Die Meraner Rechtsanwältin Julia Unterberger berichtet unseren Leserinnen und Lesern von nun an regelmäßig aus Rom. Unterberger vertritt Südtirol seit 2018 im Senat. Die Redaktion bedankt sich bei Julia Unterberger für die Zusammenarbeit und ihre wertvollen Einblicke in die römische Politik.
Im September und Oktober war es sehr heiß in Rom. Die Menschen pendelten, solange sie konnten, zu ihren Zweitwohnsitzen ans Meer. Die neue Legislaturperiode wurde in diesem Klima geboren, mit einer Stadt, die mehr daran interessiert war, das schöne Wetter zu genießen, als daran, was in den Palästen der Politik geschah. Dieser Wahlkampf war sogar für Rom, die ewige Stadt, ungewöhnlich. Obwohl sie ja an einiges gewöhnt ist. Die Legislaturperiode, die mit dem Sturz der Regierung Draghi endete, war ein Wechselbad der Gefühle. Drei Regierungen mit drei verschiedenen Mehrheiten, die Pandemie, der Krieg, die Inflation. Luigi Di Maio, der fünf Jahre im Zentrum der politischen Macht war, aus dem Parlament ausgeschlossen und Salvini, der vor kurzem noch die volle Macht gefordert hatte, zu einem unbedeutenden Partner von Mitte-Rechts geworden. Und dann Giorgia Meloni, die sich von der Chefin einer kleinen Gruppe von Abgeordneten zur führenden politischen Kraft des Landes entwickelt hat. Die erste Ministerpräsidentin Italiens, die sich jedoch als „Herr Ministerpräsident“ ansprechen lässt. Vor allem das Ausland blickt gespannt auf die neue Frau an der Spitze Italiens. Wird sie den europäischen Ast absägen, auf dem Italien sitzt, und mit Ungarn und Polen ein Europa der egoistischen Nationalstaaten durchsetzen wollen?
Die ersten Tage der Legislaturperiode sind immer spannend. Das gilt vor allem für die Neugewählten, die man an ihrem ehrfurchtsvollen Staunen erkennt. Am Tag der Wahl des neuen Senatspräsidenten schrieb jemand in den sozialen Medien, es sei absurd, dass bei der ersten Sitzung so viele Abwesenheiten zu verzeichnen seien. Der Autor hatte nicht bedacht, dass der Plenarsaal immer halb leer sein wird, weil es früher 320 Senatorinnen und Senatoren gab, während es jetzt 200 sind. Es sollten bald einige Reihen entfernt werden, zumindest ist das die Absicht. Das Bild eines halbleeren Senats ist in der Tat nicht das beste.
In der Zwischenzeit haben wir die Autonomiefraktion neu gegründet. Sieben Senatoren im Gegensatz zu acht der letzten Legislaturperiode. Nicht schlecht für einen Senat, der um ein Drittel reduziert wurde!
Eine eigene Fraktion ist sehr wichtig, um Ergebnisse nach Hause zu bringen. Die Mitglieder sind in allen Ausschüssen vertreten, haben bestimmte Redezeiten und eine finanzielle Ausstattung. Alle Voraussetzungen für eine gute Arbeit.
In Bezug auf Südtirol hat Meloni mit einer Wende überrascht. Sie hat die internationale Verankerung der Autonomie und die Schutzfunktion Österreichs anerkannt. Aufgrund dieser ausgestreckten Hand hat sich die SVP zu einer Enthaltung entschlossen. Wir werden nun sehen, wie es weitergeht. Ob es Giorgia Meloni tatsächlich gelingt, ihre postfaschistische Partei in eine salonfähige konservative Kraft umzuwandeln. Ihr Umgang mit den sprachlichen Minderheiten wird ein Indikator für diese Entwicklung sein.