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Das große Rätsel

Wir allen haben uns schon einmal gefragt, wie das Universum, die Erde und vor allem der Mensch entstanden sind. Auf der Suche nach Antworten geraten wir sehr schnell an unsere Grenzen. Die Astrophysik versucht wissenschaftlich darauf zu antworten. Der gebürtige Meraner Eugenio Bottacini ist einer von ihnen.

von Josef Prantl

So viele Sänger und Dichter haben den Nachthimmel mit seinen tausenden Sternen besungen. Mit den großen Teleskopen sehen wir heute Milliarden von Galaxien, und darin wieder Milliarden von Sternen. Kurz gesagt: Das Universum ist unvorstellbar groß und voller Sterne, weiß Eugenio Bottacini. Das deutsche Wort für das lateinische „Universum“ drückt die unermessliche Größe sehr gut aus: Weltall. Ein anderes Wort lautet „Kosmos“ und kommt aus dem Griechischen.
Bottacini ist in St. Leonhard in Passeier aufgewachsen, schon sein Vater war Italienischprofessor am Meraner Realgymnasium. Nach dem Besuch der Oberschule (Matura im Jahr 1989) studierte er in Bologna Astronomie und promovierte in München in Physik. Die Astronomie ließ ihn aber nicht mehr los. Bottacini lehrt heute an den Universitäten von Padova und Stanford (USA) und leitet das Projekt „GECCO“, das zum Ziel hat, ein Teleskop zu bauen, das bis an die Grenzen des sichtbaren Universums blicken kann. Am Forschungsprojekt soll auch die NASA beteiligt werden.

Urknalltheorie
Es ist wie bei einem ungelösten Kriminalfall. Wissenschaftler beobachten weltweit ständig das Universum. Dabei haben sie eine interessante Beobachtung gemacht: Alle Galaxien im Universum fliegen voneinander weg – und zwar je schneller, umso weiter sie entfernt sind. Das Weltall dehnt sich also aus und wird immer größer. Das bedeutet umgekehrt: In der Vergangenheit war das Weltall kleiner. Wenn man die Bewegung der Galaxien weit zurückverfolgt, treffen sich alle zu einem Zeitpunkt vor etwa 14 Milliarden Jahren.
Damals war das gesamte Universum mit allem, was wir heute darin sehen, nicht größer als ein Stecknadelkopf – ungeheuer dicht zusammengepresst und sehr heiß. Unsere Kenntnis von der Entstehung des Universums geht auf Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zurück. Georges Lemaitre, ein Priester aus Belgien, hat als erster erkannt, dass aus Einsteins Gleichungen (E = mc2) folgt, dass das Universum sich ausdehnt. „Das Universum, das wir heute sehen, war vor 13,8 Milliarden Jahren in einem Punkt konzentriert“, sagt Eugenio Bottacini. Verfolgt man die Ausdehnung zurück, landet man irgendwann an einem Ursprungspunkt, an dem alle im Universum vorhandene Energie gebündelt gewesen sein muss. Physiker bezeichnen diesen Moment als singulären Zustand. In einer gewaltigen Explosion, die man „Urknall“ nennt, flog alles auseinander: Das Universum war geboren und dehnt sich seitdem in alle Richtungen aus. Unser Sonnensystem, bestehend aus der Sonne und den acht Planeten, entstand vor etwa 4,6 Milliarden Jahren. Unsere Erde ist ein Planet, der gemeinsam mit Mars, Jupiter und Co. um die Sonne läuft. Die Sonne wiederum gehört zu den rund zweihundert Milliarden Sternen der Milchstraße. Diese Weltinsel ist jedoch auch nur eine von Billionen Galaxien, von denen die Forscher nur einen Bruchteil beobachten können.

