Wer eine vierjährige Berufsausbildung abgeschlossen hat, kann ab dem Schuljahr 2018/19 über einen zweijährigen berufsbegleitenden Lehrgang die Matura machen.
Ab kommendem Herbst haben Absolventen einer vierjährigen Berufsausbildung die Möglichkeit, sich in der auf die Matura vorzubereiten, ohne aus dem Berufsleben aussteigen zu müssen. Zu diesem Zweck wird ein zweijähriger berufsbegleitender Lehrgang eingerichtet, der im Rahmen eines Lehrvertrags besucht wird. Diese besondere Form der maturaführenden Lehre wird italienweit nur in Südtirol angeboten und fußt auf einer Sonderbestimmung für Südtirol, die 2015 in die gesamtstaatliche Arbeitsmarktreform (Jobs act) eingefügt wurde. Nun starten das Land, die Berufsschule für Handwerk und Industrie, das Landesamt für Lehrlingswesen und Meisterausbildung gemeinsam mit den Sozialpartnern einen zweiten Versuch, um jungen Menschen in praktischen Berufen, die Möglichkeit zu bieten, sich auf die Matura vorzubereiten, ohne ihre Arbeit aufgeben zu müssen. Ein erster Versuch im vergangenen Jahr konnte wegen der zu geringen Zahl an Einschreibungen nicht umgesetzt werden. Bildungslandesrat Philipp Achammer stellte heute (25. Jänner) Vormittag an der Landesberufsschule in der Bozner Romstraße das Projekt vor. Er rief dabei interessierte junge Leute, die eine Gesellenprüfung in einem vierjährigen Lehrberuf bestanden oder die Diplomprüfung an einer vierjährigen Fachschule abgelegt haben, auf, von diesem Angebot Gebrauch zu machen beziehungsweise sich „heranzutrauen“.
Der Bildungslandesrat sprach von einem „bildungspolitisch wichtigen Schritt, der zur Gleichwertigkeit der Ausbildungswege“ beitrage. Er berief sich auf den Präsidenten des Unternehmerverbands, Federico Giudiceandrea, der allen Eltern geraten hatte, ihre Kinder nicht von einer praktischen Ausbildung abzuhalten. Das Land Südtirol nehme sich in der Berufsbildung die Schweiz zum Vorbild und richte sich nach dem Motto „kein Abschluss ohne Anschluss“ aus.
Die Direktorin im Amt für Lehrlingswesen und Meisterausbildung, Cäcilia Baumgartner, stellte das Ausbildungskonzept vor. Zumal das Spektrum der Lehrberufe um sieben auf 19 ausgebaut worden sei, rechne man damit, dass der neue Versuch im Herbst erfolgreich sein werde. Die Möglichkeit, in insgesamt sechs Jahren Lehre die Matura erreichen zu können, sei Ausdruck der Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit der Ausbildung. Gleichzeitig werte die Möglichkeit, den Bildungsweg fortsetzen zu können, die Berufsbildung auf.
Voraussetzungen für die Bewerbung um Aufnahme an der vorgesehenen Aufnahmeprüfung sind demnach ein Alter von höchstens 24 Jahren, der Abschluss einer vier jährigen Fachschule beziehungsweise eine Gesellenprüfung in einem der folgenden Lehrberufe: Elektrotechniker, Kommunikationstechniker, Maschinenbaumechaniker, Maurer, Mechatroniker, Mediengestalter (Techniker sowie digital und Print), Schlosser, Schmiede, Steinbildhauer, Tischler, Werkzeugmacher und Zimmerer, Installateur von Heizung und sanitären Anlagen, Kälte- und Klimatechniker, Karosseriebauer, KFZ-Mechatroniker, Landmaschinentechniker, Maler und Lackierer sowie Bau- und Galanteriespengler. Die Aufnahmeprüfung umfasst eine schriftlichen Prüfung in Deutsch und Mathematik, ein Gespräch zur Überprüfung der Kenntnisse in Italienisch, Englisch und Betriebswirtschaft sowie einem Gespräch zur Feststellung der Motivation der Kandidaten. Bereits bestandene Aufnahmeprüfungen behalten ihre Gültigkeit.
Der Lehrgang umfasst insgesamt 1232 Unterrichtsstunden, die auf zwei Jahre aufgeteilt sind. Der Unterricht findet in den ersten drei Semestern freitags und samstags statt, im 4. Semester zusätzlich auch donnerstags. Die Inhalte des Lehrgangs umfassen den Bereich der allgemeinbildenden Fächer, einen Projektbereich sowie fachspezifische Fächer.
Dass die berufliche Ausbildung nicht in einer Sackgasse enden dürfe, betonte auch LVH-Direktor Thomas Pardeller. Er führte ebenfalls die Schweiz als Beispiel an, wo 65 Prozent der Jugendlichen die duale Ausbildung wählten, 30 Prozent dann auch eine Matura ablegten. Die Möglichkeit, dass sich ein Mitarbeiter berufsbegleitend auf die Matura vorbereiten kann und trotzdem weiterhin dem Betrieb mit seiner Fachkompetenz zur Verfügung steht, sowie die Verringerung der Sozialabgaben kämen dem Arbeitgeber zugute, der sich auf das Vorhaben einlasse. Nach bestandener Matura könne der Jugendliche mit einer Einstufung als spezialisierter Mitarbeitender rechnen.
Besonderes Interesse an dem Angebot komme aus dem KFZ-Bereich, berichtete Berufsschuldirektor Peter Prieth. „Es darf nicht heißen, Lehre oder Matura, sondern Lehre und Matura“, forderte der Berufsschuldirektor. Er kündigte für Mittwoch, 7. Februar 2018, eine Informationsveranstaltung an: Um 19.00 Uhr erhalten interessierte Jugendliche und Eltern an der Landesberufsschule für Handwerk und Industrie in der Romstraße 20 in Bozen Auskünfte aus erster Hand. Interessierte können sich dann bis 15. März 2018 in Berufsschule für Handwerk und Industrie in Bozen (Tel. 0471 540703, Rosy.Piaia@schule.suedtirol.it) anmelden.
Informationen:
www.provinz.bz.it/berufsbildung/ausbildung/1921.asp
(jw)