Es heißt, dass kein Komponist vor oder nach ihm die abendländische Musik tiefgreifender verändert hätte als er. Es wundert deshalb wenig, dass Orchester nach ihm benannt wurden – auch bei uns – und er in Meran seine eigene Straße bekommen hat: Joseph Haydn.
Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, ist umstritten. Allein die Vorstellung aber, eine musikalische Komposition ist als Protest oder sogar als Warnstreik aufgebaut, fasziniert ungemein. Haydns berühmte „Abschiedssinfonie“ in der damals selten verwendeten Tonart fis-Moll umgeben eine Reihe von Mythen. Fürst Esterházy als Finanzier des Orchesters hatte angeordnet, dass er während der Sommersaison weder Frauen noch Kinder seiner Musiker sehen wolle. Als die Spielzeit um zusätzliche Wochen verlängert werden sollte, verärgerte dies die jungen Familienväter noch mehr. Sie baten Haydn als Orchesterleiter um Rat. Dieser komponierte daraufhin die genannte Sinfonie Nr. 45, bei der im letzten Satz ein Instrument nach dem anderen verstummt. Jeder Musiker war angewiesen, sobald sein Einsatz beendet war, sein Licht zu löschen, die Noten zusammenzupacken und mit seinem Instrument unter dem Arm den Saal zu verlassen. Fürst Esterházy hatte den Wink verstanden und entließ die Musiker nach Hause. Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, ist fraglich, da schon zu Lebzeiten Haydns verschiedene Versionen der Anekdote kursierten.
Unendliche Ideen
Franz Joseph Haydn wurde 1732 im niederösterreichischen Rohrau geboren. Obwohl seine Eltern keine Noten lesen konnten, wurde im Hause Haydn häufig gesungen. Neben Joseph werden zwei weitere Kinder ihr Leben der Musik widmen, Michael ebenfalls als Komponist, Johann Evangelist als Tenor. Da man Josephs Talent frühzeitig erkannt hatte, kam er im Alter von fünf Jahren zu Verwandten, um als Chorsänger ausgebildet zu werden. Als der musikalische Direktor des Stephansdoms den jungen Joseph singen hörte, holte er ihn nach Wien, lehrte ihn Klavier und Geige und unterwies ihn in der Kompositionslehre. 1757, da war Joseph 25 Jahre alt, komponierte er seine erste Sinfonie – über hundert weitere werden folgen. Drei Jahre später verehelichte er sich mit Maria Anna Theresia Keller, der Tochter eines Perückenmachers. Doch die Ehe blieb, sehr zu Haydns Bedauern, glück- wie auch kinderlos. Nach der vorübergehenden Leitung eines kleinen Orchesters erhält er eine Anstellung bei Fürst Nikolaus von Esterházy, einem der mächtigsten Adligen der Habsburger Monarchie. Hier verbrachte er zunächst als Stellvertreter, dann als Hofkapellmeister einen Großteil seines musikalischen Lebens. Die künstlerischen Aufgaben am Fürstenhof waren umfangreich und vielfältig und erfüllten ihn mit Freude. Da seine Musik immer bekannter wurde, erhielt er auch von außerhalb Kompositionsaufträge, denen er mit ebenso großer Begeisterung nachging. Wenn man heute in Meran von der Haydn- in die Mozartstraße kommt, dann ist das kein Zufall. Die beiden verband nicht nur die Zugehörigkeit zum Freimaurertum, sondern auch eine innige Freundschaft. Haydn starb 1809 an Altersschwäche und hinterließ ein gigantisches Werk und eine fruchtbare Menge musikalischer Ideen und Formen. Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Die Schöpfung“, „Die Jahreszeiten“, die „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ und die „Kaiserhymne“.
Genie und Humor
Haydn, klein von Statur und durch eine überstandene Pockenerkrankung im Gesicht entstellt, war bekannt für seine liebenswürdige und optimistische Persönlichkeit. Bei den ihm unterstehenden Musikern war er beliebt, auch wegen seines starken Sinns für humorvolle Scherze, was sogar in seiner Musik hörbar wird. Trotz der Pockennarben wurde er von Frauen umschwärmt, wie er selbst überrascht in England feststellte. Bei allem Erfolg blieb er immer bescheiden. Als er in London am Dirigentenpult erschien, drängte sich das Publikum an die Orchesterbrüstung, um den Meister aus der Nähe zu sehen. In diesem Augenblick stürzte der große Kronleuchter herab, doch die Mitte des Saales war leer und niemand kam zu Schaden. Haydn meinte daraufhin: „Meine Musik muss doch etwas wert sein. Jetzt hat sie mindestens dreißig Menschen das Leben gerettet.“
Christian Zelger