Das 23. MeranoJazz-Festival – organisiert von der Gemeinde Meran lockte im Juli wieder zahlreiche Jazzbegeisterte nach Meran.
Drei Konzerte im Untermaiser KiMM boten die Möglichkeit, angesehene internationale Jazzkünstler hautnah zu erleben. Beim Festival ging auch die Jazzakademie heuer in die 18. Runde. Vom 10. bis 14. Juli waren Anfänger und Profimusiker eingeladen, die Jazzkunst näher kennenzulernen. Organisiert wird der internationale Jazzworkshop vom Verein Muspilli. In den vergangenen 18 Jahren haben über 60 renommierte Musiker und Jazzlehrer Europas, der USA, Kanadas, Burkina Fasos, Kubas, Großbritanniens und Australiens in Meran über 1000 Amateur- und Profimusiker im Jazz unterrichtet. Geleitet werden die Kurse vom Meraner Franco D᾿Andrea, einem der bedeutendsten Jazzmusiker Europas, und Ewald Kontschieder.
Ganz Meran steht im Juli alljährlich im Zeichen des Jazz! Ein Gespräch mit dem Kulturmanager Ewald Kontschieder über den Jazz und dessen Bezug zu Meran.
BAZ: Was ist eigentlich der Jazz?
Ewald Kontschieder: Wesentliches Kennzeichen des Jazz ist die Improvisation und das Zusammenspiel. In der klassischen Musik oder in der Popmusik bestimmt die Partitur das, was vorgetragen wird. Im Jazz dient hingegen der geschriebene Teil nur als Basis für ein Stück, dessen Hauptkomponente die Unvorhersehbarkeit und die individuelle Gestaltung ist. Für mich ist Jazz ein Sinnbild für das Aufeinander-Hinhören, für ein Zusammenspiel, das der Kreativität Raum lässt und Kulturen verbindet. Im Jazz finden sich nordamerikanische, afrikanische und europäische Wurzeln. Die Melodik und Harmonie sind angeregt oder übernommen von der europäischen Musikkultur, während die Polyrhythmik und die swingenden Elemente afrikanischen bzw. afroamerikanischen Ursprungs sind.
Was fasziniert Sie am Jazz?
Das offene, freie Zusammenspiel von gleichwertigen Musikern und die Möglichkeit, der eigenen Stimme einen ganz individuellen Ausdruck zu verleihen. Nichts ist mechanisch, dem kreativen Spiel sind keine Grenzen gesetzt. Das Zusammenspiel, das Aufeinander-Hören sind Ausdruck eines ständig neu entstehenden Dialogs.
Vielen Menschen ist leichtere Kost wie Pop, Rock, Schlager oder Volksmusik näher. Führt der Jazz in unserer Gesellschaft nicht ein Nischendasein?
Spätestens seit den 1980er Jahren ist Jazz weltweit eine etablierte Kunst- bzw. Konzertsaal-Musik mit hohem künstlerischem Anspruch. Er hat den Stachel des ursprünglich Anarchisch-Politischen und Provokatorischen des Free Jazz zwar verloren, so aber auch sein Nischendasein verlassen. Ein guter Jazzmusiker braucht heute fundierte musikalische Kenntnisse, ein gutes Handwerk. Während Pop, Rock oder Schlager jedem sofort ins Ohr gehen und es dafür nicht unbedingt große Musikkenntnisse braucht, ist dies beim Jazz anders. Im Unterschied zur Klassik hat sich Jazz allerdings nicht zur übersubventionierten Hochkultur entwickelt und gleichzeitig kommerziell nicht die Ebene der erfolgreichen Pop-Rockmusik erreicht. Jazz findet in einem Zwischenraum statt. Er füllt selten große Konzerthallen und damit lässt sich auch nicht das ganz große Geld verdienen.
Was hat unsere Kultur mit Jazz zu tun?
In Meran gibt es seit den 1930er Jahren eine Jazzszene, die mit Franco D᾿Andrea seit den 1950er Jahren einen weltweit renommierten Jazzmusiker vorzuweisen hat. Die damals getanzte Tanzmusik war der Swing, eine wichtige Richtung im Jazz. Die Frage ließe sich aber auf alle Musikstile anwenden. Was hat Tirol mit Rock, Pop oder Klassik zu tun? Jazz ist allerdings wie unsere Volksmusik lange Zeit nur mündlich tradiert worden. Und Jazz war immer schon kulturübergreifend. Es lässt sich durchaus eine Beziehung zu traditioneller Musik knüpfen. Herbert Pixner zum Beispiel greift in seinem virtuosen Spiel häufig Elemente aus dem Jazz auf.
Sie und Franco D’Andrea waren die treibenden Kräfte zur Gründung einer Jazzakademie in Meran. Wie kamen Sie auf die Idee, den Jazz nach Meran zu holen?
