„Iaz gien mer gien in der Stodt ausn!“

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„Iaz gien mer gien in der Stodt ausn!“

Bernadette Raffl, Willi Pöll, Mathilde Baumgartner  und Rita Pöll als Psairer Kraxnträger und Samerinnen

„Der Passeirer kann seine Heimat nicht ohne Meran und Meran nicht ohne Passeier denken“, schreibt Beda Weber um 1850.

Dass Meran 1317 die erste Stadtordnung erhielt, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass es am Schnittpunkt mehrerer Täler liegt. Die Kontakte zum Hinterland waren besonders für Meran als Marktort wichtig, wobei das Passeiertal als Durchzugstal mit einem Säumerweg über den Jaufen und später über den Timmls eine besondere Stellung einnahm. Übrigens fällt dieses Gedenkjahr 1317 genau mit dem Jahr zusammen, in dem auch zunächst sieben  und später elf Passeirer Schildhöfe von König Heinrich von Böhmen die bekannten Privilegien wie die Steuerbefreiung, das Jagd- und Fischereirecht usw. erhielten. Großteils waren die Höfe bis ins 20. Jahrhundert Selbstversorger, erzeugten also alles, was sie brauchten, selbst. Hatten sie etwas übrig, so tauschten sie oder verkauften die Waren im Dorf oder nach Meran.

Die Säumer
Bereits im 16. Jahrhundert ist belegt, dass es in Passeier einige Dutzend Säumer gab. Samer nannte man die Pferdeführer. Sie brachten Wein, Schnaps, Obst, Öl, Südfrüchte nach Norden und Salz, Leinen, Flachs, Wachs, Pelze, Leder, Glas, Geschirr und vieles andere, wobei Meran oft ein wichtiger Umschlagplatz war. Als Meran ab 1420 nicht mehr Landeshauptstadt war, sondern Innsbruck, mussten die Passeirer vor allem Wein nach Innsbruck liefern.
Neben den Säumern gab es zahlreiche Kraxenträger, die auch über die Pässe gingen, oft bei Schneestürmen.

Die Kraxentrager
Neben den Kraxenträgern, die übers Joch gingen, gab es ein gut funktionierendes Trägerwesen im Tal, vor allem nach Meran. Es waren meist ältere Männer und besonders viele Frauen. Die Männer trugen auf einer Holzkraxe mit Tragriemen auf ihrem Rücken meist 60 bis 80 Kilo. Nicht selten war der Talweg durch Muren unterbrochen und die Stege durch die hochgehende Passer unterbrochen und die primitiven Holzbrücken fortgerissen.

Die Gramplerinnen
Sie kauften die Waren auf Bauernhöfen ein, brachten sie zuerst zu ihrem Wohnort und von dort so schnell wie möglich bis Meran. Kühltruhen gab es ja noch nicht. Im Sommer war das zweimal in der Woche, in der kühleren Jahreszeit einmal. Sie trugen meist in Körben, Rucksäcken oder auf Kra­xen 35 bis 40 Kilogramm an Waren, starteten meist bei Dunkelheit um 2 Uhr in der Früh, er­reichten gegen 7 Uhr Meran und hatten dort ihre feste Kundschaft für Eier und Erzeugnisse wie Butter, Geflügel und auch Strohhüte. Um 11 Uhr waren sie wieder auf dem Heimweg. Diesen Kleinhandel nannte man „Grampeln“ oder „Trogn“. Nach Hause brachten sie im Tragkorb kleine Dinge wie Salat, Knöpfe, Zwirn, Kaffee, Zucker und viel Tabak. Die Frauen brachten auch allerhand Neu­ig­keiten aus dem Tal nach Meran und von dort zurück auf die Höfe, waren also in einer Zeit, wo es kaum Zeitungen gab, auch lebendige Botinnen. Mit dem Aufkommen des Verkehrs in den 50er Jahren änderte sich aber viel.

Fleischlieferungen nach Meran
Die Passeirer kauften Schafe und Ziegen auch aus Kärnten und Ungarn, trieben sie auf die Schafberge im Passeier und Ötztal, oft waren es bis zu 400 Tiere. „Bei drei berühmten Märkten in Meran, zu Martini, Katharina und Thomas, bringen sie diese nach Meran und schlachten sie unter den Lauben. Überall sind blutbefleckte Schlächter zu sehen, abends mit einer brennenden Kerze auf dem Hut und preisen das Fleisch wie Marktschreier an. Man kann sich den widerlichen Geruch vorstellen. Die Märkte dauern jeweils eine Woche“, schreibt der Historiker und Priester Beda Weber. Die Schweine schlachten sie zu Hause und man sieht auf allen Wegen Menschen, die auf dem Rücken ein totes Schwein nach Meran auf den Markt tragen. Auch Rinder und Kälber kamen dazu. Daneben gab es das ganze Jahr über Fleischhandel mit Meran (Strutzerhandwerk).

Holztrift auf der Passer
„Der Wald wächst in Passeier gut, sodass die Passeirer neben dem Eigenbedarf auch Holz ausführen können“. Um 1850 wurde laut Beda Weber Bau- und Brückenholz sowie Weingartholz zum Verkauf in die Stadt geliefert, dazu kamen noch Bretter und 8 Zentner Harz, Beeren und Schwämme dazu. Laut einer Holzordnung aus dem Jahr 1681 verpflichteten sich die Meraner, alles über die Passer hinaus ge­drif­tete Holz aus Passeier zu kaufen, die Passeirer gelobten dagegen, es ausschließlich der Stadt Meran zu liefern. Weil die Passeirer die vereinbarte Menge oft nicht einhalten konnten, gab es Gerichtsverhandlungen.
Das Holz wurde nahe des heutigen Sandplatzes mit eigenen Rechen an Land gebracht (Holzlände) und der Stadtrat legte die Preise fest.

Die gefürchtete Passer
Die Passeirer brachten Meran  nicht nur Gutes: Durch einen Berg­sturz bei Rabenstein (Gspellerberg) wurde 1401 ein See von zwei Kilometern Länge aufgestaut, der so genannte Kummersee. Er brach achtmal aus und richtete große Schäden im Tal und in Meran an. Das erste Mal brach er 1419 aus, dabei wurde die Spitals­kirche zerstört und zahlreiche Kirchenbesucher getötet, das letzte Mal brach er 1774 beim Versuch aus, Wasser abzulassen. Damals war Andreas Hofer sieben Jahre alt. Oft kam man nach solchen Ausbrüchen nirgends auf die andere Talseite und  musste dazu bis zum Steinernen Steg nach Me­ran!

von Albin Pixner, Obmann Museum Passeier