Dieser ehrwürdige Profanbau des Barock, an prominenter Stelle am oberen Pfarrplatz in Meran gelegen, erlebt seine späte Hochblüte in der Gegenwart als Kulturstätte und neuer Sitz des Meraner Stadtmuseums seit 2015.
Bereits um 1900 wurde das Stadtmuseum Meran als eines der ersten seiner Art im Lande gegründet; der passende Standort dafür jedoch konnte jetzt erst nach 115 Jahren und diversen Umzügen gefunden und verwirklicht werden. 1991 hatte die Stadtverwaltung den Beschluss gefasst zum Ankauf des heruntergekommenen Stadtpalais, angrenzend an die gotische St.-Barbara-Kapelle neben der Pfarrkirche St. Nikolaus. Nach aufwändigen Renovierungsarbeiten unter Mitwirkung des Landesdenkmalamtes und ergänzt durch den erweiternden Zubau in zeitgenössischer moderner Architektur präsentiert sich das Palais Mamming Museum heute in nie dagewesenem Glanz als aufgewertetes Baujuwel in der Kurstadt und als Kulturbrücke am Eingangstor zur Altstadt Steinachviertel.
Geschichtliche Ursprünge
Bereits 1397 ist an besagter Stelle ein Gebäude mit Stallungen des Hans Weinmesser erstmalig vermerkt; 100 Jahre später entstand daneben eine so genannte Lateinschule, deren Besuch als Grundlage für das höhere Bildungswesen im Mittelalter unter Einfluss des Klerus unentbehrlich war. In jener Zeit brachten es die aus dem süddeutschen Sprachraum nach Meran zugezogenen Grafen Mamming zu beachtlichem Ansehen. Ab 1415 bekleideten sie als ratsfähige Bürger höheren Ranges über Jahrzehnte wichtige Ämter wie jene des Landrichters und des Bürgermeisters zu Meran. Dementsprechend wuchs der Wohlstand in der gräflichen Familie, was sich nach und nach in stattlichen Besitztümern und in Lehensgrundstücken niederschlug. Es war Gaudenz Mamming, der um 1530 mit dem Ankauf des Weinmesserhofes als Wohnhaus die Besitzer-Dynastie der Mammings einläutet, die über 300 Jahre währen sollte. Um 1675 erwarb Benedikt von Mamming, inzwischen als Freiherr geadelt, das schadhaft gewordene Schulhaus dazu. Ihm verdanken wir in der Folge den Auftrag zum Umbau der Einzelgebäude zum Ansitz mit stilvoller Barockfassade namens Steinachheim. Mehrere Generationen bewohnen den Palais, bis ihn um 1832 Ferdinand Graf Mamming aufgrund von Verschuldung verlassen muss. Die Versteigerung der Liegenschaft zieht vorübergehend mehrere Besitzerwechsel nach sich, bis 1844 Adelheid Gräfin von Desfours den Ansitz Steinachheim erwirbt, um ihn bald darauf in eine Stiftung ihres Namens zu übertragen. Als Stiftungszweck sollte die soziale Nutzung/Vermietung des Steinachheims gewährleistet bleiben – der Weiterverkauf war vorerst ausgeschlossen.
Das Palais als Atelier
Dies kommt der Meraner Künstlerfamilie Steiner zugute, die im Palais zur Miete wohnte. Als anerkannte Bildhauer und Maler mit Schnitzwerkstatt unterhielten sie über zwei Generationen ein Atelier mit Ausstellungsgalerie unter der sinnverwandten Bezeichnung Steiner Museum. Um 1900 bezieht die Spar- und Vorschusskasse Meran als Pfandleihanstalt für zwei Jahrzehnte standesgemäße Räumlichkeiten im Palais Defours am Pfarrplatz. Um das unter Denkmalschutz stehende historische Bauwerk bestmöglich für die Öffentlichkeit zu nutzen und seine Erhaltung auch im Sinne der Stiftung zu gewährleisten, war die Idee der Übernahme durch die Stadt tragende Lösung. Sie stellt einen Quantensprung dar für die bauhistorische Werterhaltung in der Kurstadt. Als einer der maßgeblichen Vordenker und Befürworter sei der damalige Südtiroler Landeskonservator Karl Wolfsgruber erwähnt.
Kernrenovierung, Anpassungen, Neubau
Nach 4-jähriger Planungsphase folgte eine unabsehbare 20-jährige Baugeschichte. Der betraute Architekt Walter Gadner spricht mit Genugtung aber auch mit Abstand von einem Lebenswerk in Bezug auf die Problemstellungen beim Gesamtumbau. Die Herausforderung war der küchelbergseitige Neubau von 5000 m³ hinter dem zu schützenden historischen Palais – ohne Zufahrtsmöglichkeiten, inklusive Felssprengungen, Materialaushub und -abtransport. Alle Lasten und Werkzeuge mussten vom Baukran über die Dächer zur Baugrube gehoben, schwere Maschinen vorher zerlegt werden. Durch die erschwerten Anforderungen kam es mehrfach zu Bauunterbrechungen, zu Rechtsstreitigkeiten mit Neuausschreibungen und dadurch zu ungewollten Verzögerungen am Umbau. Dennoch sei festgehalten, dass das Museumsprojekt die mustergültige Kernsanierung der historischen Bausubstanz, die Renovierung alter Böden, die Freilegung alter Fresken in idealer Weise kombiniert mit spannenden Kontrasten
durch den modernen Erweiterungsbau über drei Etagen. Die Innenfassaden der zwei unterschiedlichen Baukörper stehen sich im hohen glasdeckten Lichthof gegenüber, sind durch zwei Verbindungsbrücken
pro Etage als Museumsrundgang miteinander verbunden. Das Erdgeschosss im lichtdurchfluteten Innenhof dient als idealer Platz für Kunst- und Wechselausstellungen, Lesungen, Vernissagen. Den einzigartigen Abschluss des modernen Museumstrakts bergwärts bietet die beleuchtete nackte Felsenbruchwand des Küchelbergs über alle Stockwerke. Eine Dachterrasse ermöglicht phantastische Ausblicke über die Altstadtdächer bis hin zum Meraner Wahrzeichen, dem Pfarrturm, dort zum Greifen nah. Mittels Stein- und Metalltreppen ist der Museumszugang direkt verbunden mit der legendären Tappeinerweg-Promenade.
Museale Kulturstätte
Unter Führung des rührigen Meraner Museumsvereins soll das Palais Mamming Museum zwar die historische Entwicklung der Stadt anhand seiner originellen Sammelobjekte aus allen Lebensbereichen aufzeigen – darüber hinaus jedoch als museale Kulturstätte mit aktuellem wechselndem Veranstaltungsprogramm sein. Dabei soll die Jugend bei freiem Eintritt unter 18 Jahren besonders motiviert werden, am Kulturbetrieb teilzuhaben. Mit Palais Mamming Museum als historischem Kleinod erinnert Meran zeitgemäß an glorreiche Zeiten als Weltkurort.
von Jörg Bauer