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Nachhaltig reisen

Nachhaltig zu leben, lautet das Gebot der Stunde, und so beschließen wir mit dem Zug von Meran nach Salzburg zu fahren. Sollte das gut gehen, wird in Zukunft nur mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln verreist. Ein Versuch ist es allemal wert.
von Josef Prantl

Neben dem Flugzeug ist es das Auto, das die meisten Treibhausgase ausstößt. Wer mit dem Fernbus oder Zug verreist, hinterlässt einen besseren CO2-Fußbadruck. Das motiviert uns und fühlt sich richtig gut an. Mit einem guten Gewissen lassen wir uns also auf den Wochenendtrip ein. Die erste Schwierigkeit zeigt sich beim Buchen der Tickets. Bis Innsbruck klappt das am Schalter in Meran recht gut, danach geht es aber nur mehr online. Leider sind wir zu spät dran und so gibt es keine „Sparschiene“ mehr. 90,20 Euro zu zweit von Innsbruck nach Salzburg mit dem Railjet Xpress ist nicht wenig. Wir machen die Rechnung: schon zu zweit wäre es günstiger, mit dem Auto von Meran nach Salzburg zu fahren. Aber, so erklärt uns ein freundlicher Trenitalia-Zugführer: „Sie reisen entspannt, sicher, laufen nicht Gefahr, in einen Unfall zu geraten oder sich eine Verkehrsstrafe einzuheimsen.“ Das klingt überzeugend und bestätigt uns noch mehr, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Zug fällt aus
Verreisen mit dem Zug will gelernt sein: das beginnt schon bei der Reservierung der Tickets. Je früher, umso günstiger. Dann heißt es, richtig zu packen, die geeigneten Koffer und Taschen mitzuführen, handlich, nicht zu groß, nicht zu schwer. Aus Erfahrung lernt man! Die erste Überraschung gibt es gleich zu Beginn der Reise am Untermaiser Bahnhof: Der Zug fällt aus! Das ist zuerst einmal ein kleiner Schock, denn wie soll es weitergehen, die Anschlüsse am Brenner, in Innsbruck sind schließlich reserviert. Von Bozen fährt ein Zug auf den Brenner, sodass der Fahrplan eingehalten werden könnte. Also geht es mit dem Auto nach Bozen, ein Wochenende im Parkhaus kann man noch zahlen, für das Reisebudget bedeutet es aber eine unerwartete Preissteigerung. Wir fragen uns, warum unangekündigt ein Zug ausfällt. Technische Gründe werden meist als Erklärung von offizieller Seite angekündigt, oft ist es aber auch der prekäre Personalmangel, den auch Trenitalia zu spüren bekommt, wie es unter vorgehaltener Hand heißt. „Der Job des Zug- oder Lockführers ist heute ein gefährlicher Beruf“, sagt uns ein befreundeter Bahnmitarbeiter. Vor allem abends und nachts. Bedrohungen von betrunkenen Fahrgästen, oft ohne Tickets, ohne FFP-2 Maske sind an der Tagesordnung. Es braucht ganz schön Courage als Zugführer allein unterwegs zu sein. Die Ordnungskräfte kommen zwar, wenn man sie ruft, aber auch hier fehlt das Personal. Wen wundert es, dass diesen Job kaum einer mehr machen möchte. Dazu kommen die verpflichtende Zweisprachigkeit und der Maturaabschluss. Warum dies bei den SAD-Angestellten allerdings nicht verlangt wird, ist nicht nachvollziehbar.

Brenner-Innsbruck
Die Fahrt auf den Brenner verläuft reibungslos. Der Zug ist sauber, Sitzplätze gibt es genug, mit reichlich Beinfreiheit. Die Landschaft gleitet vorbei und hinterlässt das Gefühl von ungezwungenem Reisen. Am Brenner heißt es um­steigen und nichts im Zugabteil zu vergessen. Hier beweist sich wieder einmal, wie wichtig es ist, richtiges Reisegepäck dabei zu haben. Schließlich muss es schnell gehen. Pünktlich startet der ÖBB-Zug nach Innsbruck. In Innsbruck erwartet uns die nächste Überraschung. Der Railjet Xpress hat Verspätung: aus einer halben Stunde werden es mehr und schließlich heißt es, auf den Bus umzusteigen. Grund sei ein Polizeieinsatz, wie eine Frauenstimme aus dem Innsbrucker Bahnhofslautsprecher schwer verständlich tönt. Wir sind enttäuscht: Müssen wir wirklich mit dem Bus auf die Autobahn und wo steht der Bus? Wir fragen noch einmal nach, schließlich haben wir die Sitzplätze im Zug reserviert und 90 Euro sind kein Trinkgeld. „Dann steigen Sie halt auf den Ersatzbus um“, sagt ein ÖBB-Angestellter forsch. „Er wartet schon!“

