„Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“, verkündeten die himmlischen Heerscharen den Hirten auf dem Feld. So wird im Lukasevangelium die Geburt Jesu, des Christus, des Erlösers angekündigt.
„Ein Kind ist uns geboren worden, sein Name wird genannt werden: Friedensfürst. Für die Fülle der fürstlichen Herrschaft und den Frieden wird es kein Ende geben“, so nachzulesen in Jesaja Kapitel 9, Vers 6 bis 7.
Was für eine schöne Prophezeiung! Mit Jesu Geburt beginnt das Paradies auf Erden. Die Sehnsucht nach Frieden ist in der Geschichte des Menschen allgegenwärtig. Die Botschaft der biblischen Weihnachtsgeschichte ist universal und zeitlos. Ein Gespräch mit dem Theologen und Philosophen Prof. Paul Imhof, der im „Heiligen Hochland“ von Armenien den historischen Ort des biblischen Paradieses gefunden zu haben glaubt.
Dabei gibt es durchaus Parallelen zu den Alpentälern.
BAZ: Prof. Imhof, wofür steht Weihnachten?
Prof. Paul Imhof: Weihnachten ist das Fest der Liebe für alle Menschen, die guten Willens sind. „Wie im Himmel so auf Erden“: Welche Verheißung! Wo die Welt zu einem Ort des Friedens wird, beginnt das Paradies auf Erden.
Sie haben viele Jahre in Armenien gelebt und geforscht und planen einen neuen Film über Armenien, das Heilige Hochland. Warum interessiert Sie das so sehr?
Armenien ist der erste christliche Staat und damit das älteste christliche Land der Welt. Es ist auch das Land, in dem die Geschichte des Noah stattgefunden hat, übrigens der erste Weinbauer.
Es gibt in Armenien dazu spannende prähistorische Funde und tausende von Felszeichnungen. Das armenische Hochland ist in biblischer Perspektive die Welt, in der Adam und Eva gelebt haben. Hier entspringen die vier Paradiesflüsse (vgl. Genesis 2,11-14): Tigris, Euphrat, Pischon (heute Kura) und Gihon (heute Araxes).
Also ist dies der Ort des biblischen Paradieses?
Alles spricht dafür. Es gibt sensationelle Felszeichnungen in Ughtasar im Süden der Republik Armenien, die erstaunlicherweise denen in der Valcamonica sehr ähneln.
Und was hat das mit Weihnachten zu tun?
Das Weihnachtsfest markiert den Zeitpunkt der Rückkehr der Menschheit ins Paradies.
Was heißt das?
Nach dem Verlust des Paradieses – das Symbol der Erinnerung daran ist der Granatapfel – sehnt sich die Menschheit nach einer paradiesischen Zukunft. Das Symbol dafür ist die Weintraube. Davon spricht Jesus beim letzten Abendmahl, bevor er nach seinem Tod am Ende der irdischen Welt in das ewige Paradies zurückkehrte.
In Matthäus, Kapitel 26, Vers 29 sagt Jesus: „Von jetzt an werde ich nicht mehr von dieser Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem mit euch davon trinken werde im Reich meines Vaters.“
Bei jeder Eucharistiefeier bzw. jedem Abendmahl werden wir an dieses Wort erinnert. Jesus hat durch seine Auferstehung den Weg der Rückkehr ins Paradies eröffnet. Begonnen hat alles in der Heiligen Nacht, in der Jesus Christus das Licht der Welt erblickte. Mitten im Dunkel der Nacht beginnt die Rückkehr des wahren Lichts zum wahren Licht, in dessen Spur wir laufen können.
Das ist die Perspektive des ewigen Paradieses. Und was geschieht hier auf Erden? Denn nicht alle glauben an eine jenseitige Welt.
Als Theologe hat man es einfach. Wir sprechen nicht nur von Gottes Transzendenz, sondern auch von Gottes Immanenz. In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir (vgl. Apostelgeschichte 17, 28). Der Apostel Paulus zitiert den antiken griechischen Dichter Kleanthes. Wo also im Kraftfeld der Liebe gelebt wird, wir uns bewegen und da sind, werden nicht nur die Verhältnisse besser, sondern die Menschen werden auch glücklicher.
Das ist einsichtig. So kommt endlich mehr Paradies auf Erden zustande.
