Sein unverwechselbares Flair als weitum bekannter Kurort auf der Alpensüdseite verdankt Meran seit über 100 Jahren bis heute maßgeblich seiner historischen Bausubstanz.
Die Grundpfeiler des Kurwesens und damit die Gesamtheit der entstandenen Kuranlagen stammen aus der Romantikzeit der letzten Donaumonarchie ab 1870. Damit wurde die bis heute wirksame gestalterische Identität der Kurstadt Meran begründet. Sie bürgt mit einzigartigem Stadtbild eingebettet in eine liebliche Landschaft als Gesamt-Ensemble für beständige Anziehungskraft als Kurort in einer sich wandelnden, aber stets wachsenden Tourismusentwicklung. Innert weniger Jahrzehnte waren in der beispiellosen Hochphase der Meraner Tourismus-Gründerzeit Grandhotels in Stadtzentrumsnähe, Gästehäuser aller Güteklassen, dazu viele Dutzende vornehmer Besitzervillen mit klassizistischer Anmutung erbaut worden. Dazu entstanden mondäne Kurhäuser, das Stadttheater im Zeichen des Jugendstils, das Kurmittelhaus als Thermentempel inmitten von Parkanlagen, Gärten, Kurpromenaden mit dem Tappeinerweg als Panorama-Flanierweg mit Weitblick über die Dächer der Altstadt.
Bis um 1915 wuchs Meran um ein Mehrfaches an Einwohnern – die Zahl der Kurgäste stieg um ein Vielfaches. Das Ende der Habsburger in Krieg und Schande, der völkische Wandel Südtirols zur Siegermacht Italien, die unseligen Zeiten von Option und Faschismus brachten das Kurwesen für Jahrzehnte zum Erliegen. Erst ab Mitte des 20. Jh. gelang es beherzten Meraner Touristikpionieren im Zuge des Wirtschaftswunders in Europa durch weitsichtigen Vorausblick, durch zeitgemäße Investitionen in Umbauten und Renovierungen den alten Glanz der Kurstadt wiederzubeleben. Erhalt und Pflege historischer Werte werden seither gezielt ergänzt mit zeitaktuellen Wellness-, Sport-, Kultur-Angeboten für erholungssuchende Gäste aus aller Welt – mit bestem Erfolg. Seit Jahren gilt die Passerstadt wieder als renommiertes und vielbesuchtes Kur- und Kulturzentrum im Meraner Land.
Entstehung Tappeinerweg
Ideator, Stifter und Pate dafür war um 1890 Kurarzt Dr. Franz Tappeiner, eine der bedeutsamsten Persönlichkeiten jener Zeit und Ehrenbürger Merans. Als Spross eines alten Vinschger Geschlechts vom Stammhof Tappein am Schlandersberg, seit dem 14. Jh. erwähnt, führten ihn seine Wege nach den Studien der Medizin und der Botanik nach Meran, wo er in der 2. Hälfte des 19. Jh. als segensreicher Gestalter, Arzt und Forscher für Bürger, Gäste und Stadtbelange wirkte. Er war Mitbegründer der Molkenkuranstalt zur Behandlung von Lungenleiden sowie Begründer des Meraner Kurvorstandes. Als Anthropologe und Konservator erwarb er sich hohe Verdienste für Volks- und Heimatkunde. Ein außerordentlich tüchtiger Mann der Tat und des Gemeinwohles, denn aus seinem Vermögen stiftete er wiederholt selbstlos maßgebliche Finanzierungsbeträge für wichtige öffentliche Bauprojekte der Kurstadt. Eine überaus noble Gönnerpraxis, die heutzutage leider kaum mehr statthaft ist.
