Das Südtiroler Obstbaumuseum hat zeit seines Bestehens eine beeindruckende Sammlung von Artefakten und Exponaten aus der Welt des Obstbaues zusammengetragen. In seiner Ausstellung im „Larchgut“ in Niederlana präsentiert das Museum heute eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Entwicklung und der aktuellen Situation des Obstbaus in unserem Land.
von Philipp Genetti
Die Gründung des „Museumsvereins“ im Jahr 1981 war der erste Schritt auf dem Weg zum Obstbaumuseum. Ziel war es, das heimische Kultur- und Volksgut zu sammeln und zu bewahren. Gemäß dem damaligen Konzept entwickelte sich das Museum von einem Heimatmuseum zu einem auf den Südtiroler Obstbau spezialisierten Museum. Das führte zu einer beeindruckenden Sammlung bäuerlicher, handwerklicher und volkskundlicher Artefakte aus den letzten 150 bis 200 Jahren. Trotz des Enthusiasmus der Gründer und ihrer Passion für die Bewahrung der Kultur war das Museum in seinen Anfängen mit begrenzten räumlichen, finanziellen und personellen Ressourcen konfrontiert. Auf der Suche nach einer bleibenden Stätte fand man 1984 im Larchgut in Niederlana den idealen Standort und legte damit den Grundstein für das heutige Südtiroler Obstbaumuseum.
Von den Anfängen zum heutigen Obstbaumuseum
Seit seiner Eröffnung im Jahr 1990 wird das Obstbaumuseum von einem engagierten ehrenamtlichen Verein geleitet. An der Spitze stehen zurzeit Präsident Martin Ganthaler und Vizepräsident Jakob Kristler. Unterstützt werden sie von kompetenten Beiräten und einem engagierten Museumsteam bestehend aus der Museumsleiterin und amtierende Vorsitzenden des Südtiroler Museumsverbandes Sabine Unterholzner, Jakob Schwienbacher im Bereich der Vermittlung und Verwaltung, sowie Simon Terzer als Beauftragter für das Archiv. Terzer obliegt auch die Koordination der im Obstbaumuseum ansässigen Initiative „Archiv.Lana“, die sich seit 2009 um die Inventarisierung von Privatarchiven, der Unterbringung und Nutzung sowie Übergabe von Nachlässen innerhalb der Großgemeinde Lana bemüht.
Eine Reise durch die Welt des Apfels
Das Obstbaumuseum bietet seinen Besuchern eine faszinierende Reise durch die Welt des Apfels und präsentiert die Frucht in seiner Ausstellung als eine ganz besondere. Dabei werden nicht nur die biologischen Eigenschaften, sondern auch die kulturgeschichtlichen Entwicklungen rund um den Apfel eindrucksvoll beleuchtet.
Zum Beispiel der Apfel als vermeintliche Paradiesfrucht aus dem Garten Eden und verbotene Frucht des Baumes der Erkenntnis, seine Bedeutung als Liebesfrucht in der griechischen Mythologie, eng verbunden mit der Göttin der Liebe oder seine Eigenschaft als patriarchalisches Herrschersymbol im Mittelalter. In neuerer Zeit hat der Apfel seine Symbolwirkung mehr und mehr verloren, beobachtet das Obstbaumuseum. Unbestritten ist der Apfel aber in den künstlerischen Darstellungen von Stillleben nach wie vor eines der wohl beliebtesten Motive geblieben. Auch zahlreiche Dichter und Schriftsteller haben den Apfel schon in den Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens gerückt. Als Beispiel dafür gilt Friedrich von Schillers berühmter Apfel-Schuss des Wilhelm Tell aus dessen gleichnamigen Schauspiel aus dem Jahr 1804, das den Stoff des Schweizer Nationalmythos um den Freiheitskämpfer Wilhelm Tell und den sogenannten „Rütlischwur“ behandelt.
Dass sich hinter dem alten englischen Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away“ hingegen mehr verbirgt als nur eine Binsenweisheit, wird im Obstbaumuseum fachkundig aufgeklärt und mit dokumentierten Gesundheitswerten dieser Frucht wissenschaftlich untermauert. Aus welchem guten Grund der Apfel in seiner jahrtausendealten Tradition sogar als Schönheitselixier verwendet wurde, ist ein weiterer Aspekt der Ausstellung.
Die Entwicklung des Erwerbsobstbaus
Heute erstreckt sich der Südtiroler Obstbau über mehr als hundert Kilometer in der Länge und zwei bis drei Kilometer in der Breite und macht Südtirol zum größten zusammenhängenden Obstbaugebiet Europas. Vor diesem Hintergrund ist es heute nur noch schwer vorstellbar, dass in der Obstbaugeschichte unseres Landes der Apfel lange Zeit eine untergeordnete Rolle gespielt hatte. Wie man es im Obstbaumuseum erfährt, wurden Apfelbäume über viele Jahrhunderte hinweg hingegen nur zur Selbstversorgung angepflanzt. Allgemein wurde der Obstbau im Grunde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Regulierung der Flüsse und der Trockenlegung der Moore zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor.
Zu jener Zeit erfolgte auch der Anschluss an das internationale Schienennetz, was den Obstbau zu einem rentablen Geschäft machte. Es entstanden die ersten Obstgenossenschaften, und die kommerzielle Vermarktung begann. Als größte und zugleich eine der ältesten Obstbaugemeinden des Landes spielte Lana dabei früh schon eine wesentliche Rolle. Die einzigartigen geografischen Bedingungen und das alpin-mediterrane Klima Südtirols haben in seiner Obstbaugeschichte eine bemerkenswerte Vielfalt von Apfelsorten hervorgebracht. Von den ältesten Sorten wie dem „Maschanzker“ bis zu modernen Favoriten wie „Gala“ und „Fuji“ bietet das Apfelmuseum von Lana dazu einen tiefen Einblick in die reiche Vielfalt des Südtiroler Apfels.
Südtirols Apfel als Exportschlager
Der Erfolg der Südtiroler Obstwirtschaft ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen bäuerlichen Familien- und Vermarktungsbetrieben. Einem Zusammenspiel, das die Ausstellung vor Ort damit erlebbar macht, in dem sie an verschiedenen Stationen Einblick in die Arbeit und das Zusammenspiel der zahlreichen Akteure der Südtiroler Obstwirtschaft gibt. Das Obstbaumuseum in Niederlana ist in der Regel von April bis Oktober für Besucher geöffnet und bietet auf Anfrage auch spannende Führungen an, die sowohl für Schulklassen als für Besucher jeden Alters geeignet sind. Für Schüler werden altersgerechte Führungen angeboten, die auf den Unterricht abgestimmt werden. Die Führungen enden jeweils mit einer Verkostung von Äpfeln und Apfelprodukten.
Neueröffnung der Kinderwelt
Seit Ostern 2019 verfügt das Obstbaumuseum außerdem über eine neue Kinderausstellung, die speziell für junge Besucher entwickelt wurde. Hier können Kinder spielerisch die Geheimnisse des Apfels und der Natur entdecken. Während die Eltern die Ausstellung besuchen, können die Kinder in der neuen Kinderwelt spielen, lesen und basteln. In Niederlana ist das Museum ohne Zweifel eines der wesentlichen Sehenswürdigkeiten, die man einmal gesehen haben sollte und nachdem die Ausstellung je nach Jahreszeit an die aktuellen Gegebenheiten im Obstbau angepasst wird, lädt sie nicht zuletzt sogar zum Wiederkehren ein.