Der Tschögglberg, Heimat der Haflinger Pferde

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Der Tschögglberg, Heimat der Haflinger Pferde

Der Tschögglberg und der „Haflinger“ gehören eng zusammen. Schließlich liegt die gleichnamige Gemeinde auf diesem Gebiet. Im Jahr 2024 jährt sich die „offizielle“ Geburtsstunde der „Haflinger“-Rasse zum 150. Mal und fällt damit mit dem 70-jährigen Bestehen des Südtiroler Haflinger Pferdezuchtverbandes zusammen. Ein Gespräch mit dem amtierenden Verbands­präsidenten Dr. Erich Messner über die Geschichte und Entwicklung des Haflingers“.
von Philipp Genetti

Erich Messner, Verbandspräsident

Herr Messner, wie beginnt die Geschichte dieser einzigartige Pferderasse?
Erich Messner: Wir können davon ausgehen, dass der Ursprung des Haflingers ein autochthones Kleinpferd war. Noch im Mittelalter gab es im Etschtal halbwilde Pferde, die das ganze Jahr sich selbst überlassen waren.

Wie weit reichen die ältesten Aufzeichnungen zurück?
Den Namen Haflinger kennt man für das Bergpferd aus Südtirol seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Wir wissen, dass es in Tirol schon um 1870 eine Kavallerie-Abteilung gab, die mit Haflingern beritten war.

Was machte den Haflinger als Lasttier damals so interessant?
Über Jahrhunderte war der Warentransport von der Etsch zum Inn über die Alpenpässe ein Privileg der in Tirol ansässigen Bevölkerung. Ein starkes, genügsames und kleines Lastpferd, wie der Haflinger, war somit von großer Wichtigkeit und wurde deshalb im Land selbst gezüchtet. Allein im Passeier gab es bis 1780 400 solcher Saumpferde, die für den Warentransport über den Jaufen eingesetzt wurden.

Inwieweit trugen die örtlichen Gegebenheiten am Tschögglberg für das Aufkommen dieser Rasse bei?
Mit dem Ausbau der Straßen, besonders mit der Eröffnung des Kuntnerweges im 14. Jahrhundert in der Eisackschlucht nördlich von Bozen, ging der Warentransport mit Saumpferden stark zurück. Wegen der schwierigen Wege ins Sarntal und des sehr steilen Anstiegs hinauf zum Tschöggelberg war aber ein kräftiges Saumpferd weiterhin von großer Bedeutung.

Die Widerstandsfähigkeit und Robustheit machten die Haflinger auch für Züchter interessant. Wie beginnt die Geschichte des Haflinger Zuchtwesens in Südtirol?
Die Pferdezucht wurde in Tirol ab 1857 durch die österreichische Monarchie gefördert. Eine erste spezifische Förderung der Haflingerzucht gibt es zum ersten Mal 1875 und 1876 mit Pferdeprämierungen in Mölten und Sarnthein. Der Haflinger erreichte mit der steigenden Bedeutung Merans als Kurstadt nach 1871 Weltberühmtheit. Er wurde zum Modepferd des Adels, der ihn als Reitpferd im Gebirge gern verwendete. Nicht nur der Kaiser in Wien hatte Haflinger in seinen Pferdestallungen, auch der König von Bayern. Der Adel in England ließ sich Haflinger aus Meran kommen, ja sogar der Zar von Russland schaffte sich in dieser Zeit Haflinger an. Doch am Ende des 19. Jahrhunderts war der so geschätzte Haflinger plötzlich vom Aussterben bedroht. Die besten Pferde der sehr kleinen Rasse mit wenigen Zuchttieren waren in die ganze Welt verkauft worden und tatsächlich gab es um 1898 keine brauchbaren Zuchthengste mehr. Eine Pferdezuchtkommission aus Wien bereiste daraufhin das Haflingerzuchtgebiet und beschloss, mit Hengsten aus dem Vinschgau die Haflingerzucht zu retten.