Das Kosmische Inventar
Bottacini spricht vom „Kosmischen Inventar“: gerade einmal 5 Prozent des Universums sind Materie und damit sichtbar. Zwar scheint der Kosmos voll von strahlenden Sternen und leuchtenden Gaswolken zu sein. Doch der Eindruck trügt: Tatsächlich besteht das Universum zu fast 27 Prozent aus anziehender Dunkler Materie und zu rund siebzig Prozent aus abstoßender Dunkler Energie. Was sich dahinter verbirgt, ist bislang noch vollkommen unklar. Die Dinge im Weltall ziehen sich gegenseitig an, durch die Schwerkraft. Wenn man die sichtbaren Dinge beobachtet, dann stellt man aber fest: Es muss noch viel mehr Materie mit Schwerkraft geben. Wissenschaftler können diese seltsame Materie nicht sehen oder anders feststellen: Sie sprechen von der Dunklen Materie. „Erst seit dem Urknall gibt es Raum und Zeit. Das Nichts vorher können wir uns eigentlich gar nicht vorstellen“, sagt Bottacini. Wissenschaftler und Philosophen rätseln, wie das überhaupt sein kann, dass ein Etwas aus dem Nichts entsteht. Umgekehrt fragt man sich, ob die Ausdehnung immer weiter gehen wird, was aus dem Weltall in der Zukunft wird. Es ist eines der erstaunlichsten Wunder der Natur: Die Eigenschaften unseres Universums scheinen genauso ausbalanciert zu sein, dass es Sterne, Planeten und schließlich Leben hervorbringen kann. Ein Beispiel für eine solche Feinabstimmung ist die Massendichte des Universums: Gäbe es ein bisschen mehr Materie im Universum, dann wäre es durch die Gravitation längst wieder in sich zusammengefallen. Gäbe es hingegen ein bisschen weniger, hätten sich die Atome in den unendlichen Weiten verdünnt, ohne sich jemals zu Sternen oder Planeten zusammenzufügen.

Unsere Adresse: Milchstraße, Sonnensystem, Erde

Entwicklungsstadien des Universums Bild: NASA / WMAP Science Team

Die vier fundamentalen Kräfte im Universum
Sie sind die verborgene Macht im Universum: die vier Grundkräfte der Physik. Ob im Reich der Atome, in unserem Alltag oder im Kosmos, diese fundamentalen Wechselwirkungen spielen überall mit. Doch trotz ihrer immensen Bedeutung geben sie noch immer Rätsel auf. Denn was verbindet sie miteinander? Und gibt es vielleicht sogar eine einende „Weltformel“? Nach gängigem Weltbild sind diese vier die universellen „Macher“: Gravitation, Elektromagnetismus sowie die starke und schwache Kernkraft. Am Uranfang des Kosmos waren sie alle vereint, teilten sich dann aber auf. Seither gehen aus ihnen und der Wirkung ihrer Trägerteilchen alle anderen Kräfte und Phänomene hervor – so die Theorie. Gravitation, elektrische und magnetische Phänomene sind der Menschheit seit der Antike bekannt. Schon früh wurde erkannt, dass es zwei Arten elektrischer Ladungen gibt (positive und negative), wobei gleichnamige Ladungen sich gegenseitig abstoßen, entgegengesetzte Ladungen sich jedoch anziehen. Neben diesen alltäglichen Wechselwirkungen spielen bei kleinen Abständen, wie sie in der Teilchenphysik relevant sind, noch zwei andere Wechselwirkungen eine Rolle, nämlich die sogenannte schwache und die starke Kraft. Die starke Wechselwirkung ist die Kraft, die dafür verantwortlich ist, dass Protonen und Neutronen im Atomkern zusammengehalten werden. Diese Wechselwirkung liegt also der „Kernkraft“ zugrunde.

