Seen, Flüsse und Bäche gehören der Allgemeinheit. Prinzipiell stimmt das auch, wenn es aber um die Nutzung der Gewässer geht, kommen Private ins Spiel. Das hängt mit der Geschichte zusammen. 92 % der Fischwasser sind bei uns von einem Eigenfischereirecht belastet, d. h. Einzelpersonen, Vereine oder Gemeinden sind Inhaber des entsprechenden Rechtes zur Ausübung der Fischerei.
von Josef Prantl
Wasser gilt als das Gold des 21. Jahrhunderts. Was passieren kann, wenn der Wassermarkt dem freien Wettbewerb ohne staatliche Regulierung überlassen wird, zeigt das Beispiel Chile, dessen Wasserversorgung zu nahezu 100 Prozent privatisiert worden ist: Die Wasserrechte konzentrieren sich dort mittlerweile in den Händen weniger Großunternehmen, was das teure Gut vor allem für die ärmere Landbevölkerung zunehmend unerschwinglich macht. Von derlei Zuständen sind wir (noch) weit entfernt, aber das Recht am Wasser beziehungsweise die Liberalisierung der Wassermärkte wird immer wieder kontrovers diskutiert. Vielleicht erklärt dies auch, warum die Nachricht vom Verkauf der Fischereirechte Braunsberg-Ulten an mögliche ausländische Investoren bei vielen Menschen sauer aufstößt. Es wären diese nicht einmal die ersten Fischereirechte, die Interessenten außerhalb Südtirols vergeben wurden.
Südtirols älteste Privatfischerei
Die über 200 Hektar Fischwasser von Lana bis ins hintere Ultental gehören Graf Rupert Strachwitz. Und der möchte schon lange die vererbten Fischereirechte verkaufen. Die Rede ist von mehr als einer Million Euro, um die es geht. „Die Fischereirechte sind ein kostspieliges und wertvolles Gut. Im Grundbuch ist vermerkt, welchen Personen entlang der Gewässer die Rechte gehören. Diese Personen können dann bestimmen, wer die Fischerei ausüben darf“, sagt PD-Senator und ehemaliger Amtsdirektor für Jagd- und Fischerei Luigi Spagnolli. Wer also die Fischereirechte Braunsberg-Ulten haben möchte, muss zahlen. Es geht um eine ansehnliche Wasserfläche: 40 Kilometer Bäche sowie 190 Hektar Seen. Ein Aufatmen ging durch das Land, als bekannt wurde, dass die Raiffeisenkassen von Lana und Ulten-St. Pankraz-Laurein die Fischereirechte kaufen möchten, über den Preis hüllt man sich in Schweigen. „Wir möchten die Bewirtschaftung den Vereinen übergeben, die dann in unserem Auftrag leistbare Tages- und Jahreskarten verkaufen,“ ließ Raika-Lana Geschäftsführer Florian Kaserer über die Medien verlauten.
Uralte Rechte
Das Eigenfischereirecht geht auf das Mittelalter zurück. Der Landesfischereiverband zählt heute 122 Mitglieder, die meisten sind Vereine, allerdings zählen auch Private dazu, darunter Graf Andreas Khuen oder der Deutschorden. Von den Schildhofbauern weiß man, dass sie das 1317 erworbene Recht der Fischerei in allen fließenden Gewässern im Passeiertal bis heute erhalten haben. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist die Eigenfischerei Braunsberg-Ulten in den Händen adeliger Familien. Der Großteil der heute in Südtirol weiterhin bestehenden Eigenfischereirechte hat seinen Ursprung in alten Schenkungen der mittelalterlichen Grundherren. Die Rechte waren häufig an die Gerichte bzw. an die Burgen im Lande gekoppelt. Daneben besaßen auch die Kirche sowie einzelne Klöster und Gemeinden wie Eppan, Kaltern, Auer und Sterzing Eigenfischereirechte.
Kurze Geschichte der Fischerei in Tirol
Heinrich Erhard, der langjährige Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, hat eine Geschichte der Fischerei in Tirol verfasst. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es ein geregeltes Fischereirecht im Kronland, 1886 wurden die Fischereikarte und Vorschriften eingeführt, wie das Einhalten von Schonzeiten und Mindestmaßen. Etwa zeitgleich mit der Donaumonarchie wurde auch in Italien ein Fischereirecht erlassen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in Bozen, Meran und Brixen Bezirksfischereivereine gegründet.
