Die Tracht
10. April 2017
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Die Fahlburg

Einer der bemerkenswertesten Edelsitze der Renaissancezeit liegt im Ortskern des Burgendorfes Prissian auf dem Tisener Hochplateau.

Ursprünglich als „Turm in der Vall“ bereits um 1280 erstmalig erwähnt, lässt sich dieser mittelalterliche Bauteil mit gehauenen Steinmauern als fester Turm bis heute nordseitig an der Burg ausmachen. Ähnlich wie auf anderen Wehr­burgen in dieser Gegend waren es Zweige von Adelsfamilien-Geschlechtern als Lehensnehmer der Grafen von Eppan-Ulten, welche hier Ansitz und Stellung bezogen in Abwehrhaltung zu den dominierenden Grafen von Tirol. Nach dem Ableben der erstgenannten Herren von Zobel als Erbauer des Wehr­turms sind aus dem 14. Jh. längerwährende Erbstreitigkeiten überliefert zwischen den Herren von Wehrburg und der Burgfrau Barbara Jäger von Hauenstein, welche eine besondere Rolle auch im späteren Zwist mit Oswald von Wolkenstein um das Besitzrecht auf der damaligen Fahlburg innehatte. Letzterer wurde um 1420 auf die Burg gelockt und dort unter Folter gefangengehalten – auf dass er verzichte auf jedes Anspruchsrecht. In mehreren seiner Lieder hatte sich der Minnesänger darüber bitterlich beklagt. Trotz eines gegenteiligen Urteils durch das Landesgericht Tisens verweigerte die standhafte Burgfrau die Herausgabe der Lehensbriefe und behauptete den Besitzanspruch bis zu ihrem Ableben um 1430. Dann erst konnten die Wehrburger, später die Herren von Andrian ihr Erbe antreten.

FAMILIE BRANDIS
Über die zwischenzeitlichen Burgeninhaber der Schlandersberger aus dem Vinschgau gelangte der besitzumkämpfte „Turm in der Vall“ durch Kauf an den Freiherrn und Landeshauptmann Graf Jakob Andrä von Brandis, welcher den bis dahin bescheidenen Ansitz in der Folge zur regelmäßigen quadratischen Burganlage in Anlehnung an den Baustil der Renaissance-Architektur aus­baute. Hier war es auch, wo Jakob Andrä seine „Geschichte der Landeshauptleute“ als erstes zeitgenössisches Werk zur historischen Ge­schichtserfassung Tirols schrieb und sich dabei vorwiegend auf urkundliche Quellen stützte. Die umfangreichen Bauarbeiten zum prächtigen Renaissanceschloss mit Viereckanlage, repräsentativen Mittelsälen und Fassadentürmen zogen sich über Jahrzehnte hin. Sie scheinen unter Veit Benno Graf Brandis um 1640 beendet, so wie es die eingemeißelte Jahreszahl an beiden Hauptportalen dokumentiert.

RENAISSANCE-SCHLOSS
Die großzügigen Räumlichkeiten der neuerbauten Fahlburg in zentraler Dorflage von Prissian harrten fortan neuen Zweckbestimmungen. So wurde der Gerichtssitz des Landgerichtes Mayenburg-Tisens dorthin verlegt, und die erneuerte Fahlburg diente den Richtern als Wohn- und Amtssitz bis ins 18. Jh. Im Inneren des drei­geschossigen Schlossgebäudes  werden massive Holzdielenböden samt kunsthandwerklich bearbeiteten Holzdecken und Wandtäfelungen als wertbeständige noble Ausstattung eingebaut. Mehrere großflächige Decken­ge­mälde mit mythologischen sowie biblischen Motiv­szenen stammen aus der Künst­lerhand des namhaften Ba­rock­malers Stefan Kessler, dazu eine Vielzahl von großen gerahmten Gemälden. Mittels steingefasster offener Kamine und besonders wertvoller Kachelöfen werden die weitläufigen Burgräume beheizt. Eine Schlosskapelle unter schönem Tonnengewölbe, mit edler Ausstattung und um 1623 datiertem Hochaltar ist dem Allerheiligsten geweiht. Als ein zu schützendes und erhaltenswertes Gesamt-Kunstdenkmal samt guterhaltener Originaleinbauten aus historischer mittelalterlicher Zeit steht die Fahlburg bis heute da.
Über 400 Jahre lang und über entsprechend viele Generationen hinweg blieb sie durchgehend im Besitz der gräflichen Ahnenfamilie Brandis. Sie war deren Hauptwohnsitz bis ins 19. Jh. – nach Graf Clemens als Landeshauptmann und Statthalter von Tirol und Vorarlberg um 1850 wurde das Anwesen nur mehr gelegentlich oder zu Aufenthalten über die Sommermonate von Familienmitgliedern bewohnt. Nach den letzten Kriegsjahren wird die Fahlburg nochmals für längere Zeit Wohnsitz von Heinrich Graf Brandis.

IDEALER ORT FÜR VERANSTALTUNGEN
Das Erbe ging auf dessen Enkel Jakob Graf Brandis über, welcher die Fahlburg heute für Veranstaltungen nutzt. Der reizvolle und weitläufige Innenhof im Burg­garten ist wie geschaffen für stimmungsvolle Feste oder Konzerte unter freiem Him­mel. Lesungen, Seminare, Klau­surtagungen oder Jubiläumsfeiern finden in den zeitgenössischen Räumen und Sälen des Renaissanceschlosses den besonderen Rahmen. Festliche Hochzeiten hinter jahrhundertealten Mauern werden zum unvergesslichen Erlebnis. Zusammen mit der Dorfgemeinschaft Tisens/Prissian werden die Kastanientage festlich und kulinarisch auf der Fahlburg inszeniert – ebenso die Lananer Kulturtage samt Preisverleihung. Die Fahlburg als Kulturstätte war kürz­lich das passende Ambiente für die Vergabe des international angesehenen „Petrarca“-Literaturpreises des Verlagshauses Burda. Kultur und Ge­sellschaft treffen sich so zeitlos auf historischem Bo­den – dies zu ermöglichen und zu verwirklichen, ist stets eine ge­­nera­tio­nen­ver­bindende Aufgabe.

von Jörg Bauer

Wertvoller kunstkeramischer Ofen im Speisesaal

Gräflich schlafen unter weißem Gewölbehimmel

Die Räucherkuchl mit originaler Feuerstelle