Er ist kein Machtpolitiker. Von Parteigeplänkel hält er nichts. Was zählt, ist die Sache. Entscheidungen werden wohlüberlegt getroffen. Paul Rösch ist ein Denker, gern auch Visionär. Alle sollten möglichst eingebunden werden. So sein Credo. Im Mittelpunkt seiner Politik steht der Mensch. Menschlich ist Paul Rösch auch nach zwei Jahren im Amt als Erster Bürger Merans geblieben. Er liebt seine Stadt. Vielleicht ist das sein Erfolgsgeheimnis.
Mit knapp 61 Prozent der Stimmen ist Rösch vor zwei Jahren zum Bürgermeister von Meran gewählt worden. Das hat damals viele überrascht. Erstmals in der Geschichte der Stadt stellte nicht mehr die SVP den Ersten Bürger.
Rösch ist 1954 in Meran geboren und stammt aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie. Er hat in Innsbruck Volkskunde studiert, war Leiter des Tiroler Landesinstituts in Bozen und zuletzt Direktor des Landesmuseums für Tourismus auf Schloss Trauttmansdorff. 22 Jahre stand er ehrenamtlich der Volkshochschule Urania vor und war im Sportclub Meran aktiv. Von 1986 bis 1998 leitete er die von ihm mitbegründete Sektion Triathlon. Rösch ist Autor zahlreicher Fachartikel und Bücher zu Themen des Tourismus und der Landeskunde. Der Newcomer der Politik blickt im BAZ-Sommergespräch auf die vergangenen zwei Jahre als Bürgermeister zurück: Was hat sich in der Stadt getan? Welche Entwicklungen zeichnen sich ab? Wie hat sich der Leben des Paul Rösch verändert?
BAZ: Herr Bürgermeister, zwei Jahre sind Sie jetzt im Amt. Schon müde oder noch voller Tatendrang?
Paul Rösch: Immer noch voller Tatendrang und Begeisterung. Ich fühle mich gefordert und lebendig, auch wenn die Verantwortung oft groß ist.
Haben Sie Ihre Entscheidung, in die Politik zu gehen, nie bereut?
Nein, eigentlich nicht. Natürlich ist die eigene Freizeit schon sehr eingeschränkt. Aber Bürgermeister zu sein ist eine wirklich schöne Aufgabe. Man erhält Einblick in so viele verschiedene Lebenswirklichkeiten.
Nennen Sie uns eine große Freude in den vergangenen zwei Jahren und eine große Enttäuschung?
Am meisten freut mich der Erfolg des heurigen 700-Jahr-Jubiläums und die große Beteiligung und Akzeptanz in der Bevölkerung über Sprachgruppen und Generationen hinweg. Auch das Projekt einer Standseilbahn zwischen Meran und Schenna oder die Schließung der maroden Chemiefabrik Solland Silicon in Sinich erfüllen mich mit Freude – beides ist allerdings noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Große Enttäuschungen gab es eigentlich nicht. Kleinere Ärgernisse oder Rückschläge ja, aber damit kann ich umgehen.
Ihre Gegner haben Ihnen einen so langen Atem gar nicht zugetraut. Mittlerweile sägt aber der Koalitionspartner immer stärker an Ihrem Stuhl. Halten Sie die nächsten Jahre denn noch durch?
Die Zusammenarbeit im Gemeindeausschuss funktioniert zumindest gut, das zeigen auch die Erfolgserlebnisse, die alle Koalitionspartner für sich verbuchen können. Die politischen Spielchen werden häufig außerhalb des Ausschusses gestartet. Das sollte man nicht so ernst nehmen. Ich will mich da nicht wirklich darauf einlassen. Meran will Taten sehen und nicht kleinliche Parteigeplänkel.
Kommen wir zu aktuellen Themen. Das heurige 700-Jahr-Jubiläum soll nachhaltige Impulse für die Stadt setzen. Was hat sich im ersten Halbjahr getan und was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Wie sich der Geist dieses Jubiläums in der ganzen Stadt ausgebreitet hat, ist schon beeindruckend. Vor allem beim Jubiläumswochenende im März hat man ein großartiges „Wir-Gefühl“ gespürt und eine Lebensfreude. Wenn wir so ein Bewusstsein dafür schaffen können, wie schön und lebenswert diese Stadt ist, hat das Jubiläumsprogramm seinen Zweck erfüllt.
Sie haben die beliebte Volksmusiksendung „Mei liabste Weis“ nach Meran geholt. Wie ist Ihnen das gelungen?
Das 700-Jahr-Jubiläum war natürlich ein hervorragender Anlass. Das Interesse des ORF an einer „Jubiläumsausgabe“ zeigt, welche Strahlkraft Meran und die umliegenden Dörfer über die Landesgrenzen hinaus haben.
Ein Dauerthema ist der Küchelbergtunnel. Wie steht es um den 2. Teil der Nord-West-Umfahrung?
