Obermais wird auch als das Villenviertel von Meran bezeichnet. Das kommt nicht von ungefähr, denn in Obermais befinden sich viele Schlösser, Ansitze und Herrschaftsvillen. Ein geschichtlicher Rundgang.
von Philipp Genetti
Durch seine sonnige und klimatisch vorteilhafte Lage war der Standort geradezu geeignet eines Tages zum Balkon von Meran zu werden. Das war auch der Grund, weshalb sich schon früh Adel und Bürgertum in Obermais niedergelassen haben. Ganz im Gegenteil zu Untermais, wo hingegen vorwiegend das Bauerntum beheimatet war. Auch touristisch hatte sich der Standort in der Geschichte schneller entwickelt als seine Nachbargemeinde. Das ist allen voran den Kurpionieren Dr. Franz Tappeiner und Dr. Bernhard Mazegger senior zu verdanken. Nachdem sich Obermais in der sogenannten Gründerzeit stark urbanisiert hatte, errichtete der Kurarzt Mazegger um 1840 als Pendant zum Kurmittelhaus im Stadtzentrum im Lazagviertel seine berühmte Wasseranstalt (heute: Komplex Freihof, beim Roseggerpark). Der Ankauf des Ansitzes Reichenbach am Brunnenplatz durch Mazeggers Zeitgenossen Franz Tappeiner, der vorwiegend durch seine Kuren und die Errichtung des Tappeinerweges als der „Übervater“ des Meraner Kurwesens in die Geschichte einging, wertete den Standort Obermais einmal mehr auf. Als Anfang des 20. Jh. in Untermais dann schließlich die ersten Hotels entstanden, hatte sich Obermais bereits seit über einem halben Jahrhundert zum beliebten Urlaubsziel entwickelt. Die ersten Pensionen, die in Obermais errichtet worden waren, waren die Villa Kugelweg, die Pension Aders/Adria, der Obermaiser Hof und die bereits erwähnte Mazegger Kuranstalt. Ende des 19. Jh. kamen weitere Hotelanlagen hinzu, das Hotel Gilmhof, das Hotel Minerva und in der Zwischenkriegszeit das eindrucksvolle Parc Hotel von Otto Panzer (ehemalige Böhler Klinik). Besonders attraktiv stellte sich in dieser Zeit das Gebiet um den Winkelweg heraus, in dessen unmittelbarer Nähe gleich mehrere Gaststätten eröffneten. Aber auch die Schlösser und Ansitze, wie Greifen-Planta, Rottenstein, Rosenstein, Rundegg, Rubein, Rametz oder Schloss Trauttmansdorff, das Kaiserin Sissi sogar als Sommerresidenz diente, boten Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste aus dem Ausland. „Es war in und schick in diesen Anwesen zu wohnen“, erklärt der Habsburgerexperte und Heimatkundler Georg Hörwarter.
Religionsflüchtlinge aus Graubünden
Die ersten Anfänge des Fremdenverkehrs reichen weit in die Geschichte zurück und hatten ihren Ursprung bereits in der Reformationszeit (17. Jh.). Nachdem die katholischen Fürsten, wie Paravicini, Greifen-Planta oder auch Flugi von Aspermont, aus Graubünden geflohen waren, fanden einige Asyl in Obermais. Die Anwesen Knillenberg, in der Fluggigasse sowie das Schloss Greifen-Planta im Haslerweg erinnern an ihre Geschichte. Zusammen mit den Schlössern Labers, Rametz, Rubein, Reichenbach, Rosenstein, Rottenstein, Rundegg, Pinzenau, Winkel und Trauttmansdorff“ bezeugen die Schlösser Greifen-Planta und Knillenberg heute noch den historischen Wert des Standortes Obermais. Bis auf das Schloss Trauttmansdorff, in dem sich das Landesmuseum für Tourismus „Touriseum“, sowie die einzigartigen Botanischen Gärten befinden, sind die herrschaftlichen Anwesen von Obermais in Privatbesitz.
Schloss Winkel, Perle der Renaissance
Ein besonderes Baudenkmal der Geschichte von Obermais ist das Schloss Winkel, das sich etwas versteckt, in der Nähe des gleichnamigen Winkelweges befindet. Das Schloss geht auf einen im 14. Jh. erstmals erwähnten Gutshof zurück, der im 17. Jh. zum heutigen Renaissancebauwerk erweitert wurde. In seiner Geschichte erlebte das Anwesen gleich mehrere Besitzerwechsel und war kurze Zeit auch in den Händen der Erzherzogin von Österreich und Landesherrin von Tirol Claudia de Medici (1604 – 1648). Letzter erwähnenswerter Bewohner des Anwesens war der bekannte österreichische Werbegrafiker, Maler und Kunstprofessor Franz J. Lenhart (1898 – 1992).
