Der Strom kommt aus der Steckdose. Doch wie kommt er da hinein? In Moos wissen das schon die Kinder. Die Gemeinde im Hinterpasseier erzeugt schon lange ihren eigenen Strom, und seit kurzem gibt es für alle schnelles Glasfaser-Internet.
Ein bisschen stolz dürfen die Mooser schon sein. Was sie da geleistet haben, ist vorbildlich und kann modellhaft für den ländlichen Raum in ganz Europa sein. Hand aufs Herz: Wer würde nicht gern unabhängig sein, wenn es um die Energieversorgung geht? Die Mooser sind es. Dazu kommt noch, dass sie mit den Erlösen aus den 2 Wasserkraftwerken den Bürgern Stromtarife bieten können, die kaum zu schlagen sind.
Theodor Lanthaler leitet seit zwei Jahren die Energie- und Umweltdienste Moos (EUM). Hinter den drei Buchstaben verbirgt sich die Vision beherzter Männer, darunter der ehemalige Bürgermeister Willi Klotz, der langjährige EUM-Geschäftsführer Hubert Brunner und der jetzige Präsident Christian Gufler. Die Idee der Gründungsmitglieder war im Grunde simpel: da rauscht vor der eigenen Haustür die Passer vorbei und wir nutzen ihre Kraft nicht zur Stromerzeugung! Von Wasserkraftwerken verstanden sie zwar nicht allzu viel, aber Mut hatten die Mooser allemal. 2002 wurden die Energie- und Umweltdienste Moos, kurz EUM, aus der Taufe gehoben: eine Genossenschaft mit dem Ziel, ein Wasserkraftwerk zu bauen und dadurch allen Familien im Dorf günstigen Strom zu liefern. Mehrere Millionen Euro kostete das Werk, „die Bevölkerung ist zu 100 % eingebunden worden und dahinter gestanden“, erinnert sich Theo Lanthaler. Es ist dieser Zusammenhalt in Moos, der die EUM zu einer Erfolgsgeschichte macht. Teilhaber am E-Werk sind die Gemeinde mit 22 %, die EUM mit 53 % und die Alperia, die 25 % hält.
Erneuerbare Energie durch Wasserkraft
Wasserkraft gilt als eine der bedeutendsten erneuerbaren Energiequellen, gerade bei uns. Sie ist klimaneutral, effizient und eignet sich in Südtirol aufgrund der gebirgigen Landschaft und der zentralen Lage in den Alpen besonders gut für die Nutzung zur sauberen Energieherstellung. Wasserkraft ist umweltverträglich, produziert keinerlei Emissionen von Treibhausgasen, ist eine der kostengünstigsten Energieformen und historisch schon lange ein wichtiger Lieferant von Elektrizität. Der Wasserreichtum und die an Gefälle reiche Landschaft sind Südtirols Segen. Schon sehr früh hat der Mensch erkannt, dass man die Fließgeschwindigkeit des Wassers zum Betrieb von Maschinen nutzbar machen kann. Der Mühlstein, der das Korn zu Mehl verarbeitet, wurde bereits vor Hunderten von Jahren durch ein Wasserrad in Bewegung gesetzt. Die Entwicklung der Technik ermöglichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Antrieb von Generatoren und Turbinen. Südtirols erstes Großkraftwerk auf der Töll feiert heuer seinen 120. Geburtstag.
