die Kellerräume und Aufzugsschächte bereits unter Wasser“, erzählen die Vorsitzenden des Stadtviertelkomitees von Sinich, Präsidentin Melanie Franzelin und ihre Vorgängerin Paola Zampieri. „Nachdem vor einigen Jahren eine wichtige Wasserpumpe entfernt wurde und die oberirdischen Kanäle schon lange nicht mehr in Betrieb sind, hat sich das Problem mit dem Grundwasser weiter zugespitzt, vor allem seit der Schließung der „Solland-Silicon“. Vor ihrer Schließung wurde Wasser aus dem Boden gepumpt, das für die Kühlung der Produktionskette verwendet wurde. Es sei nun Aufgabe der Gemeinde zu untersuchen ob die Verschlechterung der Lage in der Enrico Fermi Straße damit zusammenhängt, heißt es von Seiten des Komitees. Sinich sei in den vergangenen Jahrzehnten zu oft nur als Serie B der Stadtgemeinde Meran behandelt worden. Um das akute Grundwasserproblem zu lösen, müssten die Anliegen der Sinicher im Rathaus mehr Gehör finden.
Der Stadtgemeinde liegen bereits drei Studien zur Sanierung der Grundwasserproblematik in Sinich vor, die sich mit diesem Thema eingehend befasst haben. Fakt ist, dass es sofort Lösungen brauche, betonen die Vorsitzenden des Stadtviertelkomitees. Die Lage in Sinich sei prekär und längst überfällig. „Es ist fünf vor zwölf“, sagt Vizepräsidentin Paola Zampieri.
Sinichs Rapperszene
Drogen, eine (Plastik-)Pistole und ein Geldbündel. Mit diesen „Zutaten“ in seinem Musikvideo, „Kash – La Fame“ hat der Jungrapper Ahmed Toumi aus Meran und Mitglied des Meraner HipHop-Kollektivs „Fv1000“ für Proteste gesorgt, Schlagzeilen provoziert und sich damit auch eine Anzeige eingehandelt. Für viele Sinicher ist das in ihrem Stadtteil gedrehte Video die reinste Provokation. „Das Video zeigt ein völlig verstörtes Bild von Sinich.“ Das ist auch die Meinung des Stadtviertelkomitees. Die Rapper argumentieren und berufen sich auf das Prinzip der künstlerischen Freiheit. In einem Artikel auf „salto“ stellen sich die Kulturarbeiter Philipp Kieser, Besay Mayer (Jugendzentrum „Jungle“ Meran) und Thomas Kobler (ost west club/est ovest) klar hinter die jungen Musiker: „Wer sich die Mühe macht und die Songtexte der jungen Männer genauer anhört, wird schnell erkennen, dass diese Jugendlichen über jene Missstände singen, denen sie täglich ausgesetzt sind.Missstände, die von uns als Gesellschaft ernst genommen werden sollten.“ Dass diese in einem „Gangsterrap“ überspitzt dargestellt werden, liegen nun mal in der Natur der Sache, meinen die Jugendarbeiter. Die Missstände allerdings zu lösen sei Aufgabe der öffentlichen Hand.