Mehrfamilienhaus energetisch sanieren: Info-Kampagne gestartet
14. März 2018
Berlin
15. März 2018
Alle anzeigen

Zukunft Mobilität

Eine Zukunftsvision: Eine moderne Elektrotram von Meran ins Passeiertal

Düstere Zeiten für Autoliebhaber: Dass sich unsere Mobilität radikal verändern wird, sind sich die Experten einig. Dabei wird das eigene Auto eine immer geringere, wenn nicht gar keine Rolle mehr spielen.

Die Zukunft der Mobilität wird vernetzt sein. Konkret heißt das, dass wir alle Fortbewegungsmittel – vom Rad über Tram, Bahn, Flugzeug bis zum Auto – jederzeit nutzen werden, je nach Bedarf und Zweck. Der alte Verbrennungsmotor wird keine Rolle mehr spielen. Elektrofahrzeuge werden ihn ersetzen. Das wissen auch alle großen Autohersteller und tüfteln bereits eifrig am Mobilitätskonzept der Zukunft, auch wenn noch wenig davon nach außen dringt.
Daimler, einer der größten Fahrzeugbauer, hat einen Vorstoß gemacht und sein „Concept EQ“ vorgestellt. „Die Mobilität der Zukunft bei Mercedes-Benz stützt sich auf vier Säulen: Connected, Autonomous, Shared und Electric“, sagt Dieter Zetsche. EQ stehe für ein umfassendes elektrisches Ökosystem aus Services, Technologien und Innovationen, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG. Dass alle Fahrzeuge elektrisch unterwegs sein werden und autonom fahren können, muss schon gar nicht mehr erwähnt werden.  Das beste Fortbewegungsmittel vor allem in den Städten bleibt aber das Rad. Warum soll es nicht möglich sein, in den Stadtkernen nur mehr mit dem Fahrrad unterwegs zu sein? Dazu bräuchte es nur ausreichend Verleihstationen zu günstigen Preisen.
Elektrotram auf dem Vormarsch
Lärm und verpestete Luft vermeiden helfen könnten Elektroautos. Heutige Batterien sind aber teuer, haben nur Strom für etwa 150 Kilometer und müssen stundenlang wieder geladen werden. Elektrotrams erleben hingegen weltweit ihre Wiederauferstehung. Sie gelten nicht nur als umweltfreundlich und günstig, sie fahren auch schneller als Busse. Die neuen Straßenbahnen in Mestre-Venedig oder Padua stehen für diesen umweltfreundlichen und bürgernahen Trend.

Beim ehemaligen Pulverlager an der Zenobergstraße laufen alle Fäden zusammen

Auslaufmodell Privatauto
Unser Lieblingskind, das Auto: zu viel Blech, zu viel verbrauchte Energie, zu viel zugeparkte Fläche. Und zu viele Opfer: Tausende Verkehrstote in Italien jedes Jahr. Gerade Daimler und Co, also die Autohersteller selbst, werden ihm den Todesstoß verleihen. „Smart Vision EQ Fortwo“ heißt einer seiner Nachfolger: ein elektrisch betriebenes „Mobile“, das autonom zu den Nutzern fahren, sie einladen und automatisch am Zielort absetzen wird. 24 Stunden am Tag sollen diese kleinen Kabinenroller in Bewegung sein. Mit optimaler Auslastung. Das eigene Fahrzeug in der Garage wird so uncool wie die verstaubende DVD-Sammlung heute schon im Wohnzimmerregal. Selbst bei prestigeträchtigen Modellen könnte das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ funktionieren: Porsche testet, vorerst in den USA, eine Art Flatrate. Für 3000 Dollar im Monat hat man bei Porsche Zugriff auf 22 PS-starke Fahrzeuge.

Leihen statt besitzen
Leihen statt besitzen, heißt also die Option. „Car2go“ ist ein solches Konzept, das bereits in vielen europäischen Städten umgesetzt wurde. Die Teilnehmer besitzen eine Chipkarte, und wenn sie am Straßenrand eins der „car2go“-Autos sehen, dann können sie es mit diesem Chip sofort freischalten und losfahren. Leider hat sich Carsharing bei uns noch nicht so durchgesetzt, auch wenn es die Möglichkeit dazu in den Städten bereits gibt. „Carsharing-Südtirol“ Nutzer können mit ihrer Karte aber Leihautos in allen europäischen Metropolen ausleihen. Fakt ist: Dem Individualverkehr steht ein tief greifender Wandel bevor, der weit über die Elektrifizierung hinausgeht.

Verkehrslösungen für Meran und Umland
Langfristig ist die Richtung also vorgegeben. Kurzfristig gilt es aber, intelligente und zukunftsträchtige Lösungen zu finden. Lärm, Abgase, Staus – zu Stoßzeiten wird dem Meraner Raum immer öfter der Verkehrsinfarkt drohen. Davon ist Walter Bernard überzeugt. Der Maschinenbau-Ingenieur beschäftigt sich schon seit langem mit alternativen Mobilitätsmodellen. Wir sprachen mit ihm über seine Visionen eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts für den Meraner Raum.