Derzeit laufen noch die Ausschreibungen des Landes. Mit dem Beginn der Arbeiten ist Ende des Jahres oder Anfang 2018 zu rechnen.
Sie unterstützen den Plan einer straßen– unabhängigen Verbindung von Meran nach Tirol bis Schenna. Wie soll das gehen?
Durch eine Standseilbahnverbindung, die teilweise unterirdisch durch den Küchelberg verläuft. Eine Machbarkeitsstudie für das Projekt liegt bereits vor. Und was noch viel wichtiger ist: Mit mir stehen nicht nur die beiden Bürgermeister unserer Nachbargemeinden Tirol und Schenna hinter dem Projekt, auch Landeshauptmann Arno Kompatscher will es unbedingt umsetzen.
Ist Ihr Vorschlag, das Land soll das marode und gefährliche Siliziumwerk in Sinich übernehmen, nicht etwas populistisch?
Im Gegenteil. Diese Fabrik funktioniert aus verschiedensten Gründen schon seit Jahren nicht richtig. Eine dahinsiechende Anlage künstlich aufrecht zu erhalten, von der nebenbei eine nicht unerhebliche Gefahr ausgeht, wäre schlicht unsinnig. Ich habe nie behauptet, dass eine Bonifizierung und eine neue Gewerbezone schnell und einfach zu haben sind. Aber nur, weil es anstrengender ist oder länger dauert, sollten wir doch nicht darauf verzichten, den richtigen Weg einzuschlagen.
Meran beteiligt sich am EU-Projekt „Metamorphosis“. Worum geht es dabei?
Unser Ziel ist es, den öffentlichen Raum den Bürgern zurückzugeben. Das Projekt ist einer der vielen Schritte auf diesem Weg. Allzu lange hat die Politik die Straßen und Plätze nur nach dem Auto-Maßstab geplant. Da müssen wir umdenken. Der Mensch kommt vor dem Auto! Wenn es uns gelingt, Meran zu einer attraktiven Wohn- und Lebensstadt zu machen, dann profitieren alle davon.
Was wird aus dem Pferderennplatz und dem Untermaiser Militärareal?
Der Pferderennplatz ist eine einzigartige Infrastruktur in Meran, die viel mehr genutzt werden sollte, beispielsweise für Konzerte und Veranstaltungen. Wir wollen den Pferderennplatz für die Bevölkerung öffnen, ihn zu einem Ort machen, wo die Menschen gern hingehen, wo etwas los ist und geboten wird.
Beim Militärareal in Untermais sind Spekulationen noch verfrüht. Das Gelände geht frühestens 2020 ans Land über. Danach wird es Verhandlungen über den Preis geben. Bei der Diskussion über die Nutzung des Areals wird man auf jeden Fall die Bevölkerung miteinbeziehen müssen. Das ganze Areal bietet ein großes Potential für die Stadtentwicklung.
Wie sieht es mit der Verkehrsberuhigung in der Stadt aus? Ist es unmöglich, den Rennweg darin einzubeziehen?
Es ist überhaupt nicht unmöglich. Diese Idee existiert und wird derzeit überprüft. Langfristig ist es sicher ein Ziel, die Fußgängerzone auszuweiten – denn es zeigt sich überall in Europa, dass die Innenstädte nur dann florieren, wenn der Verkehr möglichst aus den Zentren draußen gehalten wird. Aber man muss auch vorsichtig und Schritt für Schritt vorgehen, um ungewollte negative Effekte zu vermeiden.
Welche größeren Investitionen stehen momentan in Meran im Vordergrund?
Als Einzelprojekt wird die angesprochene Standseilbahn eine größere Investition erfordern. Ansonsten gibt es vor allem im Schulbereich großen Nachholbedarf. Mit verschiedenen Investitionen wie beispielsweise in Obermais und in Sinich versuchen wir, die Meraner Schulen auf Vordermann zu bringen. In Untermais planen wir ein neues Schulzentrum, wo auch die italienische Musikschule ein Zuhause findet. Eine größere Investition ist auch das neue Seniorenheim in der Marconistraße.
Kommen wir noch zu etwas Privatem. Wie haben Sie den Sommer verbracht?
Hauptsächlich mit Arbeit (lacht). Während meines zweiwöchigen Urlaubs waren wir zuerst eine Woche in Kalabrien und dann eine Woche in Österreich unterwegs.
Was würde man Ihnen nicht zutrauen?
Dass mich Kritik und Anfeindungen kalt lassen, wenn ich von einer Sache vollkommen überzeugt bin.
Wer ist für Sie die größte Persönlichkeit der Geschichte?
Mahatma Gandhi.
Wird sich Paul Rösch in drei Jahren einer Wiederkandidatur stellen?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit und auf die kommenden drei Jahre als Bürgermeister.
von Josef Prantl