Der Großteil der Gewässer wurde damals noch beruflich befischt, das Fanggut wurde lebend überwiegend an die Gasthäuser verkauft. Was die Eigenfischereirechte betrifft, musste nach dem Anschluss an Italien bis spätestens 1925 darum angesucht werden. Mehrere Voraussetzungen waren nötig: Für den Nachweis reichte die grundbücherliche Verankerung, sofern vorhanden, nicht aus. Mit dem ersten Autonomiestatut wurde 1948 die Gesetzgebungsbefugnis in der Fischerei an die Region Trentino-Südtirol übertragen. Im Gegensatz zum Jagdsektor kam es aber nicht zur Verabschiedung eines regionalen Fischereigesetzes, auch weil die Vorstellungen in den beiden Provinzen besonders im Hinblick auf die Frage nach dem Erhalt oder der Abschaffung der Eigenfischereirechte voneinander abwichen. Und wie sich später zeigte, gingen die beiden Provinzen diesbezüglich auch völlig getrennte Wege. Nach dem Übergang der Zuständigkeiten von der Region auf die beiden autonomen Provinzen kam es 1978 zum ersten Landesfischereigesetz. In Trient wurden sämtliche Eigenfischereirechte gegen eine Ablöse abgeschafft. Anders in Südtirol: Hier wurde beim Amt für Jagd und Fischerei der so genannte Fischwasser-Kataster geschaffen, in welchen sämtliche Fischereirechte eingetragen wurden.
Neues Fischerei-Landesgesetz
Rund 14.000 Fischer gibt es heute in Südtirol, die großteils im Landesfischereiverband organisiert sind. Die gesamten Fischwasser, rund 2850 Hektar (davon der Großteil Stauseen)
werden von 113 sogenannten „Bewirtschaftern“ betreut. Hauptamtliche Fischereiaufseher gibt es nicht. Nach 44 Jahren hat Südtirol gerade ein neues Fischereigesetz auf die Wege gebracht, der Landtag hat es im Februar einstimmig genehmigt, am 1. März trat es in Kraft. Anwendung findet das neue Gesetz in allen öffentlichen Fischwassern, deren Fischereirechte entweder in Landeshand oder in privater Hand sind. Ein wichtiger Punkt ist die Bewirtschaftung der Fischwasser. Die Bewirtschaftung erfolgt seit jeher über den Jahresbewirtschaftungsplan, der vom Amt für Jagd und Fischerei genehmigt wird. Der maximal mögliche Fischbesatz erfolgte bis jetzt unabhängig von der Funktionsfähigkeit der Gewässer nach dem Gießkannenprinzip. „Neu ist, dass es in Gewässern, in denen die Fortpflanzung auf natürlichem Wege funktioniert und alle Altersstadien von Fischen vorkommen, keinen Besatz mehr geben darf“, erklärt Forstwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Eingesetzt werden dürfen überdies ausschließlich heimische Arten laut Einstufung der Obersten Behörde für Umweltschutz und Umweltforschung (ISPRA). Weiters wird die Entschädigung der bestehenden Fischereirechte bei Wasserableitungen sowie bei Erneuerungen der Wasserkonzessionen neu geregelt. Dabei wird zwischen Wasserableitungen im öffentlichen und privaten Interesse unterschieden. Die Aufsicht für die Arbeiten in Fischwasser wird von der Abteilung Forstwirtschaft sowie von den Fischereiaufsehern gewährleistet. Erstmals gibt es auch Regelungen für geschlossene Gewässer, die man landläufig als Fischerteiche kennt. „Bislang konnten dort alle Fischarten eingesetzt werden. „Das neue Gesetz regelt nun auch für diese Gewässer die Artenzusammensetzung“, sagt Schuler. Gefördert werden soll auch die Jugend, unter 16-Jährigen darf unter Aufsicht eines Fischers nun auch die Angel überlassen werden.
