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In Tisens/Prissian

Bild: TV Tisens-Prissian

Die Gemeinde Tisens schließt die Fraktionen Prissian, Gfrill, Grissian, Naraun, Schernag und Platzers mit ein. In den vergangenen Jahrhunderten war das Gebiet vor allem für Adel und Bürgertum ein äußerst beliebter Rückzugsort.
Seit 2014 ist Christoph Matscher Bürgermeister der Gemeinde Tisens.

Bild: Wehrburg in Prissian

Herr Matscher, ein Jahr vor Ihrer Wahl zum Bürgermeister  wurde die Erarbeitung eines Leitbildes unter dem Motto „Tisens 2020“ in Auftrag gegeben. Haben Sie dieses Leitbild übernommen?
Wir hatten damals viel herumdiskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass die Ausarbeitung eines Leitbildes viel Geld kostet und wir nicht wussten welchen effektiven Nutzen das für uns bringen würde. Infolgedessen ist die Ausarbeitung zurückgestellt worden.

Sie sind ein bürgernaher Bürgermeister und haben Ihr Amt nun seit 3 Jahren inne. Welche  Themen konnten Sie während Ihrer Amtszeit realisieren?
Wir haben keine neuen Themen in unserer Gemeinde auf die Tagesordnung gegeben, sondern haben uns bewusst für die Weiterführung und Weiterausarbeitung der bereits in den vorangegangenen Amtsperioden herauskristallisierten Notwendigkeiten in der Gemeinde entschieden. Ein großes Thema ist der Kindergartenneubau, der schon seit  vielen Jahren immer wieder im Gemeinderat diskutiert worden ist, dann aber doch nicht verwirklicht wurde.

Warum wurde der neue Kindergarten nie realisiert?
Es waren andere Projekte, die hö­here Priorität hatten. Die Erweiterung des Friedhofes, auf dem keine Gräber mehr frei waren. Nachdem wir dieses Projekt abgeschlossen haben, werden wir uns jetzt unserem großen Projekt „Kindergarten“ widmen. Außerdem muss parallel dazu viel anderes weiter vorangetrieben werden, wie zum Beispiel die Verlegung von Glasfaserkabel. Dabei beteiligen wir uns an einem EU-Förderungsprojekt, damit unsere Bürger bald in den Genuss einer stabileren und schnelleren Internetverbindung kommen. Außerdem suchen wir zurzeit eine Lösung für das Vereinshaus in Prissian.

Sie haben den Neubau des Kindergartens angesprochen. Wo sind die Kinder untergebracht?
Zurzeit haben wir einen Kindergarten in Prissian, der an das Ver­eins­haus angebunden ist. Verwaltet wird dieser von der Kindergartengenossenschaft. Laut neuem pädagogischem Konzept  wäre es sinnvoller, den Kindergarten neben der Grundschule zu haben, wofür wir uns im Gemeinderat auch entschieden haben. Gleichzeitig ist zu klären, was mit dem derzeitigen Kindergarten in Prissian geschehen soll, um das Haus weiterhin zu nutzen.

In Bildung wurde in den vergangenen Jahren viel investiert. Wie sieht das derzeitige Bildungsangebot in Tisens aus?
Wie schon erwähnt, gibt es in unserer Gemeinde einen Kindergarten und eine Grundschule. Die Mittelschüler und Musikschüler gehen nach Lana. Besondere Freude bereitet uns das Bildungszentrum „Frankenberg“, das in unserer Gemeinde beheimatet ist, sonst arbeiten wir eng mit unserer Nachbargemeinde Lana zusammen und haben uns mit 10 % am Neubau der Mittelschule in Mitterlana beteiligt.

Das St.-Hippolyt-Kirchlein in Naraun. Foto: Veronika Winkler

Wie sieht es mit der Wirtschaft in Ihrer Gemeinde aus?
Die drei Säulen, auf denen unsere Wirtschaft in der Gemeinde aufgebaut ist, sind allen voran Landwirtschaft, Tourismus und Handwerk. Wobei wir in der Landwirtschaft vor allem von Obstbau sprechen. Kultiviert werden vorwiegend Golden Delicious und Stark Delicious. Im Tourismus sprechen wir vor allem vom „Urlaub auf dem Bauernhof“, wir haben mehrere Appartements- und Privatzimmervermietungen, einige 2-, 3- und 4- Sterne-Hotels und haben eine große Campinganlage mit an­lie­gen­dem Freibad.

Viele Dörfer in Südtirol können trotz ihres Bemühens nicht alle Bürger im eigenen Dorf beschäftigen. Wie ist es in Tisens?
Auch in Tisens haben wir viele Pendler, die täglich nach Meran, Lana oder Bozen zur Arbeit fahren. Wir profitieren vor allem von der direkten Anbindung an die Nalser und die Gampenstraße, durch die wir in weniger als 15 Minuten sowohl über Nals als auch über Lana die MeBo erreichen.

