Über mangelnde Wertschätzung braucht sich unser Protagonist nicht zu beklagen. In Innsbruck, Bozen, Bruneck, Wien, Linz, Dornbirn und München wurden Straßen, Gassen und Plätze nach ihm benannt. Auch im Burggrafenamt treffen wir auf den bekannten Tiroler Juristen und Dichter: im Hermann-Gilm-Weg in Meran.
„Wenn Jemand in Tirol nach mir fragen sollte, so vergiß nicht zu sagen, daß ich gerne in Tiroler Erde begraben läge.“ Dies war einer der letzten Sätze, den Hermann von Gilm vor seinem frühen Tod 1864 gegenüber seiner Frau äußerte. Fast vier Jahrzehnte später veranstaltete die Kunst- und Literaturgesellschaft „Pan“ in Linz eine Feier zu Ehren des großen Tiroler Dichters und enthüllte am Haus, in dem er verstorben war, eine Büste. Der Feier schlossen sich weitere Vereine an, u.a. der Journalisten- und Schriftstellerverein „Concordia“, der einen Lorbeerkranz sendete. In ihrem Dankschreiben berichtete die Witwe von seinen letzten Stunden und von den Briefen aus aller Welt, die sie nach dem Ableben ihres Mannes erreichten, und die die hinreißende Schönheit seiner Lieder priesen.
Charmant und wechselhaft
Hermann Heinrich Rudolf von Gilm zu Rosenegg wurde am 1. November 1812 in Innsbruck geboren. Die Wurzeln seiner Familie reichen nach Liechtenstein und Vorarlberg, wo er aufgewachsen ist und in Feldkirch das Gymnasium besucht hat. Sein Bruder Hugo wird später Chemiker werden. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck begann eine beruflich schwierige, aber nicht uninteressante Zeit für den jungen Mann. Auf seinem Weg zum kaiserlichen Beamten verbrachte er viele Jahre als unbezahlter Rechtspraktikant. Zunächst in Innsbruck stationiert, verschlug es ihn nach Schwaz, Bruneck, Rovereto, Wien und Linz – was einige der Straßenwidmungen erklärt. Charmant und wortgewandt war er bald gesellschaftlicher Mittelpunkt, dem man gerne zuhörte, beim Rezitieren seiner selbstgeschriebenen Gedichte, Sonette und Lieder ebenso wie auf der Bühne als Schauspieler. So wurde er zum Liebling der Frauen, die ihn zu zahlreichen Liebesgedichten inspirierten. Daneben widmete er sich in seinen Texten auch den Themen Heimat, Natur und Freiheit. Ab 1854 lebte Gilm dann in Linz und schaffte es bis zum Leiter des Präsidialbüros der Statthalterei. Dort wird er nach zahlreichen Liebschaften im Alter von 49 Jahren die 21-jährige Maria Magdalena Dürrnberger heiraten. Im Herbst 1863 werden sie Eltern eines Sohnes, doch das familiäre Glück währte nur kurz. Bereits im Jahr darauf starb Gilm am 31. Mai an Tuberkulose.
Liberal und kritisch
Als Gilm zu schreiben begann, war es nicht einfach für einen liberal denkenden Menschen. Es war die Zeit der Restauration. Napoleon hatte Europa in zahlreiche Kriege verstrickt und saß verbannt auf der Atlantikinsel St. Helena. Um die Neuordnung Europas zu verhandeln, hatte ab 1814 der Wiener Kongress getagt. Geleitet wurde dieser von Fürst Klemens von Metternich, der ein Gleichgewicht der Mächte anstrebte und dazu hart gegen liberale und progressive Kräfte vorging. Bespitzelungen und Zensur gehörten in den folgenden Jahrzehnten zum sogenannten „System Metternich“, wogegen sich Hermann von Gilm in vielen seiner Texte wandte. Als zuständiger Leiter des Theaterressorts in Linz hat er rund tausend Theaterberichte verfasst, durch die er allzu grobe Eingriffe in die Spielpläne und Texte der Theater durch die Linzer Polizeidirektion verhinderte. Besonders scharfzüngig schrieb er gegen die Jesuiten, die für ihn wegen ihrer Erziehungsmethoden zum Inbegriff der Konservativen gehörten. Um sich als staatlicher Beamter übermäßige Schwierigkeiten zu ersparen, veröffentlichte er zu Lebzeiten nur seinen Gedichtband „Tiroler Schützenleben“. Später wurden viele seiner Werke vertont, einige sogar mehrfach. Sein letzter Wunsch ging vier Jahre nach seinem Tod in Erfüllung: 1868 wurden seine sterblichen Überreste in Innsbruck beigesetzt.
Christian Zelger