Sie zählt zu den gelungensten modernen Sakralbauten im Alpenraum. Vor 40 Jahren wurde die neue Algunder Pfarrkirche von Bischof Josef Gargitter geweiht. Es war Pfarrer Josef Chronst, der die Algunder für den Neubau einte.
Und alle haben ihren Beitrag geleistet. Die Kirche wurde zum bedeutendsten Werk von Architekt Willy Gutweniger und seiner Frau Lilly.
Wer sie zum ersten Mal betritt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aber schon von weitem fällt sie ins Auge. „Die Zeiten der triumphierenden Kirchen sind vorbei. Ich wollte nicht eine Kirche des technischen Zeitalters schaffen, sondern einen Bau, in dem die Lebensfreude und die Freude an unserem Glauben vorwiegendes Merkmal sein sollten“, schreibt Willy Gutweniger in seinen Erinnerungen. Josef Chronst war diese Lebensfreude anzusehen und er konnte Menschen für sich gewinnen. Als er 1955 als Pfarrer nach Algund kam, machte er es sich zur Aufgabe, der Pfarrgemeinde ein neues geistiges Zuhause zu schaffen, hatte sich der Dorfkern seit der Jahrhundertwende doch vom alten Dorf nach Mühlbach verlagert. Bereits seinem Vorgänger, Pfarrer Hermann von Stenizer, war der Neubau ein Anliegen und er hatte 1953 einen Plan des Stuttgarter Architekten Otto Linder beim fürstbischöflichen Ordinariat in Trient eingereicht, dem die Pfarre damals unterstand.
Alle helfen mit
Die älteren Algunder erinnern sich noch gut daran, wie ihr neuer Pfarrer sie abklapperte und um ihre Meinung zum Kirchenneubau befragte. Von damals 374 Algunder Familien waren 359 dafür. Sich dieses großen Rückhalts gewiss und im Vertrauen auf den heiligen Josef wurde ein Baukomitee gewählt. Die Bauern verpflichteten sich, vom Obsterlös insgesamt zehn Jahre lang 1 Lira pro Kilogramm zu spenden. Auch die Kaufleute, Fremdenverkehrsbetriebe, Bankinstitute, Handwerker und Arbeitnehmer haben ihr Scherflein beigetragen. Mit mehr als 100 Millionen Lire trugen die Bauern aber am meisten zum Kirchenneubau bei.
Willy Gutweniger plant die neue Kirche
Von den bereits existierenden Plänen ging man wieder ab. Otto Linder, der die Kirchen von Lana und Prad geplant hatte, wurde entschädigt, denn eine Kopie davon wollten die Algunder schon gar nicht. Der junge Meraner Architekt Willy Gutweniger sollte einen Neuversuch starten. Und der ging gleich ans Werk; heraus kam ein Gemeinschaftswerk, in dem der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, das genau zu dieser Zeit tagte, zu spüren ist. Zuerst musste aber ein Baugrund her, und das erwies sich schwieriger als gedacht. Mehrere Jahre braucht es, bis man mit dem Klosterbauer handelseins wurde. Am 1. Mai 1966 war es endlich so weit. Die Algunder versammelten sich zur feierlichen Grundsteinlegung mit Bischof Josef Gargitter. Als Schutzpatron hatte man den Hl. Josef gewählt. 1971 war die Kirche zwar fertig gestellt, allerdings fehlten noch Orgel und Heizung. Auch das Pfarrwidum war noch im alten Dorfkern. So kam es vorerst nur zur Segnung der Kirche am 23. Mai 1971 durch den Bischof. In das neue Widum, das 1975 fertig gestellt war, konnte Pfarrer Josef Chronst noch einziehen, ein Jahr später schon wurde er aber nach 21 Seelsorgejahren in Algund als Dekan nach Tramin abberufen. An seine Nachfolger hat er in der Turmkugel einen Brief hinterlegt, in dem er sehr ausführlich den Kirchenneubau schildert. Es mag göttliche Lenkung gewesen sein, dass der damals junge Franz Pixner nach Algund kam, denn einen besseren Priester hätten sich die Algunder mit ihrer modernen neuen Kirche nicht wünschen können. Schon bald wurde sie geistiger Mittelpunkt im ganzen Burggrafenamt.
40 Jahre Kirchweihe
40 Jahre sind es heuer geworden, dass sie geweiht wurde, und zwar am 13. März 1977. „Dir sei Lob und Dank“ lautete dann auch das Motto des heurigen Patroziniumfestes, das die Algunder ganz besonders begingen. Oberhalb von Forst wurde ein Vierziger aus Feuer entzündet, bei der traditionellen Josefiprozession wurden der erneuerte Baldachin, die restaurierte Josefistatue und die neu aufgerichteten Schützen- und Männerfahnen mitgetragen. Dafür hatte die Raiffeisenkasse Algund zum heurigen Jubiläum einen besonderen Beitrag geleistet.
Zum zweisprachigen Festgottesdienst war auch eine Delegation aus der Partnergemeinde Etzenricht mit ihrem Pfarrer Heribert Englhard nach Algund gekommen. Bereits am Vorabend kam es zu einer außergewöhnlichen Dankesstunde mit Kirchenchor, Orchester und dem ehemaligen Algunder Pfarrer Franz Pixner.