Mit dem Ersatzbus nach Salzburg
Wir hetzen zum Bus. Der Fernbus ist voll besetzt, die Autobahn auch. So nach Salzburg zu fahren, beschert nicht unbedingt angenehme Reisegefühle. Dazu kommt die Sorge vor einem Stau, denn das würde bedeuten, dass wir die „Jedermann“-Aufführung vor dem Salzburger Dom verpassen. So weit wird es aber nicht kommen. Nach mehr als 2 Stunden erreichen wir erschöpft die Mozartstadt.
Resümee: Von Meran nach Salzburg in fast 8 Stunden, Kosten rund 125 Euro pro Kopf. Das mag Pech sein. Unter nachhaltigem Reisen stellen wir uns aber etwas anderes vor. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes mit Lars Ei­din­ger als Jedermann in der Hauptrolle bei herrlichem Sommerwetter vor dem Salzburger Dom wiegt aber dann alle Strapazen wieder auf.

Zurück nach Meran
Mit dem Taxi geht es am nächsten Tag zum Hauptbahnhof. Die Fahrt im Schnellzug nach Innsbruck ist angenehm. Mit 7 Minuten Verspätung erreicht der ÖBB-Railjet Innsbruck. Das ist zwar nicht viel und wäre akzeptabel, wenn nicht gerade diese Minuten entscheiden, den Anschluss auf den Brenner noch zu erreichen. So heißt es noch einmal, eine Stunde auf dem Innsbrucker Bahnhof zu warten. Aber das sind wir mittlerweile gewohnt!
Fazit: Wer mit dem Zug reist, muss Zeit und Geduld aufbringen. Und gut vorbereitet sein, vor allem, wenn es ins Ausland geht. Günstiger als mit dem Auto zu fahren, ist Zugreisen leider auch nicht.  Aber wenigstens haben wir etwas für die Umwelt getan und unseren CO2-Fußbadruck kleiner ausfallen lassen. So heißt es jedenfalls immer wieder.

 

Wir haben zu lange auf das Auto und die Straße gesetzt

Die italienischen Staatsbahnen (FS) wurden 1905 gegründet und beschäftigen heute 83.000 Mitarbeiter. 1990, also vor mehr als 30 Jahren, waren es noch etwa 200.000 Mitarbeiter. Roger Hopfinger ist seit knapp 20 Jahren Trenitalia-Generaldirektor der Landesdirektion Bozen und heute Regionalmanager Trentino-­Südtirol mit rund 350 Mitarbeitern.
Trenitalia ist seit dem Jahr 2000 eine Tochtergesellschaft der FSI (Ferrovie dello Stato Italiano) und heute ausschließlich für den Personenverkehr zuständig. Sehr erfolgreich sind im inneritalienischen Fernverkehr die „Frecce“. Auf den Hochgeschwindigkeitslinien Turin-Mailand, Rom-Neapel und weiteren Schnellfahrstrecken verkehren die Frecciarossa-Züge mit bis zu 300 km/h.


Für den Regionalverkehr sind die Regionen und die Autonomen Provinzen Bozen und Trient zuständig, die mit den Transportunternehmen Serviceverträge für eine Dauer von sechs bis zwölf Jahren unterzeichnen. Deshalb haben wir in Südtirol Dienste von Trenitalia und Dienste vom Unternehmen „SAD Nahverkehr AG“ mit rund 180 Mitarbeitern. Die aktuellen Dienstverträge mit Trenitalia und mit SAD sind noch bis Ende 2024 gültig.
Seit mehreren Jahren verkehren in Südtirol auch die neuen Flirt-Züge. Diese wurden zunächst von der STA, der Gesellschaft des Landes, die für Infrastrukturen und Mobilität in Südtirol zuständig ist, im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung angekauft und danach der SAD zur Verfügung gestellt. Bald darauf kaufte auch Trenitalia im Rahmen des neuen Dienstvertrages mit dem Land Südtirol und im Abkommen mit der STA weitere Rollmaterialien der Reihe „Flirt“ (die „bunten“ Züge).

