Seit 1923 ist Obermais ein Ortsteil von Meran, behielt allerdings seinen bürgerlich-dörflichen Charakter und ist besonders für seine vielen Schlösser und historischen Anwesen bekannt. Die Wirtschaft von Obermais konzentriert sich vor allem rund um das historische Dorfzentrum, wo sich auch der Brunnenplatz befindet.
Durch den aufblühenden Tourismus hatte Obermais in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, sodass die Bevölkerungszahl in den Jahren 1870 bis 1900 auf das Dreifache anstieg. Das war für den Gemeindeausschuss Grund genug, sich um ein eigenes Rathaus umzusehen, nachdem man sich bis dahin in einem der Gasthäuser oder in Privathäusern zur Besprechung getroffen hatte. In der „Chronik von Mais“ wird der geplante Bau eines Rathauses, das inmitten der Ansitze und Hotels im historischen Ortszentrum entstehen sollte, am Heiligen Abend des Jahres 1896 erstmals erwähnt. Es war der Tag, an dem die Gemeinde vom Tiroler Landesausschuss die Bewilligung erhielt, eine Finanzierung zum Ankauf des „Tschamperhofes“ aufzunehmen, um dort das neue Rathaus zu errichten. Die feierliche Eröffnung des Rathauses fand dann am 8. März 1900 statt. In den oberen Etagen des neuen Rathauses befanden sich die Verwaltungsräume, während im Erdgeschoss einige Wohnungen und Verkaufsläden vermietet wurden. Im Juni 1922 entstand dann im Nebenraum des Ratssaales der Bankschalter der neu gegründeten Raiffeisenkasse Obermais und Hafling, der bis in die 1950er Jahre hinein in Betrieb war.
Zusammenschluss mit Meran
Nachdem die „Gazzetta Ufficiale“ Nr. 250 am 24. Oktober 1923 das Dekret der Eingemeindung in Italien veröffentlicht hatte, war klar, dass auch die Gemeinden rund um Meran, konkret die Gemeinden Obermais, Untermais und Gratsch zur Großgemeinde Meran zusammengeschlossen würden. Die letzte Sitzung der Gemeindevertreter von Obermais fand am 7. Dezember 1923 statt. In der „Chronik von Mais“ ist ein Auszug der emotionalen Abschiedsrede des damaligen Gemeindevorstehers Johann Jennerwein dokumentiert. Darin heißt es: „Die Auflösung der Gemeinde Obermais erfolgt im außergesetzlichen Wege gegen den allgemein bekundeten Willen der Bevölkerung durch einen Gewaltakt. Die Geschichte wird in ruhigeren Zeiten das gerechte Urteil fällen.“ In der Nachkriegszeit hat sich Obermais aber immer mehr zu einem attraktiven Stadtteil von Meran entwickelt und als solcher auch etabliert. Obermais behielt auch ohne eigene Gemeindeverwaltung den Flair, den es schon immer hatte, nämlich jenen des Meraner Villenviertels mit bürgerlich-dörflichem Charakter.
Die Geschichte des Brunnenplatzes
Der Brunnenplatz kennzeichnete seit jeher das Zentrum von Obermais. Sein Wahrzeichen ist der Dorfbrunnen. Dieser ist bereits 1495 erstmals urkundlich erwähnt und auf Beschluss der Dorfbrunnen-Interessentschaft 1889 aus Trienter Marmor neu errichtet. 1970 wurde der Brunnen abgebrochen und durch einen neuen Brunnen aus Granit ersetzt. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt der Brunnenplatz mit dem zweiten Neubau der Landessparkasse im Jahr 2005. Der 2007 fertiggestellte „neue“ Dorfbrunnen fand bei der Obermaiser Bevölkerung sehr wenig Zuspruch. Deshalb bildete sich die Initiative „Schenk dem Brunnenplatz einen Brunnen“. Ein „Brunnenkomitee“ sammelte Unterschriften und lud zu Bürgerversammlungen ein, um dem Brunnenplatz seinen historischen Charakter zurückzugeben. Aufgrund dieser Initiative, einer tatkräftigen Unterstützung der Stiftung Südtiroler Sparkasse und den Spenden vieler Obermaiser Bürger kam es 2015 zur Errichtung eines neuen Brunnens. Der alte Brunnen wurde abgetragen und ein neuer Brunnen errichtet, der nun zum neuen Wahrzeichen des historischen Dorfkerns wurde.
