Stau auf der Vinschgauer Straße, Stau auf der Passeirer Straße, Stau von Schenna nach Meran, Stau auf der MeBo vor Forst, Stau in Sinich. Dass das Verkehrsaufkommen im Meraner Umland vor allem in den touristischen Hochsaisonen massiv ist, steht außer Frage.
Erhebungen sprechen von einem jährlichen Verkehrszuwachs von rund fünf Prozent. Verkehrsarme Zeiten gibt es praktisch keine mehr. Lösungen müssen her, damit das Burggrafenamt nicht im Verkehr erstickt.
Und diese lägen auch vor, wie Verkehrslandesrat Florian Mussner kürzlich auf einer Bezirkstagung der SVP erläuterte. Die Umfahrung von Rabland werde gebaut, der erste Spatenstich für den Küchelbergtunnel soll noch heuer erfolgen, die Standseilbahn Meran-Tirol-Schenna sei kein Hirngespenst mehr. Die SVP im Bezirk habe den Verkehr als eines der wichtigsten politischen Themen ausgerufen und gehe daran, die Probleme aufzuarbeiten. „Es kann so nicht weitergehen. Es braucht die Umsetzung eines intelligenten und nachhaltigen Konzeptes“, fordert Bezirksobmann Zeno Christanell. Die Marschroute ist parteiübergreifend ähnlich: unnötigen Verkehr auf den Straßen vermeiden, Mobilität auf öffentliche Verkehrsmittel sowie auf Fahrrad- und Elektromobilität verlagern, die verschiedenen Mobilitätsangebote optimal vernetzen und deren Qualität weiter verbessern. „Die Elektrifizierung der Vinschgauer Bahn ist im Gange, der Ausbau der übergemeindlichen Radwege ist vorbildlich, die bessere Zuganbindung in die Landeshauptstadt bereits angedacht“, erklärt Christanell. Zudem investieren die meisten Gemeinden in das von der Bezirksgemeinschaft betreute Programm „NaMoBu“ („Nachhaltige Mobilität im Burggrafenamt“), durch welches die Bürger für eine umweltfreundliche Mobilität sensibilisiert werden sollen.
Das größte Verkehrsprojekt des Landes
Das Herzstück gleich mehrerer Burggräfler Verkehrslösungen liegt in der raschen Realisierung der Nord-West-Umfahrung. Davon sind alle überzeugt. Das zweite Baulos ist an eine Bietergemeinschaft mit Südtiroler Beteiligung vergeben worden. Der Vergabepreis: stolze 100 Millionen Euro. Vielleicht noch heuer wird losgelegt, die Bauzeit wird dann knapp über fünf Jahre dauern. Die Fertigstellung ist für 2023 geplant. Das größte Bauvorhaben des Landes Südtirol soll nicht nur den Weg nach Meran und ins Passeiertal bedeutend verkürzen, sondern wird vor allem für eine massive Steigerung der Lebensqualität in der Stadt führen. Zehntausende Autos, die sich heute täglich durch die mehr oder weniger engen Straßen der Kurstadt drängen, werden sprichwörtlich vom Erdboden verschluckt. Das sei eine Riesenchance für den ganzen Bezirk, ist sich die SVP-Bezirksleitung sicher. Hand in Hand wird die Realisierung eines weiteren Zukunftsprojektes erfolgen: Die Kavernengarage im Küchelberg wurde von der Gemeinde Meran als „PPP-Projekt“ (Public-Private Partnership) ausgeschrieben. Abgabetermin war Ende August. Mittlerweile ist bekannt: Es liegen zwei konkrete Angebote von namhaften Südtiroler Unternehmern vor. In den kommenden Wochen wird deren Bewertung erfolgen. Ende des Jahres sollte schon ein Ergebnis feststehen, so Bezirksobmann Zeno Christanell.