Was wird das Jahrhundertprojekt „Küchelbergtunnel“ für Meran und das Umland an Verkehrsentlastung bringen?

Dipl. Ing. Walter Bernard

Dr. Ing. Walter Bernard: Die Nordwestumfahrung im Küchelbergtunnel ist noch lange nicht Wirklichkeit, und das Warten darauf ist die Hauptursache dafür, dass es in Meran immer wieder zu Überlastungen im Straßenverkehr kommt und dass eine nachhaltige Lösung des Problems bisher nicht in Angriff genommen wurde. Die Verantwortlichen haben es bisher versäumt, einfache und relativ kostengünstige Maßnahmen zu realisieren. Sie haben ausschließlich auf das Megaprojekt Nordwestumfahrung gesetzt, das sowohl was die Kosten als auch was die Bauzeit betrifft, absolut unangemessen ist. In den nächsten zehn Jahren wird dieses „Projekt aus dem vorigen Jahrhundert“ also außer Kosten nichts bringen.

Die tourismusintensiven Gemeinden Tirol und Schenna benötigen eine Alternative zum öffentlichen Busdienst. Woran denken Sie dabei?
Es geht nicht nur um eine Alternative zum bestehenden Busdienst, sondern es geht darum, Infrastrukturen für eine nachhaltige Mobilität zu errichten, damit möglichst viele Menschen bereit sind, auf das eigene Auto zu verzichten. Eine Verbesserung der Situation bei gleichzeitiger Verringerung der Umweltbelastung kann nur durch ein schnelles und benutzerfreundliches öffentliches Verkehrssystem erreicht werden. Deshalb habe ich bereits 2004 eine Machbarkeitsstudie für die Anbindung von Dorf Tirol und Schenna mit einer Tram durch den Küchelberg und Kabinenbahnen zu den beiden Tourismusgemeinden vorgestellt. In einer zweiten Studie von 2006 habe ich vorgeschlagen, auch das Passeiertal mit einer Tram zu erschließen. Das Herzstück meiner Vorschläge ist in beiden Fällen eine Tram von der Galileistraße in Meran durch den Küchelberg zum ehemaligen Pulverlager. Ausgehend vom dortigen Mobilitätszentrum samt Auffangparkplatz sollte Schenna mit einer Seilbahn und Dorf Tirol mit Elektro-Shuttle-Bussen angebunden werden. In einem zweiten Baulos könnte die Tramlinie dann entlang der Passer bis nach St. Leonhard weitergeführt werden.

Nach Schenna würden Sie also den Bau von Kabinenbahnen durch die Obstwiesen vorsehen. Wie stellen Sie sich das genau vor?
Auf Kabinenbahnen habe ich in meiner zweiten Studie von 2006 bewusst verzichtet, weil sie sich für die vorgesehene Nutzung und das gegebene Gelände nur bedingt eignen. Man hat ja gesehen, auf welchen Widerstand die Studie gestoßen ist, die Assessor Widman vor einigen Jahren hat erstellen lassen. Für Schenna ist eine klassische Pendelbahn vom Pulverlager zum dortigen Vereinshaus meiner Ansicht nach die beste Lösung. Das Geländeprofil ermöglicht es, die Strecke mit nur ein bis zwei Stützen zu überwinden und sie kann in wenigen Minuten zurückgelegt werden. Außerdem sind die Betriebs- und Wartungskosten einer Pendelbahn deutlich niedriger als die einer kuppelbaren Kabinenbahn.

Und für Tirol?
Für Dorf Tirol ist eine seilbahntechnische Erschließung vom Pulverlager aus wenig sinnvoll. Das langgestreckte Dorf kann mit einem Shuttle-Bus im 10-Minuten-Takt vom Tiroler Kreuz zum Pulverlager  optimal erschlossen werden. Wenn man dann bedenkt, dass die Tram die Strecke vom Pulverlager zum Meraner Stadtzentrum in zwei Minuten zurücklegt, dann werden die Nutzer eine kurze Umsteigezeit gerne in Kauf nehmen.

In einer Ihrer Studien steht, dass ein Metrobus die Fahrgäste von Meran zum zentralen Parkplatz Passeier bringen soll. Dabei sehen Sie auch eine Untertunnelung vor.
Der Begriff Metrobus ist aus heutiger Sicht etwas irreführend. Ich habe in meinen Machbarkeitsstudien als Verkehrsmittel für die Fahrt durch den Küchelberg an die Leicht­straßenbahn mit einer zentralen Schiene der Firma Translohr (so wie sie derzeit in Padova und Mestre-Venedig eingesetzt wird) gedacht. Diese Bahn wurde von der Herstellerfirma in der Einführungsphase als Metrobus bezeichnet. Die Bezeichnung wurde wohl deshalb gewählt, weil es sich um eine Straßenbahn mit gummibereiften Rädern handelt, die von nur einer Mittelschiene geführt wird. Meine Studie sieht vor, dass die Bahn von der Galileistraße durch einen etwa ein Kilometer langen Tunnel bis zum Pulverlager fährt, wobei eine Weiterführung in das Passeiertal möglich ist.