Ein großes Rätsel
Zeit und Raum entstanden erst mit dem Urknall vor 14 Milliarden Jahren. Der gesunde Menschenverstand vermag das nicht wirklich zu erfassen. Nimmt man den Urknall als gegeben an, dann verbietet sich die Frage nach dem Davor. Denn dann war der Urknall der Anfang von allem. Von Zeit lässt sich – ebenso wie von Raum – erst mit dem Urknall sprechen. Vor dem Urknall gab es weder das eine noch das andere. Vor dem Urknall gab es nichts. Die Formeln der Physik sind mit dem Modell des „Big Bang“ vereinbar; allerdings – und das macht Wissenschaftler durchaus stutzig – nur bis zu einem gewissen Punkt: Die klassische Physik greift bereits Sekundenbruchteile nach dem Urknall, doch will man bis zum Urknall selbst zurückgehen, versagt sie. Die Gleichungen funktionieren nicht mehr. Weder die Allgemeine Relativitätstheorie, die Physik fürs ganz Große, noch die Quantentheorie, die Physik fürs ganz Kleine, können den Urknall beschreiben. Die Religionen bieten den Menschen seit Jahrtausenden einfachere Erklärungen, wie alles entstanden ist. Denn was vor dem Urknall war, darauf kann die Wissenschaft keine Antwort geben. Was, wenn der große Knall am Beginn von allem in Wahrheit ein Akt der Schöpfung war, gewissermaßen ein Schuss aus der Pistole Gottes?
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.“ Was da laut biblischer Genesis am ersten Schöpfungstag geschehen ist, halten manche für eine perfekte Zusammenfassung der Urknalltheorie. Nach ihr hat das Universum mit einem grellen Blitz begonnen. Gott kommt in den Gleichungen der Kosmologen und Physiker aber nicht vor. Der griechische Philosoph Aristoteles war der Ansicht, die Welt existiere schon ewig und könne auch nie untergehen. Aber war am Anfang wirklich nur ein Punkt, eine Singularität? Ein Punkt hat keinerlei Ausdehnung, hat keine Fläche, kein Volumen. Jedes Staubkorn ist daran gemessen gigantisch groß. Fakt ist: Die Naturwissenschaft hat nur ein eingeschränktes Bild vom Kosmos. Nach den Messungen der Weltraumsonde WMAP (sie erforscht die sogenannten kosmischen Hintergrundstrahlung) steht fest: Wir kennen nur 5 Prozent des Weltalls; nur so viel nämlich besteht aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie, also aus Sternen, Planeten, Monden! Und der unbekannte Rest? Der besteht aus 23 Prozent Dunkler Materie und 73 Prozent Dunkler Energie. Das heißt: Das Universum ist für uns Menschen immer noch ein großes Rätsel. Letzten Endes weiß bis heute niemand, warum das Universum zu existieren begann, was vor diesem Beginn war, ob es ein Ende geben und was nach diesem Ende sein wird. Bei diesen Fragen wird auch Wissenschaft zu bloßer Spekulation und endet in Glaubenslehren.

Eugenio Bottacini plant sein Teleskop GECCO

Mit dem James-Webb-Teleskop (JWST) soll der Blick ins Weltall soweit wie noch nie möglich sein

Die Urfrage
Wissenschaftliche Methoden können auch mit ständig zunehmenden technischen Möglichkeiten nicht in Erfahrung bringen, was vor dem sogenannten Urknall (eigentlich müsste man Urblitz sagen) war. Und genau da setzt das religiöse Denken ein, die Frage nach einem Anfang von Allem und einem metaphysischen Urgrund alles Wirklichen.
„Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ Dies ist nach dem großen Mathematiker und Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz die Ur-Frage des Menschen, die der Naturwissenschaftler nicht beantworten kann. Hier stößt der Mensch auf das Geheimnis des Glaubens, das Juden, Christen, Muslime und Gläubige aller Religionen mit dem Namen „Gott“ bezeichnen“.

Mit dem Ende beginnt ein neuer Anfang
Neueste Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass das expandierende Universum nicht in sich zusammenbrechen wird, sondern mit dem Ende ein neuer Anfang beginne, ein neues Universum entstehe, sagt Bottacini. Antworten auf die vielen offen Fragen möchte er mit seinem GECCO-Projekt finden. Das „Galactic Explorer with a Coded Aperture Mask Compton Telescope“ ist ein neuartiges Konzept für ein Teleskop der nächsten Generation, das Röntgen- und Gammastrahlenenergien abdeckt. Damit ließe sich dann laut dem Passeirer Astrophysiker viel weiter ins Universum blicken.