Die eigentliche Geburtsstunde der Rasse wird heute auf das Jahr 1874 datiert?
Genau, damals wurde der Hengst „249 Folie“ geboren, auf den alle bedeutenden Vatertiere der heutigen Haflingerrasse zurückgehen. Daraufhin haben sich die Züchter vom Tschöggelberg 1903 zu einer Genossenschaft mit Sitz in Mölten zusammengeschlossen, um die Rasse „rein“ zu erhalten. Nach 1920 hat sich die italienische Verwaltung mit einem eigenen Zuchtprogramm der Haflingerrasse angenommen. So wurde 1924 der Verband zur Förderung der Haflingerzucht in Meran gegründet (S.I.C.A.M.), dem die Züchter des Sarntals, des Eisacktals, Jenesiens und Vinschgaus angeschlossen waren. Zwischen 1943 und 1945 wurde die Haflingerzucht Südtirols von der deutschnationalen Verwaltung neu organisiert. 1947 hatte man wieder an einen Zusammenschluss aller noch bestehenden Zuchtgenossenschaften gedacht und 1953 den Verband der Südtiroler Haflinger Pferdezuchtgenossenschaften mit Sitz in Bozen gegründet.

Wer waren die treibenden Kräfte bei der Verbandsgründung? Wie ist er heute organisiert?
Treibende Kräfte waren vor allem die Züchter aus dem Sarntal und von Jenesien. Während vor den Kriegen die jeweilige Militärverwaltung jährlich Haflingerpferde in Südtirol kaufte, waren die Züchter jetzt auf sich gestellt und ein Verband sollte die Vermarktung der Pferde erleichtern. Heute ist der „Südtiroler Haflinger Pferdezuchtverband“ eine Genossenschaft mit vielseitigen Aufgaben, die den Züchtern zugutekommen.

2024 blickt der Zuchtverband nun auf eine 70 Jahre währende Verbandsgeschichte zurück und feiert zugleich weltweit 150 Jahre „Haflinger“. Was hat es damit auf sich?
Ich denke, dass es den Haflinger Züchtern darum geht, zu zeigen, was sie zur Erhaltung und Weiterentwicklung einer Pferderasse beigetragen haben, die zu den weltbekannten lebenden Kulturgütern Südtirols gehört. 150 Jahre Haflinger Zucht ist für ganz Südtirol und darüber hinaus, Anlass zu feiern.

Was unterscheidet das heutige Haflinger Pferd in seinen Eigenschaften von seinen Urvätern?
Die Haflinger Pferdezucht hat in den 150 Jahren viele unterschiedliche Entwicklungen durchgemacht. Ursprünglich als Reitpferd fürs Gebirge bekannt und berühmt, wurde es auch immer schon als Saumpferd eingesetzt und vor den leichten Reisewagen gespannt. Jede Militärbehörde, die im Land stationiert war, sah im Haflinger ein brauchbares Pferd für den Gebirgskrieg. Erst nach 1950 wurde der Haflinger als Arbeitspferd propagiert. Nach 1970 glaubte man den Haflinger als Freizeitpferde für den Tourismus einsetzen zu können und änderte das Zuchtziel. Ab 1990 kam es zu einer entscheidenden Neuausrichtung in der Zucht: Der moderne Haflinger sollte zum Sportpferd weiterentwickelt werden. Dazu war es nötig die Größe deutlich anzuheben und die Fuchsfarbe so zu vereinheitlichen, dass sie zum unverwechselbaren Rassemerkmal wurde.

Wie wurde der Haflinger schließlich zum „Globetrotter“?
Der Haflinger war schon im 19. Jahrhundert eine bekannte Pferderasse. Die weltweite Ver­breitung des Haflingers ist dem Geschäftsführer des Nordtiroler Haflinger Zuchtverbandes, Otto Schweiß­gut zu verdanken. Von ihm ging auch die Idee einer Weltvereinigung aller Haflingerzüchter aus. Südtirol ist heute Mitglied der Haflinger Weltvereinigung und stellt damit bedeutende Mittel zur Führung der Vereinigung bereit.

