Die Entwicklung einer Immuntherapie gegen Birkenpollenallergie ist Ziel des Interreg-Projekts AppleCare, das heute (15. März) an der Laimburg vorgestellt wurde.
Zur Hauptblütezeit der Birke herrscht in den Augen, Nasen und Hälsen vieler Allergiker Ausnahmezustand: Die Bindehäute sind gereizt und die Schleimhäute geschwollen. Über 70 Prozent aller Birkenpollenallergiker zeigen zudem allergische Reaktionen beim Essen bestimmter Obstsorten, insbesondere von Äpfeln: Juckreiz in Mundhöhle, Rachenraum, auf Lippen, Zunge, bis hin zu den Ohrkanälen. In diesen Fällen „verwechselt“ das Immunsystem gewissermaßen den Apfel mit einem Birkenpollen und löst durch seine Überreaktion das klassische Symptombild der Birkenallergie aus. Diese sogenannten Kreuzreaktion will sich nun das Forschungsprojekt AppleCare zunutze machen, um eine alternative Immuntherapie für die Birkenpollenallergie zu entwickeln: Unter der Leitung von Molekularbiologe Thomas Letschka wollen die Projektpartner Versuchszentrum Laimburg, Krankenhaus Bozen, Universität Innsbruck und Medizinische Universität Innsbruck herausfinden, ob es möglich ist, die Birkenpollenallergie durch den Verzehr von Äpfeln zu therapieren. Finanziert wird das dreijährige Forschungsprojekt vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen des Kooperationsprogramms Interreg V-A Italien–Österreich 2014–2020.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Der Apfel sei für Südtirol von ganz besonderer Bedeutung, betonte Agrarlandesrat Arnold Schuler bei der Pressekonferenz. Immerhin komme inzwischen jeder zweite Apfel Italiens und jeder zehnte Europas aus Südtirol. Darüber hinaus sei der Apfel auch für seine gesundheitsfördernden Eigenschaften bekannt – nicht umsonst gebe es das Sprichwort „Ein Apfel am Tag erspart den Arzt“. Mit AppleCare habe das Versuchszentrum Laimburg nun ein interessantes Projekt auf die Beine gestellt, dass die eventuellen Auswirkungen des Apfels auf Allergien untersucht.
Gesundheitslandesrätin Martha Stocker zeigte sich begeistert von dem interdisziplinären Ansatz, den das Interreg-Projekt verfolgt und so die für Landwirtschaft und Gesundheit zuständigen Ressorts, das Versuchszentrum Laimburg und den Südtiroler Sanitätsbetrieb, aber auch Südtirol und Nordtirol zusammenbringe. Auf diese Weise könne man interdisziplinär zusammenarbeiten und voneinander lernen.
Das Versuchszentrum Laimburg stehe für Forschung in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung und fühle sich daher als Ansprechpartner, wenn es um Äpfel gehe, erklärte der Direktor des Versuchszentrums Michael Oberhuber. Im Projekt AppleCare würden die Kompetenzen des Versuchszentrums Laimburg in Sortenzüchtung, Anbau, Untersuchung der Inhaltsstoffe und molekularbiologischen Methoden und die des Südtiroler Sanitätsbetriebs im Hinblick auf die gesundheitlichen Aspekte zusammengeführt.
Der Apfel als Therapeutikum
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Chemikern und Molekularbiologen im Projekt soll es mit einem interdisziplinären Ansatz gelingen, eine neuartige Immuntherapie gegen die Birkenpollenallergie zu entwickeln, erklärte Projektleiter Thomas Letschka vom Versuchszentrum Laimburg. Dabei machen sich die Forscher einen interessanten Umstand zu Nutze: Im Apfel gebe es Moleküle, die mit jenen Eiweißen der Birke verwandt sind, die allergische Symptome auslösen, erläuterte Klaus Eisendle, Primar der Abteilung Dermatologie am Krankenhaus Bozen. Die Ähnlichkeit der beiden Eiweiße könne bei Birkenpollenallergikern Kreuzreaktionen verursachen, wenn sie Äpfel essen. Diese Kreuzreaktion biete aber auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, Äpfel als therapeutisches Mittel für eine Birkenpollen-Hyposensibilisierung einzusetzen. Im Projekt werden nun jene Apfelsorten und Apfelmengen ermittelt, die sich bei einer kontrollierten Aufnahme zur Behandlung der Pollenallergie eignen. Auf diese Weise könnte der Apfel zum „Medikament“ werden, das für den Patienten erträglicher als die herkömmliche langjährige Immuntherapie und rezeptfrei erhältlich ist.
Landwirtschaft trifft auf Strukturchemie, Molekularbiologie und Immunologie
AppleCare verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, in dem klinische Studien mit molekularbiologischen und strukturchemischen Analysen verbunden werden. Die Idee dazu entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen Klaus Eisendle, Primar der Abteilung Dermatologie am Krankenhaus Bozen, und Thomas Letschka, der am Versuchszentrum Laimburg den Fachbereich für Angewandte Genomik und Molekularbiologie leitet. Das Versuchszentrum Laimburg stellt Probenmaterial von über 30 Apfelsorten zur Verfügung und quantifiziert die Synthese einzelner Allergenformen mit molekularbiologischen und biochemischen Methoden. An den Abteilungen für Dermatologie des Krankenhauses Bozen und der Universitätsklinik Innsbruck werden klinische Studien an betroffenen Patienten durchgeführt, um mittels Hauttests, Bluttests und oralen Expositionstests das Allergenpotenzial verschiedener Apfelsorten zu ermitteln und jene Kandidaten zu identifizieren, die für eine erste Testtherapie geeignet sind. Auch eine grenzüberschreitende Datenbank von Patienten, die unter inhalativen Allergien leiden, soll erstellt werden. Das Institut für Organische Chemie der Universität Innsbruck untersucht die strukturchemischen Ähnlichkeiten zwischen dem Birkenpollenallergen und den Apfelallergenen und deren Bindungseigenschaften an Antikörper. Ziel aller Analysen ist es, eine Antwort auf folgende Frage zu finden: Welche der über 30 verschiedenen Apfelallergene tragen vorwiegend zu einer Allergie bei und haben die größte Ähnlichkeit mit dem Birkenpollenallergen? Sind die besten Kandidaten identifiziert, wird deren Konzentration in verschiedenen Apfelsorten gemessen. Dies soll es dann erlauben, einen geeigneten Therapieansatz zu entwickeln.
Hilfe für Apfelallergiker
Darüber hinaus wollen die Forscher auch Apfelsorten identifizieren, die ein geringes allergisches Potenzial haben und damit auch für Apfelallergiker unbedenklich sind. Verläuft alles wie geplant, können nach Ende des Projekts in zwei Jahren vielleicht schon „Allergiker-freundliche“ Apfelsorten empfohlen werden. Um das Immunsystem möglichst schnell an den Apfel zu gewöhnen, sollte man übrigens Kleinkindern schon ab dem dritten Lebensmonat geriebenen Apfel zu essen geben. Dann entwickle sich die Allergie erst gar nicht, erläuterte Primar Eisendle.
Ein Video mit Interviews mit Projektleiter Letschka und Primar Eisendle von Laimburg-Mitarbeiterin Anna Saccoccio kann auf diesem Link heruntergeladen werden. (LPA)