Der Wirtschaftsstandort
Wenn Obermais seinen Stand als eigenständige Gemeinde in den 1920er Jahren auch abtreten musste, so behielt der Ortsteil dennoch weiterhin seinen dörflichen Charakter. Das historische Zentrum zwischen den Kreuzungen „Cavourstraße“ und „Schafferstraße“ hat bis heute nicht seinen Reiz verloren. Vor allem die Neugestaltung der dortigen Straße mit seinen Kurzzeitparkplätzen, dem breiten Gehweg und der modernen Straßenbeleuchtung erwiesen sich als richtige Entscheidung der Stadtverwaltung. In Obermais findet man alles, was man beim täglichen Einkauf braucht. Es gibt einen Brot- und Milchwarenladen, ein Papierwarengeschäft, ein Fotofachgeschäft, eine Metzgerei, einen Obst- und Gemüseladen, ein Designerbüro, ein Versicherungs- und ein Telefonserviceunternehmen. Dazu mehrere Einkehrmöglichkeiten und eine Apotheke. Im Anschluss an die Obermaiser Einkaufsmeile befindet sich die Cavourstraße mit der Postfiliale, einem Supermarkt, einer Notariatskanzlei, einem Zahnarzt und einigen Cafés. In unmittelbarer Nähe der Raika-Filiale haben sich außerdem einige Handwerker niedergelassen, zwei weitere traditionelle Handwerker gibt es auch oberhalb des Brunnenplatzes. Im Sparkassengebäude selbst haben sich Dienstleister niedergelassen. Sehr geschickt geplant ist auch der öffentliche Parkplatz hinter dem Gebäude, der eine geradezu ideale Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes garantiert.
Veranstaltungen & Märkte
Der historische Dorfplatz beim Obermaiser Brunnen befand sich einst an der Tanzgasse. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Standort auch heute noch für viele kulturelle und religiöse Veranstaltungen genutzt wird. Höhepunkte im Jahresverlauf sind das Obermaiser Dorffest der Blasmusik, die Obermaiser Wirtschaftsschau „Obermais erleben“, wie auch die traditionelle Nikolausfeier. Der Bauernmarkt von Obermais findet jeweils mittwochs statt und bietet lokalen Bauern die Gelegenheit, ihre Ware zu verkaufen.
Für die jungen Obermaiser
Die Idee, eine Skaterampe am Brunnenplatz zu errichten, entstand aus einem Visionsworkshop, den das Team des EU-Projekts „Metamorphosis“ mit rund 30 Obermaiser Erwachsenen und Jugendlichen veranstaltet hatte. Ziel war es, eine Möglichkeit zu finden, um das „Wildparken“ auf dem Platz einzudämmen. In einer Presseaussendung erklärte Monica Carmen von der Projektgruppe dazu: „Viele Anregungen können wir als Metamorphosis Meran nicht umsetzen, weil sie Eingriffe in die Verkehrsregelung bedeuten würden oder mit hohen Kosten verbunden wären. Die Idee mit der Skaterampe, die von den Jugendlichen stammt, war hingegen sofort realisierbar.“ Für die Jugendlichen von Obermais war die Absegnung ihres Projekts ein großer Erfolg. In Absprache mit den Standbetreibern des Bauernmarktes errichteten die Jugendlichen vom Jugendtreff Obermais und zwei Tischler aus Gambia und Guinea die Skaterampe und damit einen neuen Treffpunkt für die Obermaiser Stadtviertelbewohner. Die Skaterampe soll bis Ende 2018 bestehen bleiben. Anschließend hofft der Stadtviertelrat den Sonderbeitrag für Obermais in eine permanente Skaterampe im Schulhof hinter dem Platz investieren zu können.