Der Tatkraft dieses Pioniers verdankt also die Nachwelt die Verwirklichung der Höhenweg-Promenade im ersten Teilstück von Ortenstein/Pulverturm bis zum Serpentinen-Abgang zur Landesfürstlichen Burg. Felsabbrüche mit Gletscherschliff mussten dafür gequert werden, natursteingemauerte Viadukte im steilen Gelände erstellt werden. Baufortschritte konnten nur mit Zufahrt über die neuerstellte Wegtrasse erzielt werden. Dieser genial angelegte Spazierweg in 60 m Höhe ermöglicht unvergleichliche Ausblicke in und über die zu Füßen liegende Meraner Altstadt. Der mächtige Turm der Nikolauskirche als eines der Meraner Wahrzeichen scheint für den Ausgucker nach Süden greifbar nah. Filigrane gußeiserne Geländer säumen beidseitig den Tappeinerweg in seiner Gesamtlänge von knapp 6 km bis nach Gratsch, wobei die mittleren Teilstücke bis Marchetti-Serpentinenabgang um 1900, bis zum Schlehdorf-Abgang um 1914 und seine Fertigstellung um 1929 erfolgte. Durch Anpflanzungen von über 400 Arten mediterraner Gewächse führt der nahezu ebene Verlauf des Tappeinerwegs entlang eines immergrünen botanischen Gartengürtels am Sonnenhang des Küchelbergs.
Höhepunkte sind dabei der seit 1907 bestehende Ladurnergarten beim Schlehdorf mit der nördlichsten mediterranen Macchiabepflanzung, die allerorts inzwischen ausgewachsenen südländischen Pinienbäume, der neuere Kräutergarten mit über 250 Kräuterbeeten samt Abgang zum Mamming-Museum am Stadtpfarrplatz.
Villa Saxifraga
Dieses auffallende Wohn- und Gästehaus im reich verzierten Schweizer Chaletstil wurde um 1906 von Arch. Pardatscher für den Fotografen Franz Largajoli erbaut. Es liegt direkt am Tappeinerweg, am Beginn des Tirolersteigs zum Sehenbühel. Die Bezeichnung Saxifraga trifft den botanischen Namen der Pflanzenfamilie des Steinbrechs. Das mit Erkern, Holzbalkonen und Terrassen talseitig ausgerichtete Haupthaus über 3 Etagen bietet die überwältigende Aussicht eines Adlerhorstes. Die maßgefertigte Innenausstattung birgt neben gediegenen Einzelmöbeln 5 vollgetäfelte Tiroler Stuben in edler Machart. In der Nachkriegszeit erwarb der holländische Pastor Prof. Nouvens das Anwesen als Alterswohnsitz und für seine persönlichen Gäste. Da es keine Zufahrt zum Anwesen gab, ließ der Professor am nahegelegenen um 1950 erstellten Einzelsessellift vom Stadtzentrum bis auf den Sehenbühel eine bewegliche Treppenkonstruktion als persönliche Zwischenstation erbauen, welche in Absprache mit dem Liftwart zeitlebens einwandfrei funktionierte. Prof. Nouvens war ein Gönner und Liebhaber Südtiroler Brauchtums. Vor seinem Tod Ende der 1960er Jahre brachte er die Saxifraga in eine gemeinnützige Stiftung ein. Durch ihre besondere Lage blieb die Villa Saxifraga jedoch über Jahrzehnte ungenutzt und drohte Schaden zu nehmen. Aus dem Besitz der Stiftung Bienenkorb erwarb die Gastronomiefamilie Brunner vom Sittnerhof unterm Berg Ende der 1990er Jahre das Haupthaus. Nach aufwändiger und originalgetreuer Restaurierung von Gebäude und Einrichtung konnte Sohn Markus Brunner mit Familie die „Schweizer Villa“ am Tappeinerweg als „Saxifraga-Stubn“ zu neuem Leben erwecken. Es erfüllt nun seine Funktion als Tagescafé von besonderer Ausstrahlung am Tappeinerweg sowie als inhabergeführtes Restaurant mit feiner Tiroler Küche mit Erfolg seit bald zwei Jahrzehnten. Unter der Bezeichnung Saxifraga Kurhaus hat sich vor einigen Jahren durch die zusätzliche Führung von Restaurant und Winebar im Meraner Kurhaus die gastronomische Professionalität erweitert.
von Jörg Bauer