Ich lernte Franco D᾿Andrea über meine publizistische Tätigkeit als Musikkritiker bei einem Konzert Anfang der 1990er Jahre kennen. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Ein weiterer Grund war, dass ich selbst lange Zeit als Bassist weit weg gehen musste, um Jazzlehrgänge zu finden. In unserer Gegend gab es nichts. Rock und Pop zu spielen, reicht auch einem jungen Musiker oft nicht mehr und er sucht nach neuen musikalischen Herausforderungen.
Der Meraner Ehrenbürger Franco D’Andrea genießt internationalen Ruf.
Franco D᾿Andrea ist mehrfach ausgezeichnet worden und scheint bereits in den 1970er Jahren in den Jazzlexika der USA als bedeutender Jazzmusiker auf. Neben verschiedenen Ehrungen und Preisen gewann er seit 1982 wohl ein Dutzend Mal in Italien den Preis des Musikers des Jahres. Die französische Académie du Jazz in Paris würdigte 2011 sein Lebenswerk mit dem Prix du Musicien Européen. Meran ehrte ihren großen Sohn 2016 mit der Ehrenbürgerschaft.
Vom 10. bis 14. Juli organisierte die Mitteleuropäische Jazzakademie heuer wieder eine Reihe von Kursen und Workshops mit renommierten internationalen Musikern. Wer ist das Zielpublikum und wie verlief die Woche?
Unsere Kurse richten sich an alle Musikinteressierten, Profis wie Amateure.
Herzlich willkommen sind kreative Menschen mit einem offenen Geist. Angeboten werden Instrumental-, Rhythmus- und Combounterricht. Ergänzend werden ein Gesangskurs und sogenannte „Master Classes“ mit Franco D᾿Andrea und einem außerordentlichen Artisten, heuer war es der herausragende Posaunist Ray Anderson, geboten. Unsere Jugendkurse heißen „Teens’ Corner“ und sind für Jugendliche bis ca. 16 Jahre gedacht.
Teilnehmen können Kinder ab 9 – 10 Jahren mit einer gewissen Sicherheit und Erfahrung auf ihrem Instrument.
Der organisatorische Aufwand muss sehr groß sein. Was macht Ihnen besonders zu schaffen?
Das stimmt. Es ist ein großer Aufwand, die Jazzakademie, die es nun schon seit 18 Jahren gibt und an der in diesen Jahren rund 1000 Teilnehmer teilgenommen haben, zu organisieren. Am meisten zu schaffen machen uns die Finanzierung und der bürokratische Aufwand. Es bleibt unser großer Wunsch, dass wir es schaffen, stärker im Meraner und Südtiroler Kulturleben verankert zu werden, sodass wir nicht jedes Jahr um die Beschaffung der Mittel kämpfen müssen. Ich bin überzeugt, dass in Südtirol ein oder mehrere alljährliche Jazzlehrgänge ihren Platz haben sollten.
Was waren für Sie rückblickend auf 18 Jahre Jazzakademie besondere Höhepunkte?
An erster Stelle fallen mir da die vielen fantastischen Musiker ein, denen ich begegnen durfte. In Erinnerung geblieben ist mir unter anderen der US-amerikanische Trompeter und Komponist Dave Douglas. Neben den top Lehrern sind es aber ebenso die herzlichen und offenen Menschen von 8 bis 80 Jahren, die ich kennenlernen durfte. Wer einmal bei der Jazzakademie mitgemacht hat, spürt diesen kreativen, offenen Geist, der uns alle erfasst. Besonders wertvoll empfand ich immer den interkulturellen Austausch. Wir hatten Lehrer aus allen Erdteilen dabei und sind häufig dreisprachig unterwegs. Heuer war Mamadou Diabaté unser Gast. Der Westafrikaner wurde in einer traditionellen Musikerfamilie der Sambla in Burkina Faso geboren, wo Musizieren und Geschichtenerzählen seit Menschengedenken als Familienberuf ausgeübt wurden.
Parallel zur Akademie läuft das MeranoJazz-Festival. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Über Franco D᾿Andrea, der mit dem künstlerischen Leiter von MeranoJazz, Vincenzo Costa, befreundet ist. Schon von Anfang an war klar, dass Jazzakademie und Jazzfestival parallel laufen sollten. Musiker des Festivals sind gelegentlich Gastlehrer an der Jazzakademie, heuer war dies zum Beispiel Ray Anderson.
Die Musiker und Gruppen, die bei der 23. Ausgabe des Meraner Jazzfestivals zu hören waren, gehören zu den berühmtesten weltweit. Wer war heuer alles dabei?