SAD, Trenitalia, STA und RFI
Auch Trenitalia hat ihre Dienste aufgestockt. In den gleichen Jahren wurden beträchtliche Investitionen von Seiten des Landes durch STA (Südtiroler Transportstrukturen AG) in Zusammenarbeit mit RFI, dem italienischen Infrastrukturbetreiber, in die Bahn­höfe Südtirols getätigt und das neue Ticketing-System ins Leben gerufen. Heute sind weitere Projekte geplant wie der Brenner-Basis-Tunnel, die Riggertalschleife, der Ankauf weiterer Rollmaterialien, um nur einige zu nennen. 2021 übernahmen die STA anstelle der SAD  den Betrieb der Rittner Bahn, der Rittner Seilbahn und der Mendelbahn. Was die Fernverkehrszüge angeht, konnte nach langer Kooperation zwischen Trenitalia, Deutscher Bahn und den Österreichischen Bundesbahnen die Zusammenarbeit vor rund 20 Jahren aus Kostengründen nicht mehr in der damaligen Form fortgesetzt werden. So zog sich Trenitalia 2009 auf der Brennerachse komplett aus dem Fernverkehr zurück und die grenzüberschreitenden EC-Verbindungen von Mailand, Bologna, Venedig und Verona nach München wurden eingestellt. Kurzfristig entschlossen sich dann die Deutsche Bahn (DB) und die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die Züge im sogenannten Brenner-Kooperationsverkehr auf der gesamten Strecke von DB und ÖBB selbst zu betreiben, allerdings sehr reduziert in der Anzahl. Auf italienischem Gebiet erfolgte dies aus technischen Gründen in Zusammenarbeit mit dem Bahnunternehmen „LeNORD“.
Da LeNORD mittlerweile mit der Regionaldirektion Lombardei von Trenitalia zu „Trenord“ fusioniert ist, ist Trenitalia indirekt wieder an diesem Verkehr beteiligt. Seit 2010 betreibt Trenitalia auch den EuroCity in die Schweiz gemeinsam mit den SBB, nachdem Cisalpino (eine Kooperation von SBB und Trenitalia) gescheitert war. Der internationale Bahnverkehr über den Brenner ist allerdings nicht mehr das, was er einmal war.

Die BAZ sprachen mit Trentino-Südtirols Trenitalia-Chef Roger Hopfinger über das Reisen mit dem Zug und die Schwierigkeiten dabei, aber auch die Zukunftsvisionen.
Nachhaltig reisen: Ist der Zug dafür das geeignete Verkehrsmittel?

Südtirols Trenitalia-Chef Roger Hopfinger

Roger Hopfinger: Natürlich ist der Zug nachhaltig. Es ist bewiesen, dass eine Fahrt mit dem Auto viel mehr CO2-Ausstoß verursacht als eine Reise mit dem Zug. Die Mobilität befindet sich in einem raschen Umwandlungsprozess und wir werden sehen, was uns die Zukunft bringt (neue Roll­materialien, Elektromobilität, Wasserstoff, aber auch Smart Wor­king, Share Economy, etc.). Es ist aber klar, dass die kollektiven Transportmittel nachhaltiger sind und wo – wie bei uns – dank riesiger Investitionen die Qualität gegeben ist, können diese eine echte nachhaltige Alternative zum Individualverkehr sein. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als unsere Züge nicht einmal mit einer Klimaanlage ausgestattet waren. Und wir kämpften damals mit den Reinigungsfirmen, um die veralteten Züge sauber zu halten. Wir haben seitdem hunderte von Millionen mit dem Land für die Erneuerung des Fuhr­parks investiert. Trenitalia betreibt heute schon ausschließlich elektrische Züge. Nachhaltig sein heißt aber noch vieles mehr. Nachhaltigkeit bedeutet, effizient und wirtschaftlich zu arbeiten, respektvoll gegenüber Kunden und Mitarbeitern zu sein, die Instandhaltung und die Produktion mit geringer bzw. womöglich keiner Verschwendung von Ressourcen zu garantieren. Es heißt auch – im Interesse aller – kooperativ zusammenzuarbeiten und das auf allen Ebenen.