Die Meraner Festspiele
Seit im Sommer 2018 die ersten „MeranerFestSpiele“ auf Schloss Winkel in Obermais erfolgreich über die Bühne gingen, ist der Veranstaltungskalender von Meran um einen kulturellen Höhepunkt reicher. Wie bekannt, zog der Initiator und Gründer der Schlossfestspiele Dorf Tirol Luis Zagler nach seinem Erfolgsstück „Die Verfolgten“ im Jahr 2017 mitsamt seinem Festspielkonzept 2018 nach Meran. Damit holte er nicht nur das oberhalb des Winkelweges gelegene Schloss Winkel aus seinem Dornröschenschlaf, sondern rief auch ein Meraner Festspielkonzept ins Leben. Die Erstaufführung des Stückes „Die Erbinnen“ im Innenhof von Schloss Winkel war ein gelungener Auftakt. Mit Schauspielern wie Theo Rufinatscha, Oswald Waldner, Monika Pallua und Richard Angelini, sowie zahlreichen Laienschauspielern aus dem Burggrafenamt und einem Profiregisseur aus Deutschland begeisterten die MeranerFestSpiele das Theaterpublikum. Im kommenden Jahr soll es eine Fortsetzung der MeranerFestSpiele geben. Bleibt zu hoffen, dass auch in den kommenden Jahren die Festspiele in Obermais stattfinden können.
Schlösser als Zeitzeugen
Schloss Winkel ist eines der vielen Schlösser und historischen Ansitze von Obermais. Das wohl bekannteste und symbolträchtigste ist Schloss Trauttmansdorff, das durch die Errichtung der Gärten von Trauttmansdorff zu einem Anziehungspunkt geworden ist. Hier befindet sich das Touriseum. Es ist das einzige Schloss, das zu einem öffentlichen Museum umgestaltet wurde. Neben Schloss Trauttmansdorff und Schloss Winkel hat Obermais noch Schloss Rosenegg, Schloss Knillenberg, Pienzenau, Schloss Rubein, Schloss Reichenbach und Rundegg aufzuweisen. Alle diese Ansitze und Schlösser zeugen wie beliebt der Standort für das mittelalterliche Großbürgertum war.
Ein Museum für Obermais
Als der Sammler und Weinhändler Franz Fromm 1905 mit seiner Familie nach Meran zog, war die Kurstadt in Deutschland bereits so bekannt, dass sie unter vielen als „Vorort Berlins“ bezeichnet wurde. Siebzehn Jahre lang zog der Witwer mit seinen Kindern, zwei Gouvernanten und mehreren Dienstboten von einer Villa zur Nächsten und lebte zeitweise auch in einigen Schlössern in Obermais, bis er 1922 die Villa Freischütz erwarb. Gleichzeitig fand er hier auch ein Zuhause für seine internationale Sammlung, die, dank seiner Enkelin Rosamaria Navarini, bis heute noch vollständig erhalten ist. Nachdem Frau Navarini in ihrem Testament verfügt hatte, dass die Schätze ihres Großvaters in einem Museum in der Villa Freischütz der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten, setzte die Stiftung Navarini-Ugarte ihr Anliegen in die Tat um und begann mit der Errichtung des Museums. Am 20. April 2019 soll das neue „Hausmuseum“ feierlich eröffnet werden. Dabei hofft der Stiftungsrat vor allem auf die tatkräftige Unterstützung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Der Park soll hingegen als Austragungsort für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden und Museumsbesuchern auch die Möglichkeit zum Picknicken bieten. Die Erreichbarkeit des neu errichteten Museums ist sowohl durch die Bushaltestelle an der Schennastraße als auch jener an der Vergilstraße bestens gegeben.
Die Arche von Obermais
Da es für viele Geschichten aus dem Dorfgeschehen keine schriftliche Quelle gibt, suchten wir das Gespräch mit Zeitzeugen und Dorfbewohnern. Dazu gehört auch die Geschichte um die Obermaiser Arche Noah. Mitte der 1960er Jahren befürchtete ein Obermaiser Landwirt den bevorstehenden Weltuntergang und beschloss eine Arche zu bauen. Bald darauf begann er oberhalb der Talstation der Seilbahn Falzeben-Meran 2000 seine Arche nach biblischen Maßangaben zu bauen. Das Projekt musste dann allerdings aus gesundheitlichen Gründen des Bauern abgebrochen werden. Wenig später verstarb der Bauer. Seine Geschichte allerdings wird bis heute noch in Obermais gern erzählt.
von Philipp Genetti