Das Grenzgebiet am Deutschnonsberg wird gerne als eines der ursprünglichsten Gebiete von Südtirol bezeichnet. Es umfasst drei Gemeinden: Unsere Liebe Frau im Walde – St. Felix, Proveis und Laurein. Sie bilden auch als „Deutschgegend“ bekannt, den höchstgelegenen Teil des Nonstales bzw. Val di Non.
von Philipp Genetti
Die Weiler und Ortskerne der drei Gemeinden des Deutschnonsbergs liegen zwischen 900 und rund 1400 Metern über dem Meeresspiegel und sind geprägt von historischen Höfen, Gasthöfen und kirchlichen Baudenkmälern mit langer Tradition. In der Geschichte Südtirols hat das Grenzgebiet, das gerne auch als „Deutschgegend“ bezeichnet wird, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch politisch immer wieder eine gewisse Sonderrolle gespielt. Obwohl deutschsprachig, waren die Gemeinden am nördlichen Ende des Nonsbergs aufgrund der geographischen Gegebenheiten gezwungen, sich mehr gegen Süden und damit in Richtung des Trentino zu orientiern. Dies ging so weit, dass das Gebiet von 1923 bis zum Inkrafttreten des ersten Autonomiestatuts am 31. August 1948 an die Provinz Trentino angegliedert war und erst danach für die Provinz Südtirol abgetrennt wurde.
Der weite Weg ins Tal
Die Abgeschiedenheit von Südtirol blieb auch in der Folgezeit spürbar. Denn obwohl das Burggrafenamt und hierbei vor allem das Ultental und das Etschtal rein geograhischen sehr nahe am Deutschnonsberg liegen, mussten die Deutschnonsberger immer noch einen weiten Weg in Kauf nehmen, um dorthin zu gelangen. Erst mit der Eröffnung der Verbindungsstraße zwischen der Gemeinde Laurein und dem Ultental in den 1990er Jahren und dem Bau des sogenannten „Hofmahdjoch-Tunnels“ verbesserte sich die Situation. Wollte man hingegen als Laureiner oder Proveiser über den Gampenpass ins Etschtal gelangen, so war es nach wie vor unumgänglich, einen Teil vonSüdtirol zu verlassen und über das Trentino dann wieder über Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix in die Provinz zurückzukehren. Als Alternative zum Gampenpass hat sich hingegen für viele Deutschnonsberger vor allem in Richtung Bozen die Umfahrung über den Mendelpass bewährt. Das rund 680 Jahre alte Zollhaus am Gampenpass erinnert noch heute an den allerersten direkten Verbindungsweg zwischen dem „Deutsch“-Nonsberg und der vermeintlichen Heimat „Tirol“. Es handelte sich dabei um einen Saumpfad, der über viele Jahrhunderte auf 1518 Meter Seehöhe über das Gampenjoch führte und bekanntlich auch für den Salztransport aus Hall in Tirol von großer Bedeutung war. Das heute noch bestehende ehemalige landesfürstliche Zollhaus stammt aus dem Jahr 1335 und wurde 1978 restauriert.
Ein beliebtes Ausflugsziel für viele Südtiroler
Aufgrund der landschaftlichen Gegebenheiten ist das Deutschnonsberggebiet auch heute noch ein beliebtes Ausflugsziel für viele Südtiroler. Besonders beliebt ist nicht zuletzt das Wandergebiet rund um die Gemeinde Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix mit dem Hausberg dem Laugen und dem beliebten Badesee, der kurioserweise auf Südtiroler Seite als „Felixer Weiher“ und auf dem Gebiet der Provinz Trient als „Lago di Tret“ ausgeschildert ist. Ein weiteres Beispiel für die sprachlichen Besonderheiten im Südtiroler Grenzgebiet.
Wallfahrtsort mit historischem Hospiz
Wie die Dorfchronik der Gemeinde Unsere Liebe Frau im Walde/ St. Felix berichtet, gab es im 12. Jahrhundert auch in Unsere Liebe Frau im Walde ein von Mönchen eingerichtetes Hospiz für Reisende über den Gampenpass. Dies führte in den folgenden Jahrhunderten wohl zum Bau der bekannten Wallfahrtskirche „Maria Himmelfahrt“, die am 10. Juni 1432 als dreischiffige gotische Kirche vom damaligen Bischof von Trient, Alexander von Masowien, geweiht wurde. Die Wappen an der Decke des Presbyteriums zeugen noch heute von den Stiftern der Kirche, den Grafen Thun, den Grafen Firmian und den Grafen Arz. Aus dieser Zeit stammt auch das heutige Gnadenbild, während das ursprüngliche Marienbild als verschollen gilt.
Lehrpfad zur Schöpfungsgeschichte
1997 wurde auf dem Deutschnonsberg ein sensationeller Fund gemacht: Zahlreiche versteinerte Fußabdrücke von Reptilien aus der Trias wie „Chiroterium“, „Brachychirotherium“, Rhyncosauroide und Thecodontier sowie „Urzeitlöwen“. Einige von ihnen lebten vermutlich vor 235 Millionen Jahren und gelten heute als Vorfahren der Dinosaurier. Bald nach der Entdeckung dieser Sensation am Gampenpass wurde der Weg in der Nähe der Fundstelle zum „Schöpfungsweg“ erklärt. Ein entsprechender Lehrpfad lädt seither zur Besinnung auf die biblische Schöpfungsgeschichte ein und informiert sowohl am weiterführenden Saurierweg „Triassic Parc“ als auch in Unsere Liebe Frau im Walde über die ersten Bewohner der Erde.
Erste Gipfelbesteigung einer Frau in Südtirol
Eine Sensation am Deutschnonsberg geht auf das Jahr 1552 zurück: Es ist die erste dokumentierte Gipfelbesteigung einer Frau. Auch heute kaum vorstellbar, galt es im 16. Jahrhundert sowohl für Männer als auch für Frauen als sehr ungewöhnlich, aus purer Lebenslust einen Berg zu besteigen. Wie aus einem Artikel der Zeitschrift „Südtirol in Wort und Bild“ aus dem Jahr 2014 sinngemäß hervorgeht, handelt es sich dabei um einen Tagebucheintrag des Adeligen „Jakob von Boymont“, der von seiner Besteigung des „höchsten Laugenspitz“ am 24. August 1552 mit seiner „Schwigerin“ und seiner „Hausfrau“ berichtet. Gemeint sind seine Schwiegermutter Regina von Brandis und seine Frau Katherina Botsch. Die Verfasser des Zeitungsberichtes schließen daraus, dass es sich um einen Familienausflug gehandelt haben könnte, bei dem sich die Adeligen einen „Überblick über den Umfang der ererbten und nicht erworbenen Ländereien“ verschaffen wollten.