Wie sich die Zuständigkeiten Südtirols und des Trentino von jenen Tirols unterscheiden und wo weitere Kooperationen in der Euregio möglich sind, zeigt eine wissenschaftliche Studie auf.
Der Katastrophenschutz, die Kultur, das Bildungswesen, aber auch der Natur- und Landschaftsschutz, die Raumordnung und das Baurecht, Jagd und Fischerei, Tourismus und Sport, Arbeit und Fürsorge sind einige der Fachbereiche, in denen die Länder Tirol, Südtirol und das Trentino über parallele Zuständigkeiten verfügen, die eine noch intensivere Zusammenarbeit in der Euregio möglich machen.
Zu diesen Schlussfolgerungen kommt eine wissenschaftliche Studie, die im Rahmen des Interreg-Projekts „Fit for Cooperation – Fit4Co“ unter der wissenschaftlichen Leitung der Innsbrucker Universitätsprofessoren Peter Bußjäger, Esther Happacher und Walter Obwexer erarbeitet wurde und heute (23. März) in Anwesenheit von Landeshauptmann Arno Kompatscher im Landhaus 1 in Bozen vorgestellt worden ist.
Landeshauptmann Arno Kompatscher bezeichnete die Studie zu den Zuständigkeiten der Länder der Europaregion als „wichtiges Projekt mit europäischem Ansatz“. Mit Bezug auf die Euregio-Reform des Vorjahres sagte Kompatscher, „der Euregio-Kompetenzmonitor erscheint zu einem Zeitpunkt, zu dem wir der Euregio eine Frischzellenkur verpasst und im Sinne der Subsidiarität die demokratische Teilhabe ausgedehnt haben“. Für Südtirol und das Trentino komme sie aber auch in einem Moment, in dem die Autonomie unter den zentralistischen Tendenzen leide. „Es gilt, die Autonomie zu festigen“, betonte Kompatscher, „auch um die euregionalen Handlungsspielräume auszuschöpfen.“
Der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, Walter Obwexer, berichtete über das Zustandekommen der Studie. Demnach hat die Denkwerkstatt, das Euregio-Lab 2020 in Alpbach im Hinblick auf das zehnjährige Gründungsjubiläum der Euregio von 2021 unter anderem eine Erweiterung der Aufgaben und Projekte der Euregio vorgeschlagen und zu diesem Zweck eine wissenschaftliche Studie angeregt, um die Schnittstellen in der Kompetenzausstattung auszumachen. Dieser „Euregio Kompentenzmonitor“ liege nun vor und zeige auf, dass sich in der europäischen Institution des Europäischen Verbunds territorialer Zusammenarbeit EVTZ Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino auch aufgrund der neuen rechtlichen Grundlage relativ viele Bereiche und Formen der Zusammenarbeit böten. Der Kompetenzmonitor werde immer wieder aktualisiert und angepasst. „Für die Politik sind Kooperationsmöglichkeiten daraus einfach abzulesen“, sagte Obwexer.
Seines Wissens gäbe es in Europa keinen Raum, in dem intensiver zusammengearbeitet werde als in der Euregio, erklärte der Innsbrucker Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für Föderalismus, Peter Bußjäger, der heute die Studieninhalte im Detail vorstellte. Er verwies auf die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen in der Euregio, Tirol als Teil eines Bundesstaates, Südtirol und das Trentino als Teile eines Einheitsstaates. Dies finde beispielsweise auch in der Rechtsprechung seinen Niederschlag: Eine bundesstaatliche Verfassung berücksichtige die Länderrechte. Bußgänger ergänzte: „Das sagt aber nichts über die Zuständigkeiten aus, wie ein Vergleich der Landesbudgets zeigt.“
Der 170 Seiten starke Euregio Kompetenzmonitor ist nach Sachbereichen gegliedert und macht in den Schlussfolgerungen zahlreiche Schnittstellen aus. Wichtige parallele Zuständigkeiten gibt es demnach neben den eingangs erwähnten in den Bereichen Landesorganisation und partizipativer Demokratie, Wohnbauförderung, Industrie und Energie und Straßenrecht.
Die heute vorgestellte Studie umfasst auch einen zweiten Teil, in dem die Kompetenzen einer zweiten Euregio, nämlich der „Euregio ohne Grenzen“ unter die Lupe genommen und verglichen werden, zu der sich 2021 das Bundesland Kärnten, die autonome Region Friaul-julisch Venetien und die Region Venetien zusammengeschlossen haben. Wie der Trientner Universitätsprofessor Jens Woelk heute darlegte, habe diese Euregio mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen: Der staatliche Zentralismus und das italienische Verfassungsgericht erschwerten autonomes Handeln. Die Euregio ohne Grenzen könne von den Erfahrungen der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino lernen.
„Wir sehen diese wissenschaftliche Studie über die Gesetzgebungskompetenzen unserer Länder als wichtigen Denkanstoß, um die Zusammenarbeit zum Vorteil unserer Bürgerinnen und Bürger weiter auszubauen“, sagte zum Abschluss der heutigen Präsentation Euregio-Generalsekretärin Marilena Defrancesco. (jw)