Die Laureiner Landwirtin und Bildhauerin

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Die Laureiner Landwirtin und Bildhauerin

Charakterkopf

Sigrid Ungerer, Landwirtin & Künstlerin

Sigrid Ungerer hat einen seltenen und ungewöhnlichen Beruf, sie ist Bildhauerin. Sie bezeichnet sich auch eher als Landwirtin denn als Bäuerin. Wie sie dazu gekommen ist, erfahren wir in einem Zwiegespräch.

Frau Sigrid, erzählen Sie doch, wie Ihr Werdegang war!
Ich bin 1985 als mittlere von drei Geschwistern geboren und auf dem Kausenhof in Laurein aufgewachsen. Schon sehr früh hat Holz auf mich eine große Faszination ausgeübt. Gut erinnere ich mich, wie beim Ministrieren meine Augen weit mehr an den Schnitzereien in unserer schönen Kirche als am Geschehen beim Altar hängen blieben. Da dachte ich immer: „Wie ist es nur möglich, aus Holz so etwas zu schnitzen?“ Mit neun Jahren erhielt ich dann von meiner Patin mein erstes Schnitzeisen!

Haben Sie das Schnitzen denn von Ihrem Vater erlernt?
Aber nein, niemand in meiner Familie schnitzte. Höchstens mein Großvater hatte eine künstlerische Ader, er hat in seiner wenigen Freizeit sehr gerne gemalt. Aber für mich war, seit ich denken kann, der liebste Ort unsere Werk­statt, wo ich herumwerkeln und schnitzen konnte. Ich hatte das große Glück, Eltern zu haben, die mir keine Steine in den Weg legten. So durfte ich nach der Grund- und Mittelschule in Laurein auf die Schnitzschule ins Ahrntal. Die große Entfernung von zuhause machte mir gar nichts aus, ich hatte nie Heim­weh.

Wie erfuhren Sie in dem weltabgeschiedenen Laurein überhaupt von dieser Möglichkeit?
In der Mittelschule hatten wir so genannte „Berufsfindungstage“. Da hat ein Lehrer, der wohl meine Begabung erkannte, extra für mich einen Schnitzer kommen lassen. Als ich dem bei seinem Tun zusah, wusste ich: „Das ist das meine! Das wird mein Beruf!“ Obwohl ich damals noch keine blasse Ahnung hatte, dass das Schnitzen und Modellieren aus Ton etwas mit Kunst zu tun hat.

Wie ging Ihr Weg dann weiter?
Nach der Schnitzschule im Ahrntal schloss ich meine Ausbildung an der Kunstschule in Wolkenstein in Gröden mit der Matura ab. Gröden war für mich ein hartes Pflaster: eine ganz andere, mir sehr fremde Mentalität; alles scheinbar nur auf den Tourismus ausgerichtet! Ich kehrte diesem Tal sehr gerne den Rücken.
Aber zuvor mussten Sie doch eine Erfahrung machen, die Ihr Leben entscheidend prägte?
Ja, ich war erst 18 Jahre alt, als mein Vater plötzlich starb. So stand Mutter mit uns drei Kindern, die alle noch in der Ausbildung waren, alleine da. Trotzdem durfte ich meiner Sehnsucht weiterhin folgen. Der frühe Tod meines Vaters hat mich sehr geprägt.

Die Kunstschule hatten Sie nun beendet. Was waren Ihre nächsten Schritte?
Ich war viel auf Symposien weltweit unterwegs. Diese Auslands­erfahrungen öffneten mir den Blick für vieles, und ich würde allen jungen Menschen raten, ganz eigenständige Auslandserfahrungen zu machen. Der Kontakt mit den verschiedensten jungen Künstlern weltweit war für mich eine große Bereicherung.

Haben Sie sich in Ihrer Arbeit auf Holz beschränkt?
Nein, noch größer ist meine Liebe zum Ton, der sich so wunderbar modellieren lässt. Auf den verschiedenen Symposien und Wettbewerben weltweit konnte ich in verschiedenen Materialien arbeiten, von Holz über Sand, Eis, Schnee und Stein. Wenn man in diesen Kreisen einmal bekannt ist, ergibt eine Möglichkeit, sich mit andern zu messen, gleich wieder eine neue.

Dies waren wohl Ihre „Lehr- und Wanderjahre“. Und doch sind Sie Südtirol treu geblieben!
Ich habe 2008 eine Stelle als Thea­terplastikerin bei den Vereinigten Bühnen Bozen angenommen, eine sehr interessante Erfahrung. Es war purer Zufall, dass ich am Verdiplatz einem meiner früheren Lehrer über den Weg lief. Er erzählte, dass es jetzt die Möglichkeit gäbe, sich in Gröden auf die Bildhauer-Meisterprüfung vorzubereiten. Diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen, obwohl das bedeutete, wieder nach Gröden zurückzukehren. 2014 und 2015 besuchte ich an den Wochenenden den Meisterkurs und schloss mit der Meisterprüfung ab.

Aber jetzt sind Sie die Kausenhofbäuerin in Laurein?

Der stattliche Kausenhof in Laurein

Ja, 2015 war das Jahr der großen Entscheidung. Meine Mutter woll­te den Hof übergeben. Meine Geschwister hatten kein Interesse, wollten jedoch auf keinen Fall, dass die Heimat veräußert würde. So übernahm ich den Hof. Und bei der Heuernte helfen auch die Geschwister mit. Sehr dankbar bin ich, dass meine Mutter mir auch in dieser Entscheidung völlige Freiheit gelassen hat.

Wie geht es Ihnen als Landwirtin?
Anfangs bewirtschaftete ich den Hof wie meine Eltern nach dem Motto: „Je mehr Milch eine Kuh gibt, desto besser!“.
Aber bald begann ich dies zu hinterfragen. Wo bleiben da die artgerechte Tierhaltung, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit? Turbokühe brauchen mehr als unser Heu; Soja und Mais kommen aus fernen Ländern. Die Umstände, unter de­nen diese Produkte erzeugt werden, wie, die Ausbeutung der Her­kunftsländer, Einsatz von Pestiziden, Rodung von Wäldern, Zerstörung natürlichen Lebensraums, lange Transportwege, Unterstützung von Großkonzernen, sollte Anlass sein, über die Notwendigkeit dieser Produkte in der Berglandwirtschaft nachzudenken. Lieber weniger, aber dafür ein Mehr an Freude und Ge­nugtuung. Ich habe gemerkt, es ist zu schaffen, wenn ich mich mit dieser Haltung auch oft einsam fühle. Aber diesen Preis zahle ich gerne.

Bleibt da noch Zeit für Ihren eigentlichen Beruf?
Ja, diese Zeit nehme ich mir. Ich habe schon Bühnenbilder für Theaterproduktionen, für Film und Oper gestaltet und erhalte immer wieder verschiedenste Aufträge.

Noch ein Schlusswort:
Es gibt nichts Schöneres, als den Jahreszyklus in der Landwirtschaft zu erleben! Und: Jeder kann etwas tun für die Nachhaltigkeit!

Christl Fink