Standseilbahn Meran-Tirol-Schenna
Die Idee einer Seilbahn von Meran nach Schenna ist nicht neu. Bereits 2003 hatte der Meraner Ingenieur und Oberschullehrer Walter Bernard einen detailreichen Plan dafür vorgelegt. Sein Vorschlag wurde damals belächelt. Das hat sich mittlerweile geändert. „Eine autofreie Erschließung von Schenna würde ein wesentlicher Baustein für eine zeitgemäße und umweltfreundliche Mobilität sein“, outet sich Zeno Christanell als Seilbahn-Fan. „Ein Mobilitätskonzept, das die Straßen entlastet, ist für dieses Einzugsgebiet auf jeden Fall zu befürworten“, gibt sich auch Landesrat Mussner gewohnt zurückhaltend, lässt aber durchaus Sympathien durchblitzen. Das Einzugsgebiet rund um Meran zählt speziell zur Tourismussaison zu den Gebieten mit dem höchsten Verkehrsaufkommen. Zum Glück verfügt das Burggrafenamt über ein besonders dichtes Angebot an öffentlichen Busverbindungen und weist nach den Bozner Stadtlinien die höchsten Nutzerzahlen im öffentlichen Nahverkehr auf. So wurden 2016 auf den Linien Lana, Marling, Algund, Partschins rund 2,6 Millionen Entwertungen gezählt, auf die Stadtlinie Meran entfallen ebenso viele, und auch die Passeirer Linie gehört mit einer Million noch zu den Top 10 in Südtirol.
Das aktuelle Grobkonzept sieht eine Standseilbahn von Meran nach Schenna mit Haltestellen in der Tiroler Handwerkerzone und beim Ofenbaur vor. Schätzungen gehen von einer Investitionssumme von über 40 Millionen Euro aus. Die Abteilung Mobilität überprüft derzeit mit der Ausschreibungsagentur und der Anwaltschaft, welches Ausschreibungsmodell für die Verwirklichung dieses Projektes am sinnvollsten ist. Dabei wird auch hier an ein „PPP-Modell“ gedacht. „Wenn wir die Stadt vom Autoverkehr entlasten wollen, müssen wir auf attraktive Alternativen setzen. Dass die Standseilbahn eine solche sein kann, ist Merans Bürgermeister Paul Rösch überzeugt. „Eine Standseilbahn ist für Gäste und Einheimische gleichermaßen attraktiv und stellt eine nachhaltige und umweltfreundliche Lösung im Personennahverkehr dar“, meint auch Alois Kröll, Bürgermeister von Schenna. Bleibt nur abzuwarten, wie die Tiroler dazu stehen. Unter vorgehaltener Hand recht wenig. Eine Standseilbahn durch die Obstwiesen findet bei den meisten Bauern keine Freunde. Das Schweizer Ingenieurbüro Hüsler, das bereits eine erste Machbarkeitsstudie vorgelegt hat, schlägt eine Route von der Talstation in der Galileistraße bis ins Zentrum von Schenna mit einer Länge von knapp 2,8 Kilometern vor, teilweise im Freien und teilweise im Tunnel. So könnten in einem 10-Minuten-Takt 800 Personen in der Stunde und eine Million Gäste im Jahr befördert werden.
Stunk in Rabland
Stunk gibt es aber, was die Umfahrung von Rabland betrifft. Der Zickzackkurs des Partschinser Gemeinderats in Bezug auf die Trassenführung hat die Fraktion tief gespalten. Eine Bürgerinitiative wehrt sich vehement gegen den Entscheid, die Umfahrung durch Obstwiesen sowie das Rablander Unterdorf und nur mehr teilweise untertunnelt zu bauen. Ursprünglich war ein 950 Meter langer Tunnel vorgesehen, der in der Nähe der heutigen Staatsstraße verlaufen sollte. Zum Schaden gewichtiger Rablander Hoteliers und Wirtschaftstreibender, die bei einer mehrjährigen Bauzeit mit erheblichen Einbußen rechnen hätten müssen. Die neue Trasse (die sogenannte „Variante D“) soll nämlich plötzlich unterhalb des Ortskerns mit Unterquerung der Cutraun- und Saringstraße verlaufen, wobei der Tunnel nur mehr eine Länge von 585 Metern haben wird. Im Spätherbst seien bereits Vollbohrungen zur genauen Feststellung der Bodenbeschaffenheit geplant. „Die technischen Eigenschaften werden voraussichtlich innerhalb Herbst 2018 der Landesregierung im Konsens mit der Gemeinde zum Beschluss vorgelegt“, gibt Mussner Auskunft. Daraufhin kann die Planung ausgeschrieben und ausgeführt werden. Die Umsetzung wird rund vier Jahre dauern. Was mache es für einen Sinn, eine Oberflurtrasse zu bauen, welche nur 100 bis 150 Meter vom Ortskern entfernt ist. Somit handle es sich nur um eine Verschiebung der Hauptstraße, heißt es in einem Brief der Rablander Initiative an die Landesregierung. „Täglich fahren über 16.000 Fahrzeuge durch den Ort. Einer Scheinlösung, wie es die zur Abstimmung gebrachte Variante D ist, kann man nicht zustimmen“, heißt es weiter. Die lange und ereignisreiche Geschichte um die Umfahrung von Rabland – bereits seit den 1980er Jahren wird diskutiert – ist so um eine Facette reicher.