Unsere Fische
Der Großteil der Bäche, Flüsse und Gebirgsseen ist bei uns überwiegend mit Forellen besetzt. Der Leitfisch der Gebirgsbäche ist die Bachforelle, in den Hauptgewässern Etsch, Eisack und Rienz sowie im Unterlauf von deren Zuflüssen hingegen wäre es die Marmorierte Forelle, deren Bestände aber aufgrund des vermehrten Besatzes mit anderen Fischarten stark zurückgegangen sind. In den Seen und langsam fließenden Gewässern sind der Karpfen, die Schleie und der Flussbarsch die vorwiegenden Fischarten. Im Haider See überwiegt die Renke; in den Seen des Überetsch trifft man auch auf den Hecht. Als heimisch bzw. eingebürgert werden Fische eingestuft, welche bereits vor 1492 nachweislich in Südtirol vorkamen, beispielsweise die Marmorierte Forelle, die Adriatische Äsche, der Karpfen und mehrere Kleinfische. Die Bachforelle ist derzeit in Südtirol lediglich in Gewässern im Einzugsgebiet der Drau, welche nach Norden entwässern, als heimisch eingestuft. Auf dem restlichen Landesgebiet ist die Bachforelle als fremdländische Fischart eingestuft. Die Bachforelle besiedelt aber 80 Prozent der Südtiroler Gewässer. Die Regenbogenforelle ist erst seit wenigen Jahrhunderten in den heimischen Gewässern vorhanden, daher wird sie als fremdländische Fischart eingestuft. Alle Fischarten, die nicht als heimisch beziehungsweise eingebürgert eingestuft sind, dürfen nicht mehr eingesetzt werden. Deshalb wurde für diese Fischarten im Frühjahr 2021 ein landesweiter Besatzstopp erlassen. Das Amt für Jagd und Fischerei ist aber in regem Austausch mit den zuständigen staatlichen Ämtern in Rom, um zu versuchen, die Einstufung der Bachforelle zu ändern.
Das Aquatische Artenschutzzentrum an der Passer
Den Erhalt und die Förderung der autochthonen Fischfauna sowie des Dohlenkrebses hat sich das Aquatische Artenschutzzentrum in der Lazag an der Passer zur Aufgabe gemacht. Autochthone Fisch- und Krebsarten wie die Marmorierte Forelle und der Dohlenkrebs werden hier gezüchtet, um sie schließlich wieder in den Gewässern des Landes heimisch zu machen. Ob das gelingen kann, zweifeln allerdings so manche Fischer an. Umso lauter ist der Ruf, dass die Bachforelle weiterhin in Südtirols Gewässern schwimmen darf.
Mehr als 30 Jahre hatte die Familie Indra aus Lana die Pacht über die Fischerei Braunsberg-Ulten (ehemals „Graf Trappsche Fischerei“) inne, die sich über das Gebiet der Gemeinden Lana, St. Pankraz und Ulten erstreckt.
Das sind über 200 Hektar Fischwasser, die zu bewirtschaften sind. Hubert Indra war lange Zeit Obmann des Landesverbandes der Fischereirechtsinhaber. Der passionierte Fischer, der sich auch als Leichtathlet einen internationalen Namen gemacht hat, steht seit 27 Jahren an der Spitze des „Castingclub Südtirol“, der sich von der ersten Stunde an einer schonenden, ökologisch orientierten Fliegenfischerei verschrieben hat.
Herr Indra, wie sind Sie zum Fischen gekommen?
Hubert Indra: Mein Vater hat 1971 von Hans Trapp Graf von Matsch die Eigenfischerei zur Pacht bekommen. Es waren dann Bekannte, die sich der Fliegenfischerei verschrieben hatten und die mich dafür begeistert haben. Die ökologisch orientierte und vor allem schonende Fliegenfischerei in naturnahen Fließgewässern hat mich von Anfang an überzeugt.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie jetzt hören, dass die Eigenfischerei Braunsberg-Ulten verkauft werden soll? Sind diese Rechte nicht längst überholt?
Eigenfischereirechte sind meiner Ansicht nach der beste Schutz der Gewässerökosysteme und somit im Allgemeininteresse, denn die Eigentümer dieser historisch, teils hunderte Jahre alten Fischereirechte, haben ein großes Interesse daran, dass ihre Fischwasser so gut wie möglich erhalten bleiben, auch für die kommenden Generationen. Da viele Fischereirechte auch im Grundbuch eingetragen sind, stellen sie einen starken Rechtstitel dar. Dadurch ist die Chance viel größer, dass Projekte, welche die Gewässerökosysteme belasten (z. B. E-Werke) verhindert bzw. starke Ausgleichmaßnahmen durchgesetzt werden können.
Sie sind also gegen eine Abschaffung der Eigenfischereirechte?
Die Eigenfischereirechte haben sich bei uns bewährt. Der Zugang für die Fischer ist bis auf wenige Ausnahmen gegeben, die Kartenpreise sind erschwinglich, die Fischwasser sind gut gepflegt, trotz der massiven negativen Einwirkungen der Wasserkraft, der Fischprädatoren, der Einengung usw.
Wenn nun aber die Eigenfischerei Braunsberg-Ulten an ausländische Investoren verkauft wird?