„Diese neue Kirche ist ein Denkmal der Opferbereitschaft und Glaubenshaltung der Algunder Pfarrgemeinde, sie soll unser Vaterhaus sein“, beendet Josef Chronst seinen Brief, verfasst zu Mariä Himmelfahrt 1967.
EIN BAUSTEIN FÜR DIE GEMEINSCHAFT
30 Jahre lang hat Anton Schrötter die Gemeindepolitik aktiv mitgestaltet, zuerst als Gemeindereferent und dann 15 Jahre lang bis 2010 als Bürgermeister von Algund. Die BAZ sprach mit ihm über seine Erinnerungen zum Kirchenneubau.
BAZ: Was bedeutet Ihnen die neue Algunder Pfarrkirche?
Anton Schrötter: Sehr viel. Da sind einmal viele Kindheitserinnerungen. Ich kann mich noch gut an den Bau erinnern, vom Aushub bis zum Wachsen des eingerüsteten Turmes und der Fertigstellung. Als Schulbub verfolgte ich das Fortschreiten des Baus mit großem Interesse und ich erinnere mich noch lebhaft an den 1. Mai 1966, dem Tag der Grundsteinlegung. Zum anderen konnte ich miterleben und teilweise auch mit beitragen, wie sich um die Pfarrkirche das neue Ortszentrum von Algund entwickelt hat, eine spannende und bewegte Zeit.
Wie hat sich das Dorfleben durch den Kirchenneubau verändert?
Was die Pfarrgemeinde betrifft, hat die neue Pfarrkirche diese geeint, war doch vorher der Kirchenbesuch in der eigentlichen Pfarrkirche im alten Dorf nur mehr auf hohe kirchliche Feiertage beschränkt. Die meisten Algunder gingen zur Sonntagsmesse ins Kloster Maria Steinach, viele auch nach Meran. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit Pfarrer Josef Chronst, wo er mir in seiner lebhaften Art erzählte, dass selbst er die Sorge hatte, wie wohl die Algunder auf die neue Situation reagieren würden, und er dann sehr glücklich war, dass bereits bei den ersten Gottesdiensten die Kirchenbänke in der neuen Kirche voll waren. Was das „Weltliche“ betrifft, so kann man die neue Pfarrkirche als den wichtigsten Baustein des neuen Algunder Dorfzentrums bezeichnen. Dies hatte sich erst ab dem Jahr 1896 im Ortsteil Mühlbach entwickelt. Erst die heutige Generation findet einen Bezug zu diesem Ortszentrum, die älteren Algunder haben dies leider nicht immer so wahrgenommen und deshalb die Bedeutung eines lebendigen Ortszentrums für eine Dorfgemeinschaft unterschätzt.
Waren denn alle mit einer so modernen Kirche einverstanden?
Sicher nicht alle, aber die meisten. Es ist ja eine Algunder Eigenschaft, dass es oft länger dauert, aber wenn etwas entschieden ist, dann soll es etwas Besonderes sein. Als die Algunder sahen, dass der Vorschlag von Architekt Linder mehr oder weniger nur eine Kopie der Kirche in Prad war, war klar, dass das für Algund nicht in Frage kam. Mit dem Architektenpaar Willy und Lilly Gutweniger wurde ein Goldgriff getan und jeder, der Willy Gutweniger kennt, weiß, dass er nicht nur ein genialer Architekt ist, sondern auch ein sehr guter Rhetoriker, der überzeugend argumentieren kann. Als der neue Turm vom Gerüst befreit war und seine Wirkung entfaltete, erlosch jede Kritik. Alle waren stolz über den gelungenen Bau. Vereinzelte Kritik gab es mehr wegen der Baukosten und der relativ langen Bauzeit.
Wie wurde der Neubau finanziert?
Wie bei jedem öffentlichen Bauvorhaben braucht es für den ersten Anschub eine Aussicht auf finanzielle Beihilfe durch den Staat oder das Land. Die Vorstellungen über deren Höhe waren damals noch viel bescheidener als heute. So war klar, dass es noch eine zweite starke Finanzierungsschiene brauchte, und diese wurde im Beitrag der Apfelbauern von 1 Lira pro Kilogramm Äpfel für eine längere Zeit gefunden und umgesetzt. Ohne diese Bereitschaft der Bauern wäre es damals wohl kaum zum Baubeginn der Kirche gekommen. Während des Baues und vor allem nach Fertigstellung setzte ein wirtschaftlicher Boom ein, der Tourismus florierte, die Kreditinstitute bauten auf, Inflationszeiten kamen, und somit war die Restfinanzierung auch dank großzügiger Spenden von Banken, Firmen und Privaten kein großes Problem mehr.
Was wünschen Sie Algund für seine Zukunft?
Dass es eine starke, selbstbewusste und eigenständige Dorfgemeinschaft im Herzen des Burggrafenamtes bleibt und – wie es Algunder Tradition ist – liberal, tolerant und mit Weitblick dem Neuen gegenüber offen ist.