Forst, Ulten und Passeier
Keine Neuigkeiten gibt es bei den Nachbarn in Algund und Marling. Landesrat Mussner macht keinen Hehl daraus, dass das Bauvorhaben „Tunnel Forst“ als nicht prioritär eingestuft wurde und somit im Landes-Bautenprogramm momentan nicht vorgesehen ist. Dabei legte bereits 1978 Ingenieur Aribo Gretzer eine erste Studie vor, ohne dass bis heute in dieser Sache Fortschritte gemacht wurden. Etwas besser schaut es allerdings beim neuen Tunnel Ulten-St. Pankraz aus. Dort arbeitet man an einem Tunnel mit einer Gesamtlänge von knapp einem Kilometer. Er beginnt kurz vor dem heutigen ersten Tunnel und endet in Neuweg. Dadurch kann ein steiler und kurvenreicher Abschnitt mit zwei sehr engen Tunnels umfahren werden. „Im Dezember 2016 erfolgte die erste Sprengung. Bis heute wurden 480 Meter vorgetrieben. Das Gestein ist stark zerklüftet und ermöglicht nur einen langsamen Fortschritt. Um die verlorene Zeit einzuholen, wird der Tunnel von beiden Portalen aus vorgetrieben“, erklärt Landesrat Mussner. Gut voran kommt hingegen das Projekt „Verbreiterung der Landesstraße 113“ bei Stuls; das Ausführungsprojekt wurde genehmigt und zur Ausschreibung weitergeleitet. Bei der Tunnelsanierung Hafling (St. Kathrein) wurde das Vorprojekt in Absprache mit der Gemeinde gutgeheißen. Auch der Ausbau der Landesstraße 86 bei Laurein wurde genehmigt. Ebenso positiv wurde die Untertunnelung der Staatsstraße 44 „Jaufenpass“ bei Saltaus von der Landesregierung begutachtet. Zurzeit laufen die Vorbereitungen der Ausschreibung. Es bewegt sich einiges im Burggrafenamt…
„WIR WOLLEN WIR ZUR VORBILDREGION FÜR MOBILITÄT WERDEN“
Ein Gespräch mit SVP-Bezirksobmann Zeno Christanell über den Verkehr und seine Vision, das Burggrafenamt zu einer Vorbildregion für Mobilität zu machen.
Vor kurzem war Mobilitätslandesrat Florian Mussner in Meran zu Gast. Worum ging es?
Zeno Christanell: Bei unserer Sommerklausur haben wir ganz klar festgestellt, dass die Mobilität für die Bürger im Burggrafenamt ein großes Thema ist. Wir wollten deshalb schnellstmöglich mit Landesrat Mussner über den aktuellen Stand bei den zentralen Vorhaben sprechen.
Der aktuelle tagtägliche Verkehrskollaps kann nur durch ein intelligentes, vernetztes Konzept verhindert werden. Da sind wir derselben Meinung mit dem Landesrat. Wir wollten aber auch verbindliche Auskünfte – das Burggrafenamt braucht absehbare Lösungen.
Mit der Vergabe der Nord-West-Umfahrung scheint die Realisierung in greifbare Nähe zu rücken. Welche Auswirkungen erwarten Sie?
Mit dem Weiterbau des Küchelbergtunnels werden die Voraussetzungen für eine massive Verkehrsentlastung und damit für eine Steigerung der Lebensqualität für viele Bürger geschaffen. Die SVP Burggrafenamt hat in den letzten Jahrzehnten hart daran gearbeitet, dass eine ausgereifte Lösung gefunden wird. Natürlich sind wir jetzt froh über diesen Erfolg, der von vielen gemeinsam erreicht wurde. Die Stadt und das Passeiertal können aufatmen – ich denke, es gibt wirklich sehr viele, welche die Eröffnung schon herbeisehnen.