Dazu wird es nicht kommen. Eine ideale Lösung ist es, wenn die zwei Raiffeisenkassen Ulten-St.Pankraz-Laurein und Lana zu gleichen Anteilen die Fischerei kaufen und sie dann den lokalen Fischervereinen zur Bewirtschaftung übergeben. Das wäre zugleich auch eine nachhaltige und umweltbewusste Lösung. Banken sind laut EU den ESG -Richtlinien (Environmental, Social, Governance ) verpflichtet, also für Umwelt, Soziales, für eine nachhaltige Entwicklung.
Wie steht es um die Fischerei in Südtirol und was wird durch das neue Landesfischereigesetz besser?
In der Vergangenheit wurden einige Fehler gemacht. Bei den Konzessionen für E-Werke wurde auf die Gewässer nicht Rücksicht genommen. Auch Einengungs- bzw. Verbauungsmaßnahmen der Bäche, um nur ein paar Quadratmeter Land zu gewinnen, stellten sich im Nachhinein als problematisch heraus. Das hat sich zum Glück geändert und das neue Fischereigesetz leitet ein Umdenken ein, so wie wir es bereits seit Jahrzehnten fordern. Auf Besatzmaßnahmen wird weitestgehend verzichtet, die erlaubte Entnahme orientiert sich an der natürlichen Reproduktionsfähigkeit des jeweiligen Gewässers. Falls Besatzmaßnahmen erforderlich sind, etwa um Ausfälle aufgrund der Überpopulation an Fischottern und Kormoranen, wie in den letzten Jahren in vielen Gewässern, zu kompensieren, wird ausschließlich mit heimischem Besatzmaterial, nach Möglichkeit aus autochthonen Beständen, besetzt.
Wie denken Sie darüber, dass das Einsetzen der Bachforelle nicht mehr erlaubt ist?
Durch den Besatz mit nicht heimischen Fischen wird der ökologische Zustand der Gewässer verschlechtert. Es klingt paradox, doch bedeutet bei Fischen mehr Arten nicht mehr Biodiversität. Die Bachforelle gilt als nicht autochton, da sie vor sehr langer Zeit praktisch „importiert“ worden ist. Mittlerweile besiedelt sie 80% der heimischen Gewässer. Tatsache ist, dass sich die Bachforelle eben mit der Marmorierten Forelle kreuzt; das soll durch das Besatzverbot unterbunden werden. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Marmorierte Forelle als die „Ur-Forelle“ der heimischen Fließgewässer gilt. Um ihren Erhalt zu sichern, werden von den Bewirtschaftern (Fischereirechtsinhaber bzw. Fischervereine) schon seit Jahren aufwändige Initiativen betrieben. Die Fischerei in Südtirol steht jetzt vor einer radikalen Veränderung, die sehr wenig Alternativen ermöglicht. Deshalb würde ich dieses Besatzverbot überdenken! Zumindest für die höher gelegenen Fischwasser, wie z. B. Gebirgsbäche oder für Gewässer, welche durch Barrieren keine Verbindung zu den Hauptgewässern haben und somit auch keine Vermischung ermöglichen.
Andreas Riedl ist Präsident von „Fish First“. Der Verein mit Sitz in Meran hat sich zum Ziel gesetzt, Jung und Alt für das Fischen zu begeistern, wobei das Naturerlebnis und nicht das Fangen im Vordergrund steht. Die BAZ sprach mit dem langjährigen Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz und passionierten Fischer.
Bei Fish First geht es nicht um den größten Fang?
Andreas Riedl: Ganz genau! Natürlich gehört beim Angeln das Fangen von Fischen dazu und auch wir freuen uns über einen schönen Fang. Vor allem aber geht es uns darum, Information und Bewusstsein für den Lebensraum der Fische zu vermitteln. Jeder Fischer sollte ein vitales Interesse am Schutz und Erhalt des Lebensraumes der Fische haben, denn schlussendlich garantieren nur funktionierende Gewässer, dass sich dort auch stabile und gesunde Fischpopulationen langfristig halten können. Und dies wiederum stellt die Grundlage für die Ausübung unserer Leidenschaft dar.
Sie lehnen den Besatz zur kurzfristigen Befriedigung angelfischereilicher Interessen ab?
Ja, denn Besatz ist der einfachste, kostengünstigste und schnellste Weg, um die wahren Probleme unserer Gewässer zu kaschieren. Dabei können wohlüberlegte Besatzmaßnahmen durchaus sinnvoll sein, etwa wenn es darum geht, in einem Gewässer einen erloschenen Fischbestand wieder zu etablieren – etwa nach einem Murgang oder einer Totalausleitung. Ein kontinuierlicher Besatz mit fangreifen Fischen mag zwar im Moment den Angler zufriedenstellen, löst aber die Ursachen für Defizite im Fischgewässer nicht. Besatz kann man daher auch als Ausrede sehen, die Gewässer nicht wieder funktionsfähig gestalten zu wollen. So führt Besatz einerseits zu Abhängigkeiten, weil ständig besetzt werden muss. Andererseits verbessert er langfristig eben nicht den Zustand der Gewässer.