Es ist gar nicht so einfach, den Überblick über die vielen unterschiedlichen Fahrkartenpreise zu erhalten. Wie kommt man am schnellsten zur günstigsten Fahr­karte?
In der Tat ist in den letzten Jahren in dieser Hinsicht sehr viel geleistet worden. Natürlich riskiert man die Übersicht zu verlieren, aber die Vielfalt bedeutet auch, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das neue Ticketing-­System des Landes stellt eine große Innovation dar. Die Tarife sind noch erschwinglich geblieben, vor allem im Vergleich mit den benachbarten Regionen, vor allem im Ausland. Im Fernverkehr haben wir neue Möglichkeiten geboten, die besonderen Kategorien zugutekommen, Kindern Kurzurlaub-­Touristen, Familien. Was die günstigsten Tarife betrifft, ist es immer wichtig, sich am Schalter beraten zu lassen, oder beim Online-Kauf auf die Vergünstigungen zu achten und natürlich möglichst früh zu buchen.

Eine Fahrkarte nach Österreich bzw. Deutschland zu buchen, ist auch nicht so einfach. Am Schalter geht das gar nicht mehr. Warum sind die Verbindungen nach Salzburg oder München so schwierig geworden und mit etlichen Umstiegen nur mehr möglich?
Zur Zeit betreibt Trenitalia keine Züge auf dieser Strecke. Ich kann aber sagen, dass wir auch in einem kürzlich stattgefunden Treffen mit den deutschen und österreichischen Kollegen über neue Kooperationen geredet haben. Die Erreichbarkeit von Südtirol ist ein wichtiges Thema. Aus dem Süden sind jetzt gute Anbindungen garantiert, mit Zügen, die bis Kalabrien fahren und Sommerdienste, die ebenfalls gefragt sind. Richtung Norden oder aus dem Norden gibt es neben den EC-Zügen noch zu wenig Angebot. Das Land hat sich eine Verbindung nach Salzburg/Wien gesichert. Was unseren Nahverkehr angeht, haben wir die Fahrpläne mit den Kollegen der ÖBB angepasst. Somit ist eine Weiterfahrt Richtung Innsbruck jetzt seit Jahren möglich, vor allem für unsere Studenten. Die neuen Flirt-Züge ermöglichen heute auch die Weiterfahrt ohne lange Wartezeiten nach Österreich und das ohne Maschinenwechsel zum Beispiel nach Lienz, was bis vor 15 Jahren noch undenkbar war. Es ist aber klar, dass noch viel Arbeit vor uns steht. Letztes Jahr ist der „Connecting-Europe-Express” durch Bozen und ganz Europa gefahren. Es ist ein Zug, der monatelang unterwegs war und die verschiedenen EU-Länder durchquert hat, gerade um das Interesse aller auf das europaweite Eisenbahnnetz zu wecken. Es gibt großartige Projekte auf europäischer Ebene und das Transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T) ist ein Hauptprojekt der Union, um die Erreichbarkeit der Regionen und die Harmonisierung im Grenzverkehr zu fördern. Das Problem ist nur, dass wir Geduld haben müssen bis zur vollen Realisierung dieser Pläne, da man ganz schlicht und einfach viel zu lange auf Individualmobilität, Beton, Teer und Benzin gesetzt hat. Heute sind wir aber zu einer Meinungsänderung der Bevölkerung und der Entscheidungsträger gekommen und das ist vielversprechend und die neue Zeit hat schon begonnen.

Ist der Zug ein verlässliches Verkehrsmittel? Immer wieder kommt es zu Verspätungen und Zug­ausfällen.
Wie jedes Verkehrsmittel leidet auch die Bahn unter verschiedenen Störfaktoren. Die Südtiroler Bahn war lange Zeit die pünktlichste Bahn Italiens. In letzter Zeit gelang uns das aufgrund des immer größeren Verkehrs auf der Brennerachse, aber vor allem der Bauarbeiten auf der Schiene (auch auf den Nebenstrecken der Meraner- und Pustererbahn) nicht mehr. Die Infrastrukturarbeiten waren und sind notwendig, allerdings geht dies auf Kosten der Pünktlichkeit. Dazu kommen die immer gewaltigeren Wetterausbrüche mit Erdrutschen, Überschwemmungen und Baumfällen in unmittelbarer Nähe der Eisenbahnlinien.