Damit aber nicht genug, die SVP hat weitere Ideen. Welche?
Ein gutes Verkehrskonzept muss vernetzt sein. Das heißt sowohl der Bau der Kavernengarage als auch die Realisierung einer straßenunabhängigen Anbindung von Schenna und Dorf Tirol müssen zeitgleich mit der Realisierung des Tunnels mitgedacht werden. Ein Paket aus diesen vier Elementen in Kombination mit einem attraktiven Wander- und Radwegenetz, der Schaffung von Shared-Space-Räumen und dem Einsatz emissionsarmer Busse kann aus dem Sorgenkind Burggrafenamt eine Vorbildregion der nachhaltigen Mobilität machen. Wir wollen uns dafür einsetzen, Autoverkehr wo möglich zu vermeiden bzw. diesen auf öffentliche Verkehrsmittel oder auch Elektromobilität zu verlagern.
Meran ist nicht der Nabel der Welt. Wie soll der Bezirk besser an das Umland angeschlossen werden?
Auch daran arbeiten wir. Die Elektrifizierung der Vinschger Bahn ist in der Realisierungsphase. Die Kapazität und der Takt werden erhöht. Die Züge bekommen den neuesten und umweltfreundlichsten Standard. Ebenfalls sind wir dabei, eine moderne S-Bahn nach Bozen zu konzipieren. Die Verhandlungen zwischen Land und RFI laufen. Durch diese bessere Anbindung an das europäische Verkehrsnetz werden sich neue Möglichkeiten eröffnen. Dazu kommen noch Elemente der sanften Mobilität, wie der weitere Ausbau der übergemeindlichen Radwege, welcher von der Bezirksgemeinschaft vorbildlich vorangetrieben wird.
Eine weitere Vision ist die Zuganbindung in die Schweiz, welche für ganz Südtirol interessant wäre.
„AN DAS WOHL UNSERER KINDER DENKEN“
Hans Bonani ist einer der Promotoren der Rablander Bürgerinitiative gegen die vom Partschinser Gemeinderat beschlossene neue Trassenführung der geplanten Dorfumfahrung. Der Moarhofbauer versteht wie viele andere nicht, wie Bürgermeister Albert Gögele und der Gemeinderat über Nacht ihre Haltung zur Umfahrung von Rabland radikal ändern konnten.
Warum sind Sie von Bürgermeister Gögele und dem Gemeinderat so enttäuscht?
Hans Bonani: Der Gemeinderat hat im April sprichwörtlich eine Trassenführung der Rablander Umfahrung aus dem Hut gezaubert, die zwar billiger sein mag als die ursprünglich gedachte, aber dafür durch landwirtschaftliches Grün und sich durch eine Wohnsiedlung mit über 30 Familien zwängt. Die oberirdische Trassenführung mit den Lärmschutzwänden beeinträchtigt nicht nur das Landschaftsbild, sondern stellt mit einem deutlich kürzeren Tunnel auch keine saubere Lösung dar. Das Verkehrsproblem in Rabland wird so nur verlagert, aber nicht gelöst.
Welche Trassenführung wünschen sich Ihrer Meinung nach die Rablander?
Wir haben fast 1000 Unterschriften in Rabland gesammelt, welche die neue Trassenführung ablehnen. Wir verlangen, dass eine nachhaltige Umfahrung mit einem Tunnel vom Ortseingang bis zum Ortsausgang gebaut wird. Alle anderen Lösungen sind halbherzig und widersprechen jeglichem Hausverstand. Vor zweieinhalb Jahren noch hat der gesamte Gemeinderat für eine zukunftsweisende Gesamtuntertunnelung gestimmt. Mit der heutigen modernen Tunnelbauweise sind die Außenarbeiten in absehbarer Zeit möglich und das sollte auch die Wirtschaft in Rabland verkraften können.
Sehen Sie Möglichkeiten, dass der Mehrheitswunsch der Dorfbevölkerung doch noch umgesetzt wird?
Wir werden uns gegen den Entscheid wehren zum Wohl unserer Kinder und für ganz Rabland. Wir appellieren an die Vernunft aller Bürger, dass ein solches Ungemach verhindert und die neue Umfahrung nicht zum negativen Wahrzeichen Rablands wird. Unser Vertrauen gilt der Landesregierung, die das Wohl der Rablander Familien im Auge haben wird.
von Josef Prantl