Im kommenden September wird Silvio Berlusconi 87 Jahre alt. Bei den letzten Wahlen erhielt seine Partei Forza Italia nur noch 8,3 % der Stimmen und wurde sowohl von den Fratelli d,Italia als auch von der Lega überholt. Trotzdem schafft es der ehemalige Regierungschef immer wieder sich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen und so die Gespenster der politischen Vergessenheit zu vertreiben.
Vor genau einem Jahr gelang es ihm mit Hilfe seiner Fernsehsender, die Idee seiner Wahl zum Präsidenten der Republik glaubhaft zu machen. Tagelang wurde darüber diskutiert; der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber, ließ sich sogar dazu hinreißen von Berlusconi als gute Wahl für das Präsidentenamt zu sprechen. Vom Bunga Bunga zum Vater der Republik. In Wirklichkeit hatte Berlusconi nie eine Chance in das hohe Amt gewählt zu werden.
Infolge fand der Cavaliere im Krieg in der Ukraine den Anlass sich weiter in Szene zu setzen, und dieses Mal nicht nur in Italien. Anlässlich seiner Stimmabgabe für die Regionalwahlen in der Lombardei übte er scharfe Kritik an Zelensky und erklärte, dass er ihn, anders als Giorgia Meloni, als Ministerpräsident niemals getroffen hätte.
Diese Töne schlug er nicht zum ersten Mal an: Bereits vor der Regierungsbildung hatte Berlusconi bei zwei Gelegenheiten Putin gerechtfertigt und nostalgisch von der alten Freundschaft zu ihm geschwärmt. Die Antwort Putins, er halte immer den besten Vodka für seinen Freund Berlusconi bereit, erfolgte prompt. Aus Europa kam hingegen harsche Kritik für Argumente, die denen der russischen Propaganda entsprachen und Zelensky beschuldigte Berlusconi nur so zu sprechen, weil er noch nie erfahren habe, wie es sei, wenn das eigene Haus bombardiert würde.
Doch all dies schien Berlusconi nicht zu interessieren, nicht zuletzt, weil in der Zwischenzeit die Nachricht von seinem Freispruch im Ruby-Ter-Prozess eintraf. Er war beschuldigt gewesen, das Schweigen der jungen Frauen erkauft zu haben, die in den beiden vorangegangenen Prozessen ausgesagt hatten.
Es war ein Verfahrensfehler, der diesen Freispruch bewirkt hatte. Die Aussagen der Frauen wurden als nicht verwendbar erklärt, zumal sie als Zeuginnen und nicht als Verdächtige einvernommen worden waren. Trotzdem jubelten die Vertreter von Forza Italia, als habe Berlusconi durch diesen Freispruch eine weiße Weste erhalten. Sogar eine Untersuchungskommission gegen die Richter/-innen und Staatsanwälte/-innen, die „einen Unschuldigen“ über Jahre zu Unrecht angeschwärzt hätten, wollen sie einrichten. Dies alles sehr zum Missfallen von Ministerpräsidentin Meloni.
Trotz Freispruch bleibt die historische Tatsache eines Ministerpräsidenten, der Sexparties auch mit Minderjährigen organisierte, sich dabei in eine erpressbare Position brachte und im Ausland das Bild eines sexistischen und unverantwortlichen Italiens bot, nämlich bestehen.