Vincenzo Bellini war auf den 5000-Lire-Geldscheinen abgebildet. Mit Einführung des Euro mussten Menschenköpfe nicht-existierenden Gebäuden weichen. Auf Meraner Straßenschildern ist der bekannte italienische Komponist aber nach wie vor zu finden.
Es dürfte sich um einen der größten Skandale der Operngeschichte handeln. Am 2. Jänner 1958 war die Eröffnung der Saison in Rom in Anwesenheit des italienischen Staatspräsidenten Giovanni Gronchi geplant. Aufgeführt werden sollte Bellinis Meisterwerk „Norma“, in der Titelrolle Maria Callas, eine der bedeutendsten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts, heute noch Inbegriff der Primadonna. Damals war sie nicht unumstritten. Viele italienische Opernliebhaber bevorzugten Renata Tebaldi, auch wenn diese hinsichtlich Stimmvolumen und Ausdruckskraft nicht mit der Griechin mithalten konnte. Wenige Tage vor der Aufführung fühlte sich die Callas nicht wohl. Sie hatte am Silvesterabend die Bellini-Arie „Casta Diva“ gesungen, doch eine Halsentzündung machte ihr zu schaffen. Ein herbeigerufener Arzt riet ihr, heiße Kompressen zu machen. Als sie dem künstlerischen Direktor der römischen Oper mitteilte, wie schlecht es ihr stimmlich gehe und dass es besser wäre, sie zu ersetzen, meinte dieser, das Publikum bezahle dafür, die Callas singen zu hören und nicht jemanden anders, sie müsse auf alle Fälle auf die Bühne. Die Kompressen wirkten zwar, aber am Nachmittag des Aufführungstages machte sich eine Bronchitis bemerkbar. Trotzdem: „Ich unterzog mich […] der gleichen Behandlung, wie man sie bei Pferden anwendet, die im Rennen um jeden Preis siegen müssen, hinterher aber ruhig zusammenbrechen dürfen“, sagte sie dazu drei Wochen später in einem Interview. Es kam, wie es kommen musste. Maria Callas sang vor vollem Haus, weigerte sich aber – unzufrieden mit ihrer Leistung – nach dem 1. Akt weiterzusingen. Erst nach 45 Minuten wurde das Publikum über Lautsprecher darüber aufgeklärt, dass die Aufführung abgebrochen wird. Der Skandal war perfekt. Callas selbst erklärte: „Es gibt doch auch eine Verpflichtung dem Komponisten gegenüber, dem großen Bellini …“ Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco Bellini wurde am 3. November 1801 in Catania im damaligen Königreich Sizilien geboren. Das musikalische Talent scheint ihm in die Wiege gelegt worden zu sein, denn schon sein gleichnamiger Großvater und sein Vater Rosario verdienten ihren Lebensunterhalt als Musiker. Vincenzos Begabung zeigte sich früh; dass er allerdings bereits mit drei Jahren Partituren lesen konnte, dürfte ins Reich der Legenden zu verweisen sein. Er erlernte das Klavierspiel und das Komponieren. Die ersten Werke, heute nicht mehr genau datierbar, entstanden im Alter von zwölf Jahren. Eine fundierte Ausbildung erhielt er in Neapel, wurde dort auch gefördert. Das Auftragswerk „Bianca e Fernando“ wurde 1825 zu einem ersten großen Erfolg und öffnete Bellini die Türen an der berühmten Mailänder Scala. Sechs Jahre später findet dort die Uraufführung seiner bekanntesten Oper „Norma“ statt – schon damals skandalgebeutelt. Giuditta Pasta, eine der wichtigsten Sängerinnen des 19. Jahrhunderts, sollte die Titelrolle singen, weigerte sich aber, so hieß es, die „Casta Diva“ in der von Bellini ursprünglich vorgesehenen Form darzubringen. Der Meister soll sie daraufhin umgeschrieben haben. Die Premiere geriet zum Fiasko. Verantwortlich dafür wurden die Anhänger von Bellinis Konkurrenten Giovanni Pacini gemacht, die fürs Auspfeifen bezahlt worden waren. Ebenso wenig harmonisch ging es in Bellinis Privatleben zu. Seine Affäre mit einer verheirateten Frau überschattete sein Schaffen, einige Werke fielen bei Publikum und Kritik durch. Hinzu kam ein Streit mit seinem langjährigen Librettisten Felice Romani, der die Presse wochenlang beschäftigte. Seine letzte Oper „I Puritani“ wurde 1835 in Paris uraufgeführt. Doch der überwältigende Erfolg wurde von Bellinis Leber- und Darmleiden überschattet. Er zog sich auf seinen Landsitz zurück und starb noch im selben Jahr im Alter von 34 Jahren. Bellini zählt mit Rossini und Donizetti zum italienischen Dreigestirn des Belcanto – und in Meran liegen alle drei Straßen nahe beieinander.
Christian Zelger