Katar 2022
23. November 2022
Meer
23. November 2022
Alle anzeigen

Otto und Ottone

Der italienische Faschismus ist für viele immer noch ein leidvolles Kapitel der eigenen Geschichte. Dabei gab es durchaus auch deutschsprachige Südtiroler, die sich in den Dienst des Regimes gestellt hatten. Und dafür eine Straße bekamen.

„Erst vor wenigen Monaten hatten wir Gelegenheit, von dem tapferen Verhalten eines jungen Meraners zu berichten, der als Flieger beim italienischen Heer in der Cyrenaika dient. Der Sergente maggiore Ottone Huber erhielt damals für seinen Eifer und seinen Mut die bronzene Militärmedaille. Nun weiß die letzte Nummer des Bollettino Ufficiale von einer neuen Auszeichnung des kühnen Piloten zu berichten. Ottone Huber erhielt zum zweitenmal die bronzene Medaille“, schreibt die faschistisch ausgerichtete „Alpenzeitung“ in ihrer Ausgabe vom 26. Februar 1928. Er sei ein „kühner und zäher Pilot“, der in fünf Monaten über 150 Flüge absolvierte, dabei die „Lager der Rebellen“ beschoss und wesentlich zum Gelingen der militärischen Operationen beitrug.
Nicht einmal zwei Jahre danach, am 21. November 1929, titelt dieselbe Zeitung: „Militärflieger Otto Huber in Afrika gefallen“. Wieder hätte „die heiße afrikanische Erde das Blut eines unserer Besten getrunken“. Sein Leben hätte er auf dem „Altar des Vaterlandes, für dessen Größe er gekämpft“ geopfert und sei „mit dem Jubelrufe Italien auf den Lippen auf dem Felde der Ehre gefallen“ – Formulierungen und Gedankengänge, mit denen die meisten heute wenig anfangen können.

Wer war dieser Ottone Huber? Geboren wurde er am 26. Juli 1901 als Otto Raimund Huber in Meran. Seine Eltern waren der Schneidermeister und spätere Beamte der Etschwerke Karl Huber jun. und dessen Ehefrau Basilia Gstrein. Opa Karl Huber sen. bekleidete ab den 1890er Jahren als Konservativer das Amt des Meraner Vizebürgermeisters und war danach Obmann des Straßenkomitees. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Otto für kurze Zeit als Kaufmann. Im Alter von 21 Jahren kam er zur italienischen Luftwaffe und schloss 1924 in Capua seine Ausbildung zum Piloten ab. Kurz darauf wurde er in die Kyrenaika im östlichen Libyen gebracht, wo er, wie erwähnt, an zahlreichen Militäroperationen beteiligt war, wie beispielsweise Tiefflugangriffe gegen Rebellen. Ende 1926 kam er zurück in die Heimat und bekam den militärischen Grad eines Maresciallo verliehen. Lange hielt er es hier aber nicht aus. Anfang 1929 suchte er um erneuten Einsatz in Libyen an und wurde wieder als Flieger im Kriegsgebiet eingesetzt. Am 11. November desselben Jahres musste er mit seinem Flugzeug notlanden, wurde trotz Widerstandes gefangen genommen und am 17. getötet, so zumindest die offizielle Darstellung. In den hiesigen Zeitungen – auch in seiner Todesanzeige – war zu lesen, dass er am 18. seinen von Kampfhandlungen herrührenden Verletzungen erlegen sei.

Auf der Titelseite des „Il Popolo di Roma“ erschien ein Nachruf. Otto Hubers Tod wurde vom faschistischen Regime propagandistisch ausgeschlachtet, als ruhmvolles Beispiel der Vaterlandsliebe eines „neuen Sohnes Italiens“. Er erhielt am 3. Jänner 1930 ein Ehrenbegräbnis auf dem Meraner Friedhof mit feierlicher Rede des Podestà. Nach ihm benannt wurden ein faschistischer Jugendkampfbund, eine Kaserne in Bozen, der Militärflugplatz in St. Jakob und eine Straße in Meran. Ausgerechnet Andreas Hofer musste 1934 den „Viale Ottone Huber“-Tafeln weichen. 1937 wurde ihm zu Ehren der mit 7.000 Lire dotierte Otto-Huber-Preis für sportliche Leistungen vergeben. Er war einer von 17 Südtirolern deutscher Muttersprache, die in Nord- und Ostafrika gefallen sind. Der fast zehnjährige Kolonialkrieg unter Mussolini hingegen tötete unter Einsatz von Flächenbombardements und Giftgas rund 100.000 Libyer, etwa 15 % der Gesamtbevölkerung. In den italienischen Konzentrationslagern kamen durch Hunger, Krankheiten und Tötungen nochmals mehrere Zehntausende Menschen ums Leben.
1944 wurde die Meraner Straße vor­übergehend wieder in An­dre­as-Hofer-Straße umgetauft. Seit Oktober 1945 trägt sie allerdings wieder den Namen Otto Hubers. Bis heute.

Fortsetzung folgt …
Christian Zelger