Historisches Weingut Schloss Rametz
Mit dem Weingut Schloss Rametz befindet sich in Obermais ein Pionierswerk des historischen Weinbaus. Seit fast 800 Jahren wird hier Wein angebaut und hergestellt. Mit dem berühmten Weinpapst Felix Boscarolli als Schlossherr um die Jahrhundertwende (Ende 1800, Anfang 1900) erlangte das Weingut zusätzlich an Aufmerksamkeit. Auf den einzigartigen Lagen um St. Valentin experimentierte er mit verschiedenen Rebsorten und kultivierte schließlich auf Rametz den ersten Blauburgunder im Land. Außerdem spielte das Weingut mit der erstmaligen Abfüllung von Weinen in Glasflaschen eine Vorreiterrolle in der Entwicklung neuer Abfüllmethoden. Im sogenannten Weinmuseum auf Schloss Rametz können Wissbegierige die Geschichte des Weingutes heute hautnah erleben.
Der Seilbahnstandort
Mit den Personengondeln Meran-Hafling (St. Kathrein) und Naif-Gsteier befanden sich bis Ende des 20. Jh. auch zwei Seilbahnen auf Obermaiser Gebiet. Die Haflinger Bahn gehörte mit den Seilbahnen Kohlern und Vigiljoch zu den ältesten Personenseilbahnen des Landes und war ein Pionierwerk des Lananer Ingenieurs Luis Zuegg und wurde in den Jahren 1926/1928 errichtet. Die Talstation befand sich auf dem Standort des ehemaligen Restaurants Shaliba in der Dantestraße. Von hier aus bestanden 3 Seilstützen. Parallel zur Personenseilbahn verlief die Materialseilbahn der Familie Reiterer. Bei der Bergstation St. Kathrein fuhr dann ein blauer 7-Meter-langer Kleinbus weiter nach Hafling. Nachdem es bis Ende der 1970er Jahre noch keine Straße von Meran nach Hafling gegeben hatte, war dieser in einem großen Kraftakt mit einem Traktor hinauf transportiert worden. Nach der Eröffnung der Verbindungsstraße und der Verlängerung des Naifweges bis nach Hafling wurde die Haflinger-Seilbahn Ende der 1970er Jahre von dem Haupteigentümer Grafen Khuen eingestellt und abgetragen. Einige Meraner sehen in der Auflösung der Haflinger Bahn nach wie vor eine verspielte Chance. Wäre die öffentliche Hand zur damaligen Zeit in die Aufstiegsanlage eingestiegen, vermutet man in Obermais, würde die Bahn bis heute weiterfahren und eine klimafreundliche Verkehrsverbindung nach Hafling bieten. Die Seilbahn Naif-Gsteier in der Naif hingegen geht auf die 1950er Jahre zurück und gilt als eine Vorreiterin der Ifinger Seilbahn. Vom heutigen Gewerbestandort der Firma Egger ausgehend ging die 8-Personengondel bis zur heutigen Mittelstation der Seilbahn „Meran 2000“ und bot eine bequeme Aufstiegsmöglichkeit zum Schenner Berggasthof Gsteier. Nachdem in den 1960er Jahren die neue Ifinger Seilbahn zum Piffinger Kopf unter der Leitung von Hans Troyer errichtet worden war und damit das Ski- und Wandergebiet Meran 2000 erschlossen hatte, verlor die Gsteirer Bahn allmählich an Bedeutung. Hinzu kam, dass in den 1980er Jahren die Eigentümergenossenschaft Naifbach vom Land aufgelöst wurde. Daraufhin ging der Gasthof Gsteier mitsamt der Seilbahn an die Schenner Hoteliersfamilie Mair. Im Zuge der Erneuerungsarbeiten an der Ifinger Seilbahn, heute Meran-2000, wurde der Betrieb Personengondel zum Gsteier aus Sicherheitsgründen endgültig eingestellt.
Die Einsiedelei und die Naifkapelle
Unweit der Talstation der Seilbahn „Meran 2000“ befindet sich seit dem 17. Jh. eine kleine Einsiedelei mit der sogenannten Naifkapelle. Die Fresken im inneren der Wallfahrtskapelle stammen von Theodor Spöttl und wurden von Frau Luise Fiala um 1900 gestiftet. Um die Naifkapelle samt Einsiedelei vor dem Verfall zu bewahren, wurde sie vor einigen Jahren vom Obermaiser Heimatpflegeverein saniert. Von Schloss Labers führt auch ein Kreuzweg mit 14 Stationen zur Naifkapelle.
Prinz Rudolf in der Naif
Etwas unterhalb der Naifer Einsiedelei erinnert der Prinz-Rudolf-Weg an eine weitere Kuriosität in Obermais. Die dortige Andachtstafel befand sich ursprünglich in der Felswand und kennzeichnete die Stelle, an der sich der österreichische Kronprinz Rudolf verstiegen hatte und gerettet werden musste. Das Hotel Prinz Rudolf und die Camping-Anlage Hermitage (Deutsch: Einsiedler) tragen die beiden Kuriositäten der Geschichte von Naif heute in ihrem Namen.