Energieautark und unabhängig
2006 war es in Moos so weit: das EUM-Kraftwerk „Bergkristall-Stieber“ ging in Betrieb. Es erzeugt jährlich rund ca. 40 Millionen Kilowattstunden Strom, dazu kam 2011 das E-Werk „Rabenstein“. „Gemeinsam erzeugen sie je nach Niederschlag an die 52 Millionen Kilowattstunden, das würde für ca. 18.000 Durchschnittshaushalte reichen“, rechnet Theo Lanthaler vor. Mit dem Stromgeschäft fließen einige Euros jährlich in die Kassen der EUM, der Gemeinde und der Alperia. Wie viel möchte Lanthaler nicht sagen, nur so viel, „bis zu 100.000 € schüttet die EUM jährlich an die örtlichen Vereine an Beiträgen aus“. Im Grunde sind alle Mooser Familien Mitglieder der Genossenschaft. Und freuen sich natürlich über die günstigen Stromtarife, seit neuestem aber auch über schnelles Internet. „Wir können jeden Hof, wenn er will, mit Glasfaserkabel vernetzen“, schwärmt Lanthaler und rechnet vor: 20 MB Download und 20 MB Upload. Die Zwickauer Hütte auf 3000 Metern wurde kürzlich mit Strom und Glasfaser versorgt. Wer nach Strommasten im Mooser Gemeindegebiet sucht, wird sich auch schwertun. Das gesamte Verteilernetz wurde in den vergangenen Jahren unterirdisch verlegt. Ob Strom- oder Internetanschluss, in Moos geht alles schnell und unbürokratisch. Dafür sorgen die 19 Mitarbeiter der EUM. Dazu kennt man sich noch und weiß genau, wen man zu fragen hat, wenn einmal etwas nicht funktioniert.
Lebenswertes Moos
Wer die Timmelsjochstraße heute hochfährt, trifft auf eine florierende Berggemeinde. Mit seinen Fraktionen Pfelders, Platt, Rabenstein und Stuls ist Moos flächenmäßig eine der größten Gemeinden Südtirols. Sichere Arbeitsplätze für die Bevölkerung zu schaffen, steht im Leitbild der EUM. Durch neue Tätigkeitsfelder wurde dies möglich. So führt die Genossenschaft seit 2013 an der Timmelsjochstraße eine eigene Tankstelle mit dem wohl günstigsten Benzin und Diesel südtirolweit. 2015 wurde der neue Genossenschaftssitz unterhalb der Tankstelle eröffnet samt Autowerkstatt und hauseigenem Bauhof für die 5 Betriebselektriker. In Pfelders führt die EUM ein Fernheizwerk aus Biomasse und ein Geschäft, den „Lodn Pfelders“, „denn die Nahversorgung im Hinterpasseier zu sichern, war uns immer sehr wichtig“, sagt Lanthaler. Ein weiteres EUM-Geschäft mit sehr treuer Kundschaft befindet sich in Platt.
Was die Zukunft bringt? „Wenn es um nachhaltige und erneuerbare Energie geht, sind wir für innovative Projekte immer aufgeschlossen“, so der EUM-Geschäftsführer, ohne ins Detail zu gehen. Mehrere Ideen schwirren ihm dabei durch den Kopf. Konkret in Planung ist ein Schaumuseum am Passerschluchtenweg, das die Stromgeschichte von Hinterpasseier aufzeigen wird.
Drei Fragen an Theodor Lanthaler, Geschäftsführer der EUM
BAZ: Welche Vision steckt hinter der EUM?
Theodor Lanthaler: Die Genossenschaft wurde vor 16 Jahren mit dem Ziel gegründet, den Mooser Familien saubere Energie zu vorteilhaften Preisen zu liefern. Die Kraft der Passer, die durch das Gemeindegebiet fließt, sollte für die Stromerzeugung genutzt werden. Es ging aber auch darum, Sicherheit in der Energieversorgung zu erhalten, ein bisschen energieautark zu werden und vor allem den Hinterpasseirer Familien Perspektiven zu bieten, indem sie gern hier arbeiten und leben.
Es ist schon beeindruckend, dass sie bis auf 3000 Metern schnelleres Internet haben als in so manchen Stadtzentren.
Darauf sind wir auch sehr stolz. Wir haben im gesamten Gemeindegebiet ein Breitbandnetz aufgebaut, das auf Glasfaserkabel beruht. Da wir unser gesamtes Stromnetz schon lange unterirdisch verlegt hatten, war es kein großer Aufwand, die Glasfaserkabel dazu zu ziehen. Um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, haben wir mit der Telmekom in Lana eine Konvention abgeschlossen.
Was ist in Ihren Augen die größte Leistung der EUM?
Der Zusammenhalt der Bürger in Moos ist beeindruckend. Nur wenn ein Dorf zusammenhält, lassen sich Visionen verwirklichen. In diesem Sinn können wir als EUM weiterarbeiten und unserem Auftrag gerecht werden.
von Josef Prantl