Wie steht es um den Fischbestand in unseren Gewässern?
Sehr unterschiedlich, daher ist auch eine zusammenfassende Bewertung für alle Fischgewässer Südtirols defacto nicht möglich. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass sehr viele unserer Gewässer in der Vergangenheit vom Menschen auch teils erheblich verändert wurden und auch heute noch vielfältig genutzt werden, beispielsweise für die Bewässerung in der Landwirtschaft oder für die Stromproduktion. Diese Eingriffe und Nutzungen beeinträchtigen natürlich die Funktionsfähigkeit der Gewässer und damit auch den Fischbestand. Um ein Beispiel zu nennen, die Etsch zwischen Meran und Bozen hat ein Potential in einer Größenordnung von ungefähr 200 – 300 kg Fischbiomasse pro Hektar Wasserfläche. Aktuell finden wir in diesem Etsch-Abschnitt aber nur um die 20 kg/ha, also rund 90 % weniger als eigentlich da sein müsste.
Sie sind seit langem im Landesfischereiverband engagiert. Welche Fehler der Vergangenheit sollten in Bezug auf die Fischerei vermieden werden?
In den letzten Jahren hat sich doch einiges getan. Die Fischerei selbst hat sich gewandelt. Es geht nicht mehr darum, möglichst viele Fische in möglichst kurzer Zeit zu fangen. Mittlerweile steht der Naturgenuss im Vordergrund und es ist auch dann ein schöner Angeltag, wenn mal nichts gefangen oder mit nach Hause genommen wird. Auch das Bild des Fischers in der Öffentlichkeit hat sich gewandelt. Ich denke, die Fischerei kann in Zukunft selbstbewusster gegenüber den anderen Interessensvertretern Position beziehen, denn die Fischerei hat in Südtirol durchaus die Rolle des Anwalts für gesunde, funktionierende Gewässer und den aquatischen Artenschutz eingenommen.
Stellt das neue Fischereigesetz dazu die richtigen Weichen?
Ja, das neue Fischereigesetz trägt den veränderten Rahmenbedingungen, aber auch der Entwicklung in der Fischerei selbst durchaus Rechnung. Wer am neuen Gesetz nur die Einschränkungen im Bereich des Besatzes kritisiert, unterschlägt die vielen guten Ansätze und neuen Möglichkeiten, die der Fischerei eingeräumt wurden. Bei vielen Themen sind wir nun nicht mehr bloß Bittsteller, sondern können uns auf Augenhöhe einbringen. Voraussetzung dafür war das Vertrauen der Politik, welches sich die Fischerei in den letzten Jahren erarbeitet hat.
Das jahrhundertealte Fischereirecht Braunsberg-Ulten soll verkauft werden. Wie denken Sie darüber?
Der Verkauf eines Fischereirechts kommt in Südtirol nicht sehr oft vor, zumal von einem Recht in einer solchen Größe. Daher hat die Ankündigung des Verkaufs innerhalb der Fischerei doch Wellen geschlagen. Aktuell scheint sich eine sehr gute Lösung anzubahnen, mit der alle Seiten zufrieden sein können.
Südtirol ist die einzige Provinz Italiens, wo es noch private Fischereirechte gibt. Ist dieses Privileg nicht längst überholt?
Das hat historische Gründe, denn diese jahrhundertealten Fischereirechte stammen noch aus Zeiten, wo unser Land zu Österreich gehört hat. Insofern orientiert sich auch die fischereiliche Tradition eher an der Realität nördlich des Brenners. Obwohl die Fischereirechte in Südtirol nicht enteignet wurden und damit zum Großteil immer noch privat sind, gehören sie vielfach nicht einzelnen Personen, sondern beispielweise Fischereivereinen. Einzelne Fischereirechtsinhaber wiederum verpachten ihre Rechte zum Großteil ebenfalls an Fischereivereine, so dass eine Zugänglichkeit der Fischerei durchaus gegeben ist. Beim Vergleich der Fischerei in Südtirol mit anderen Realitäten südlich von Salurn, muss ich sagen, dass durch das Südtiroler System aufgrund des privaten Interesses – egal ob von Einzelpersonen oder Vereinen – eine sehr hohe Qualität gewahrt bleibt. Fischereirechte sind ein gutes Beispiel für die Tragik der Allmende.