Heute als Zug- oder Lokführer zu arbeiten, ist nicht ungefährlich. Vor allem nachts.
Was unsere Nahverkehrsdienste anbelangt, verkehren wir nur geringfügig in der Nacht. In der Nacht verkehren vor allem die Warentransporte. Was die bahntechnische Sicherheit angeht, zählt die italienische Eisenbahn zu den sichersten weltweit. Der technologische Fortschritt hat es ermöglicht, dass Zug und Schiene ständig im Dialog sind, um es vereinfacht auszudrücken, damit auch im Falle eines menschlichen Fehlers das System einschreiten kann und zum Beispiel der Zug automatisch gebremst wird. Die Ausbildung des Personals ist sehr gründlich. Was die Sicherheit der Menschen im Zug betrifft, so ist es in der Vergangenheit manchmal zu unguten Vorkommnissen gekommen. Der Zug ist ein Spiegel der Gesellschaft. Mit Fahrgästen, die sich nicht an die Regeln halten, ist es für die Zugbegleiter nicht einfach. Leider ist es auch zu Handgreiflichkeiten gegenüber Zugbegleitern gekommen, wie man aus der Presse entnehmen konnte. Unsere Aufmerksamkeit ist daher immer hoch und wir kooperieren mit den Ordnungskräften und den anderen involvierten Strukturen, um die Situation unter Kontrolle zu halten.

Trenitalia verlangt von ihren Mitarbeitern Matura und Zweisprachigkeit. Bei der SAD würde das nicht verlangt, heißt es. Macht es das nicht schwierig, Mitarbeiter zu finden?
Ja, das ist sehr schwierig, aber nicht nur für uns. Auch im privaten Sektor findet man die gleiche Situation vor. Und reden wir nicht von der öffentlichen Hand: da gibt es enorme Schwierigkeiten die Rentner zu ersetzen, man findet kaum noch Mitarbeiter. Wir müssen uns an den Proporz und die Zweisprachigkeit halten. Lokführer müssen laut europäischer Norm auch die Matura haben. Wir suchen ständig neue Mitarbeiter. Interessierte finden unter https://www.fsitaliane.it/lavoraconnoi.html unsere Stellenausschreibungen.

Wollten wir vom Auto wirklich wegkommen, müssten die öffentlichen Verkehrsmittel dann nicht viel attraktiver gemacht werden?
Jedes Verkehrsmittel macht Sinn. Man sollte es aber sinnvoll einsetzen. Sollten wir uns aber nicht viel mehr fragen, ob wir uns wirklich so viel bewegen, immer so mobil sein müssen? Kann man das Leben nicht auch etwas sanfter gestalten? Ich glaube schon. So sollte man alles, was zu Fuß erreichbar ist, auch zu Fuß angehen. Die öffentlichen Verkehrsmittel so billig wie möglich zu machen, ist nicht unbedingt sinnvoll, weil man so auch unnötige Mobilität verursacht. Ein Beispiel ist das 9-Euro-Ticket in Deutschland. Das System ist an die Grenze gefahren worden, weil die Voraussetzungen nicht gegeben waren, um einen so rapiden Zuwachs der Fahrgäste zu verkraften. Was die Eisenbahn betrifft, brauchen wir gewiss längere Züge, mit größeren Kapazitäten, wir brauchen aber auch mehr Kontrolle und Ordnung im Allgemeinen in unserer Gesellschaft, mehr Respekt vor dem öffentlichen Eigentum. Wir brauchen eine dichtere Vernetzung der verschiedenen Transportmittel, eine engere Zusammenarbeit. Was wir aber unbedingt brauchen, ist es, von der Mentalität des „Besitzens“ zur Mentalität des „Zugriffs“ überzugehen. Wir teilen uns die Transportmittel in Zukunft mit unseren Mitmenschen, ohne zu erwarten, dass wir den gleichen Komfort haben und die gleiche Flexibilität wie mit dem eigenen Auto. Und wir gehen dann zu Fuß zum Bahnhof.