Bei der Frage nach dem Paradies hängt alles davon ab, wer Gott ist. Als ewiger, ungeschaffener Geist vermag er unendlich viele Schöpfungen zu schaffen, also auch ein ewiges Paradies im Himmel. Gott ist allmächtig, heißt es. Entscheidend aber ist, dass zum Begriff des Allmächtigen auch die Ohnmacht gehört. Wer wirklich allmächtig ist, muss diese Art von Macht, nämlich die Ohnmacht, auch in sich tragen und aushalten.
An Weihnachten lässt sich Gott auf die Ohnmacht der Menschen ein, erscheint in der Armut menschlicher Existenz?
Ja. So sehe ich das. Ethisch gesehen heißt das, in all unserer Ohnmacht sollen wir die Erde paradiesisch gestalten und so auf eine neue Erde und einen neuen Himmel hoffen.
Noch einmal zurück zu Adam und Eva. Nicht nur als Individuen, sondern als Wesen stehen sie für die Menschheit und ihre irdische Zukunft.
In Armenien gibt es dazu eine Felszeichnung aus dem 4. Jahrtausend vor Christus, die in schamanischer Kürzelsprache die Paradiesgeschichte von Adam und Eva illustriert. Eine Feuerschlange, ein stilisierter Baum, eine Frucht, Eva und Adam, offene Rundhütten, Sonne und Mond – Symbole für die kosmischen Eltern – sind in den Felsen geritzt.
Das Symbol für die Sonne – ein Kreis mit Punkt – findet sich auch in unseren alpenländischen Felsgravuren.
So ist es. Und noch manche andere Felszeichnung ist mit den Funden in Armenien identisch. Wir haben dort alle Tierkreiszeichen, aus denen unser Horoskop besteht, gefunden.
Für Mann und Frau stehen bei uns in Tirol die Menhire von Algund.
Es handelt sich um wunderbare Idole, die von der Einheit des kulturellen und geistigen Menschengeschlechts erzählen. Tirol hat eine eindrückliche prähistorische Geschichte.
Also auch eine paradiesische Zukunft.
Zeitgleich mit den Felszeichnungen im Heiligen Hochland von Armenien gibt es prähistorische Felszeichnungen im „heiligen Tal“ der Camonen, das Tal der Zeichen.
Wir sind alle Nachkommen der Menschen aus dem Neolithikum, der Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit. Sie sind unsere genetischen Ahnen.
Interessant ist die Funktionskontinuität, die sich erhalten hat. So sind die Saltner die Nachfahren der Schamanen, also jener Menschen, deren Aufgabe es war, sich um die Mitmenschen und deren Sachen zu kümmern. Schamanen sind archaische Naturwissenschaftler, die wissen, wie die Natur funktioniert. Die Hütten der Saltner schauen aus wie eisenzeitliche Pfahlhäuser. Wie die Schamanen sind die Saltner für die Flurordnung und den Schutz vor fremdem, feindlichem Zugriff auf die Früchte zuständig.
Was hat das alles mit Weihnachten zu tun?
Das Weihnachtsfest hat seine Wurzeln im Land der Juden, in Israel. Es besteht ein interessanter Zusammenhang zwischen Neolithikum und dem jüdischen Kalender. Im Jahr 2017 zählt man nach dem jüdischen Kalender das Jahr 5777. Damit sind wir genau mitten in der Zeit des Neolithikums. Die Felszeichnungen in Armenien, in der Valcamonica und vielen Ländern unserer Welt sind also in etwa gleich alt. Der Kalender der Juden markiert genau den Zeitpunkt zwischen der prähistorischen Zeit und der geschichtlichen Zeit.
In Jesus von Nazareth ist Gott Mensch geworden, so der christliche Glaube.
Er ist Jesus Christus, d.h. der Messias, das ewige Wort Gottes also hat in dem Mann von Nazareth Fleisch und Blut angenommen.
Daher feiern wir Heilige Nacht. Denn das wahre Licht vom Wahren Licht ist im Dunkel unserer Zeit erschienen.
Dieser Glaube ist in Valcamonica, in den Tälern der Alpen wie auch in Armenien, dem Heiligen Hochland, erhalten geblieben. In der Bibel im Buch Genesis wird die genetisch prähistorische Geschichte der Menschheit ernstgenommen und in die Heilsgeschichte integriert.
von Josef Prantl