Der brasilianische Sänger und Komponist Ivan Lins war für viele ein besonderes Hörerlebnis mit Unterhaltungswert. Seine Musik ist von brasilianischen Melodien und Rhythmen inspiriert. Er spielte schon an der Seite von Stars wie Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Barbra Streisand oder Chaka Khan und gewann einen Grammy Award für „She Walks This Earth“. Die meisten kennen den Song in der Version von Sting. Der zweite Star war die Kontrabassistin Linda May Han Oh, die bereits mit Pat Metheny 2018 in Meran zusammenspielte. Die in Malaysia geborene und in Australien aufgewachsene Musikerin trat mit drei weiteren Jazzstars im Untermaiser KiMM auf. Für eingeweihte Jazzliebhaber waren der Schlagzeuger Bobby Previte und seine „Classic Bump Band“ mit Ray Anderson an der Trompete ein Muss. Parallel zum Festival gab es noch vier Workshop-Konzerte und -Meetings der Jazzakademie, darunter mit Ray Anderson und Mamadou Diabatè und Hamidou Koita.
Kann man sagen, dass der Jazz mittlerweile in Meran zur fest verankerten Tradition geworden ist?
Auf alle Fälle! Angefangen mit der Swing-Ära in den 1930er Jahren hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine relativ rege Jazzkultur entwickelt. Meran und der Jazz gehören zusammen, auch wenn es wenige Plätze für Livemusik in der Stadt gibt.
Wie geht es mit der Jazzakademie weiter?
Wir hoffen, dass unsere Arbeit Wurzeln schlägt und wir öffentlich die Unterstützung erhalten, die wir brauchen.
von Josef Prantl
Das Musik-Mosaik
Ein Essay von Toni Haller Pixner
Ein Musik-Mosaik umspannt unseren Globus: Töne, Klänge, Harmonien, Melodien, Geräusche. In den Weltmeeren verständigen sich Walfische mit geheimnisvollen Klangsignalen, Delfine unterhalten sich melodisch-schnatternd. In den Lüften singen Vögel, Fledermäuse senden Echolotsignale, Adler krächzen.
Auf dem Festland trompeten Elefanten, pfeifen Murmeltiere, zischen Schlangen. Menschen hören ihre Lieblingsmusik – oder erzeugen sie selbst. Jedem das Seine, jedem seine Art der Musik, ob Schlager, Volksmusik, ob Rock, Pop, Jazz, ob Klassik, Reggae, Trance, Break-Dance, ob a-tonale Musik, ob Krach oder sanfte Klangschalen-Meditation. Eine jede, ein jeder kann sich sein farbiges Mosaik-Steinchen an Musik herauslösen, es begeistert drehen und wenden, sich beschallen lassen, fasziniert, Glück und Heilung empfindend, Harmonie fühlend (Beruhigungs-Pille) oder als Aufputschmittel, um eine schleichende Depression zu verscheuchen. Wir tanzen, stampfen zur Musik, trampeln uns unseren Frust von der Seele.
Warum hören Menschen gerne Musik? Warum füllen sich Konzertsäle, warum strömen im Sommer tausende zu Open-Air-Festivals (Jazz, Rock, Pop, Klassik) oder zum Volksmusikfest in die Dörfer? Irgendetwas im Menschen scheint Sehnsucht nach Resonanz zu haben, vielleicht sogar nach einer Art „kosmischen“ Resonanz, wodurch wir uns glücklicher, seliger, gesünder fühlen – eingebunden in eine gewaltige planetarische Weltall-Sinfonie, wo Sterne und Sonnensysteme sich berühren, Klangfarben und Harmonien erzeugend, die bis in unser Ohr und in unsere Herzen vordringen?
Interessant sind auch jene Experimente des Japaners Masaru Emoto, wo bei einer „aggressiven“ Musik Wasser verrottet und Pflanzen eingehen, während bei „harmonischer“ Musik Wasser zum Heilwasser wird und Pflanzen prächtig gedeihen. Verrohen auch Menschen, wenn sie aggressive Musik hören?
Oder gesunden sie, wenn sie harmonische Klänge hören, die ihr Inneres in Schwingung versetzen?
Bei aller Faszination für dieses globale Musik-Mosaik gilt wohl für uns alle: irgendwann sind wir satt, uns hängt sogar unser Lieblings-Ohrwurm beim Halse raus, wir können nichts mehr hören (bitte keine Beschallung mehr!), wir schalten Radio und Tonträger ab, flüchten aus den Konzertsälen, sehnen uns sogar nach jener STILLE, vor welcher wir normalerweise panische Angst haben, vielleicht Angst und Faszination gleichzeitig, weil in der STILLE in der reinsten Form das Destillat aller Musikgattungen dieser Welt enthalten ist?
Nach jedem Stille-Intermezzo dürstet uns wieder nach Tanz, Musik – und wir setzen uns in Bewegung.