Die ruhige Lage bietet sich auch für Senioren an. Welche Angebote hat Ihre Gemeinde dafür?

Wir haben in unserer Gemeinde ein Altersheim, das als Konsortium betrieben wird, an dem auch die Gemeinden Tisens, Nals, Tscherms und Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix beteiligt sind. Eine weitere Infrastruktur haben wir an die Gemeinde in Völlan ver­mietet, und in Prissian gibt es  das Rehabili­ta­tionszentrum Sa­lus.

Anfang dieses Jahres wurde über Tisens in den Medien viel geschrieben. Unter den Schlagzeilen „Die Welt kommt nach Tirol“ feierte man die Übernahme des Pfarrdienstes durch den afrikanischen Geistlichen Tumaini Ngonyani aus Tansania.
Es ist ganz gut gegangen. Pfarrer  Ngonyani hat sich in unserer Gemeinde gut eingelebt und wird von unseren Bürgern sehr geschätzt. Selbstverständlich gab es von einigen Bedenken. Grund dafür sind auch die 40 Flüchtlinge, die wir in Prissian aufgenommen haben, was zu Anfang einen lauten Aufschrei in der Bevölkerung ausgelöst hat. Nichtsdestotrotz kommen wir mit den Flücht­lingen in der Gemeinde gut zurecht, einige haben sogar schon eine Arbeit oder ein Praktikum begonnen und machen beim lokalen Fußballverein mit.

Die Gemeinde Tisens hat viele Sehenswürdigkeiten. Ein Teil des Jakobsweges geht durch das Gemeindegebiet. Was wären weitere Besonderheiten der Gemeinde?
Wir haben in allen Fraktionen eine Kirche, bekannt sind vor allem die St.-Hippolyt-Kirche in Tisens und die St.-Jakob-Kirche in Grissian, zu denen zwei neue Besinnungswege führen. In Prissian befinden sich auch einige ehemalige Adelsansitze und Schlösser, wie die „Fahlburg“, das ursprünglich „Turm zu Vall“ genannt wurde, oder das bekannte Schloss „Katzenzungen“. Diese Schlösser sind immer einen Ausflug wert. Außerdem haben wir in Prissian und Tisens auch zwei Dorfkerne mit vielen kleinen Gassen und eine Brücke mit einem einzigartigen historischen Brückendach.

Die weltweit bekannte Versoaln-Rebe bei Schloss Katzenzungen in Prissian

Was Persönlichkeiten in der Gemeinde anbelangt, ist der Topathlet im Wintersport Peter Blaas zu erwähnen, der durch seine Erfolge bei den Special Olympics auf sich aufmerksam machte. Worauf sind die Tisner noch stolz?
In der Gastronomie sind wir stolz, mit der passionierten Köchin Anni Matscher die einzige Frau unter den Südtiroler Sterneköchen im Dorf zu haben. Im Handball konnte unsere Mädchenmannschaft in den letzten Jahren in den Kategorien „Unter 12“ und „Unter 14“ immer wieder Podiumsplätze bei der Italienmeisterschaft erspielen. In diesem Jahr mit dem zweiten und letztes Jahr sogar mit dem ersten Platz. Insgesamt spielen alle Jungsportler unseres Sportvereins im Fußball, Wintersport und Handball auf sehr hohem Niveau.

Mit Tisens werden auch die  „Tisner Kastanie“ und die „Versoaln-Rebe“ in Verbindung gebracht.
Die Tisner Kastanie ist ein biologisches Naturdenkmal und unterscheidet sich durch ihre mittelbraune Färbung und die feinen dünnen Streifen auf der Schale und ihrem süßlichen Geschmack sowie festen Kernfleisch von den anderen Südtiroler Kastanien. Das Törggelen und die Herstellung des „Kestenriggls“, einem geflochtenen Schüttelkorb zum Schälen der Kastanien, haben in Tisens eine lange Tradition. In Zusammenarbeit mit unseren Nachbargemeinden veranstalten wir jedes Jahr die traditionellen Kastanientage mit umfassendem Angebot kulinarischer Köstlichkeiten und verschiedenen Festprogrammen. In diesem Jahr finden die Kastanientage in Tisens, Prissian, Völlan und Lana vom 12. Oktober bis 5. November statt. Bei Schloss Kat­zenzungen in Prissian befindet sich ein weiteres Naturdenkmal, die historische Versoaln-Rebe. Diese Rebe ist bekannt als die größte und älteste Rebe der Welt und breitet sich am Nordhang des Schlosses über eine Fläche von 300 m2 aus. Die 360 Jahre alte Rebe wird heute von dem Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg kultiviert und gepflegt. Der aus dieser Rebe gewonnene Wein ist eine Rarität, die in Südtirol einzigartig ist. Beim Traubenblütenfest wird diese alte autochthone Rebe alljährlich gefeiert.

von Philipp Genetti