Was macht die Rasse für ferne Länder interessant?
Überall wo Haflinger gehalten und gezüchtet werden schätzt man vor allem seine einmaligen Wiedererkennungsmerkmale. Er kann vielseitig eingesetzt werden, ist sehr anpassungsfähig und charakterfest. In Nordamerika gibt es mehrere tausend Haflinger, aber auch in Korea kommen Haflinger als Freizeitpferde zum Einsatz.

Welchen Stellenwert hat der Haflinger heute im weltweiten Vergleich aller Spitzenpferde?
Der Haflinger mit guten Reiteigenschaften wird vor allem als vielseitiges Freizeitpferd geschätzt. Seine Haltung ist unkompliziert, er ist widerstandsfähig, gesund und langlebig. Vom Haf­linger werden allgemein keine sportlichen Höchstleistungen erwartet. Seine sympathische Ausstrahlung und nicht zuletzt seine Schönheit werden geschätzt.

Trotz seiner Internationalität bleibt Südtirol für die Haflingerzucht weiter eine wichtige Anlaufstelle. Welche Aufgabe hat der Südtiroler Haf­lin­ger Pferdezuchtverband in diesem Zusammenhang?
Der Südtiroler Haflinger Pferdezuchtverband arbeitet seit Jahren intensiv in der Weltvereinigung mit und gehört zu den aktivsten Mitgliedern der Vereinigung. Wir pflegen Kontakte mit den Zuchtverbänden aller europäischen Ländern und stellen interessierten Züchtern unser Knowhow zur Verfügung.

Mit dem Einstieg des Landes beim Meraner Pferderennplatz soll auch dem Haflinger eine Bühne gegeben werden. Was können Sie uns dazu sagen?
Die Haflingerzüchter wünschen sich einen fixen Veranstaltungsort für die Großveranstaltungen, die in jedem Zuchtjahr stattfinden. Dazu gehört die Hengstkörung, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Aber auch die Stutbucheintragung der Jungstuten hat sich in den letzten Jahren zu einer Großveranstaltung entwickelt, die internationale Beachtung findet. Im Herbst veranstaltet der Verband ein Fohlenchampionat in Verbindung mit einer Online-­Auk­tion.
Damit verbunden ist die Notwendigkeit, einen Veranstaltungsort mit entsprechenden Strukturen zu finden: Meran, die Pferderennbahn und der Haflinger, hier gilt es Synergien zu nutzen.

Welches Potential sehen Sie als Verbandspräsident in der weiteren Aufwertung des Südtiroler Haflingers?
Der Südtiroler Haflinger Pferdezuchtverband hat die Aufgabe, sich für die Einzigartigkeit der Rasse einzusetzen, ihre genetische Vielfalt zu erhalten und als Genpool für die weltweit verstreuten Züchter zu sichern.
Als Ursprungsland einer weltweit verbreiteten Rasse ist es unsere Aufgabe, die Geschichte dieses Pferdes zu erforschen, zu dokumentieren und allen Interessierten zugänglich zu machen.

Was ist im bevorstehenden Jubiläumsjahr geplant?
Die Züchter freuen sich auf eine Landesausstellung, bei der sie ihre wunderschönen Haflinger Pferde zeigen können.
Es wird auch ein Rahmenprogramm geben, bei dem die Haflinger ihre sportlichen Qualitäten unter Beweis stellen. Wir werden ein Pferde-Symposium organisieren und Referenten einladen, die über die Zukunft des Pferdes im Allgemeinen und des Haflinger Pferdes im Besonderen sprechen werden. Außerdem werden wir auch ein Buch zur Geschichte des Haflinger Pferdes herausgeben. Es gibt viele weitere Ideen, die gut durchdacht und ausgearbeitet werden und zu gegebener Zeit veröffentlicht werden.