Sie haben die Vision einer „Psairer Tram“ vom Bahnhof Meran bis nach St. Leonhard entwickelt. Ist das nicht etwas nach den Sternen gegriffen?
Meine Studie von 2006 sieht drei Baulose vor, die unabhängig voneinander realisiert werden können. Die Strecke in das Passeiertal wäre das zweite Baulos, und sie ist, im Gegensatz zum Griff nach den Sternen, durchaus realisierbar. Sicher sind dabei einige technische und finanzielle Hindernisse zu überwinden, aber der Bau dieser Trambahn ist gewiss nicht schwieriger als die Untertunnelung der Stadt. Interessant finde ich, dass mittlerweile auch namhafte Vertreter des Passeirer Fremdenverkehrs Interesse an so einer Tramlinie gezeigt haben. So bin ich erst kürzlich zu einer Aussprache in der Bezirksgemeinschaft eingeladen worden, wo ich meine Ideen darlegen konnte und wo sogar davon die Rede war, dass die Passeirer Gemeinden durchaus in der Lage wären, sich finanziell zu beteiligen.

Was schlagen Sie zur Verkehrsentlastung für das Meraner Stadtgebiet vor?

Eine Straßenbahn durch Meran hat es schon einmal gegeben

Für das Meraner Stadtgebiet sieht meine Studie im dritten Baulos eine Tramlinie in Ringform vor. Vom Ausgang des Tunnels in der Galileistraße führt diese Linie über die Karl-Wolf-Straße zum Bahnhof und von dort über die Freiheitsstraße und die Sparkassenstraße zurück zur Tunneleinfahrt. Damit wären wichtige Punkte wie das Schulzentrum, das Krankenhaus, der Bahnhof und die Innenstadt erschlossen. Diese Tramlinie sollte im 7-Minuten-Takt verkehren und auch als Verteiler für alle außerstädtischen Linien dienen, welche dann nur mehr das Mobilitätszentrum beim Bahnhof anfahren.

Im Mobilitätsplan der Bezirksgemeinschaft NAMOBU ist wiederholt von einer Tram für das Burggrafenamt die Rede. Haben Sie sich auch darüber Gedanken gemacht?
Für ein flächendeckendes Netz von Tramlinien sind die Investitionskosten wohl zu hoch und die Fahrgastzahlen außerhalb der Stoßzeiten zu niedrig. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass neben der von mir vorgeschlagenen Ringstrecke eine zweite Linie von Algund über den Bahnhof und den Theaterplatz bis zum Bahnhof Untermais und zur Handwerkerzone eine optimale Ergänzung wäre. Das auch deshalb, weil ich bei einem Gespräch mit dem Bürgermeister von Algund den Eindruck hatte, dass in dieser Gemeinde Interesse an einer Anbindung durch eine Tramlinie besteht.

Was würde denn das alles kosten und mit welchen Bauzeiten rechnen Sie?
Genaue Kostenschätzungen sind bekanntlich ein schwieriges Unterfangen. In Padova sind derzeit für einen zweiten Streckenabschnitt von ca. 6 km Länge Investitionen von 60 Mio. Euro vorgesehen. Für die ca. 17 km vom Pulverlager nach St. Leonhard würde ich deshalb mit einer Investition von etwa 160 Millionen Euro rechnen. Das erste Baulos, die Tram durch den Küchelberg von der Galileistraße zum Pulverlager, ist sehr gut vergleichbar mit der Standseilbahn von Gröden (Val Gardena Express), welche 2004 in eineinhalb Jahren für etwa 15 Millionen Euro gebaut wurde. Es ist also realistisch anzunehmen, dass dieses Baulos samt Mobilitätszentrum und Anbindung von Schenna mit Seilbahn in zwei Jahren mit einem Kostenaufwand von 30 Millionen Euro realisiert werden könnte. Und damit wäre schon ein Gutteil der Verkehrsprobleme auf der Einfahrt nach Meran gelöst.

Pfelders hat in Südtirol eine Vorreiterrolle für die sanfte Mobilität im Tourismus eingenommen. Wäre das für Meran nicht auch etwas?
Meran hat alle Voraussetzungen, um in absehbarer Zukunft zu einer Modellstadt in Bezug auf sanfte Mobilität zu werden, nicht nur, was den innerstädtischen Verkehr betrifft, sondern auch bezüglich der Erreichbarkeit von außen. Man muss nur in die richtigen Infrastrukturen investieren und dazu gehört sicher nicht eine Tiefgarage im Küchelberg.

von Josef Prantl