Die einzigartige Rundkirche mit Wohnturm und Bauernhof auf dem Aussichtshügel über Schenna stellt ein besonderes Baudenkmal dar.
Ursprünglich stand an der Stelle eine Ritterburg mit Bergfried und Ringmauern aus hochmittelalterlicher Zeit. Dies beweisen die gut zwei Meter starken Fundamente, auf denen der heutige quadratische Uhlenturm ruht. Der Anlass für den Bau der römisch-katholischen Rundkirche aus der Romanik im 12./13. Jh. ist nicht eindeutig geklärt. Sie mag vom rückkehrenden Adel aus dem Kreuzzug der Katholiken um 1250 erbaut worden sein und diente den Herren von Schenna als Burgkapelle, 1346 erstmals urkundlich erwähnt. Unter Margarethe Gräfin von Tirol entstand in der Folge Schloss Schenna als künftige Fürstenresidenz. Der eindrucksvolle Sakralbau zu St. Georgen wurde der Obhut und Pflege der Bauern im gleichnamigen Weiler überlassen.
Ausstattung der Rundkirche
Es handelt sich dabei um einen seltenen Rundbau mit Kegeldach und hohem Kreuzrippengewölbe, einem Element gotischer Bauarchitektur. Das steile Dach war ursprünglich mit Schindeln, später mit Tonziegeln gedeckt. Gegen Ende des 14. Jh. erfährt dieses einmalige Bauwerk im Inneren eine sehr reichhaltige Ausschmückung mit Freskenzyklen über das gesamte Deckengewölbe und das runde Außengemäuer hinweg. Der namentlich nicht benannte Meister dieser heute noch aussagekräftigen Fresken war um jene Zeitepoche nachweislich auch an den Malereien in Schloss Lichtenberg, in St. Nikolaus, Rojen, zu St. Prokulus, Naturns beteiligt. Ein schöner spätgotischer Flügelaltar wird der Werkstatt des bekannten Hans Schnatterpeck um 1500 zugewiesen. Der kleine Seitenaltar birgt eine Pietà-Büste von geringerer kunsthistorischer Bedeutung. Um 1500 wurde der ansehnliche, freistehende Kirchturm mit Spitzbogenfenstern und gotischem Maßwerk samt spitzem Pyramidendach an der Nordostseite angefügt. In der Mitte des Kirchengewölbes steht als stützendes Element eine Rundsäule aus Granit mit der eingravierten Jahrzahl 1591. Sie wurde zur Sicherheit der Deckenkonstruktion nach einem Blitzeinschlag, der auch einen Teil der Fresken zerstört hatte, eingesetzt. Die verzierte Predigtkanzel mit Treppenaufgang und Schalldeckel stammt aus dem frühen 17. Jh. Als weitere Besonderheit gilt die barocke Holzskulptur der gekreuzigten bärtigen Kummernus, einer legendären Heiligen profaner Volksfrömmigkeit. Mit zwei holzgeschnitzten Bankreihen auf Vollziegelboden bietet die originelle Georgener Rundkirche genügend Platz und einzigartige historische Atmosphäre für Fest- oder Gedenkgottesdienste nach Vereinbarung. Am Georgstag 23. April ist Patrozinium, und einmal monatlich wird eine Sonntagsmesse gehalten, die bis in die Gegenwart vom Bauernstand in Tracht meist gut besucht ist. An zwei Wochentagen wird eine Kirchenführung für Gäste und Besucher geboten, gegen freiwillige Spenden für die Erhaltung des sakralen Kleinods.
Der Kirchenschmuck im Detail
Der kunsthistorisch wertvolle Kirchenschmuck steht als Landeskulturgut unter Denkmalschutz. Es ist erstaunlich, dass die Freskenmalereien vor 700 Jahren noch im Original bis heute erhalten sind. Dabei wurde die gesamte Gewölbedecke in Trockenfreskentechnik aufgemalt. Sie stellt das Jüngste Gericht dar, mit den Aposteln, den vier Evangelisten, mit der Schar von weißen Jungfrauen, welche himmelwärts zum Bräutigam ins ewige Licht wandern – während die törichten Jungfrauen ohne Licht kein Heil erfahren. Die Wandfresken sind etwas intensiver in Nassfreskentechnik aufgetragen, dadurch auf Dauer haltbarer. Sie veranschaulichen vom Hochaltar nach Westen die Legende von St. Georg in allen Szenarien seines Martyriums: erst hoch zu Ross als Drachentöter – dann, weil er sich als Christ bekennt, wird er dem Richter vorgeführt. Er landet im Gefängnis und wird zum Tod verurteilt – doch der Engel spricht ihm Mut zu. Als er den Raubfischen zum Fraß ins Meer geworfen wird, beißen diese nicht – er wird im Fass gerädert, doch ein Engel rettet ihn – durch gegensätzlich eingespannte Pferde soll er in zwei Teile gerissen werden, jedoch die Pferde ziehen nicht. Letztes Szenenbild ist die Enthauptung des Hl. Georg und seine Grablegung. Es folgt der Freskenzyklus der Nikolauslegende. Zwei Freskenbänder begrenzen die Wandmalereien: im unteren Band erscheinen die Fabeltiere der heidnischen Anbetung – das obere Band zeigt die Heiligen Häupter des Christenglaubens. Dieser außergewöhnliche Freskenschmuck in der Rundkirche schildert und umspannt somit den Übergang des Heidentums zum Christenglauben im 14. Jh. Auch im Schrein des offenen Flügelaltars ist St. Georg im Kampf mit dem Drachen dargestellt – im Hintergrund zwei Teppich haltende Engel. Die Figuren von Maria mit dem Kind und jene der Hl. Barbara flankieren dieses Altarbild. Die offenen Altarflügel zeigen Reliefs von Papst Silvester und dem Hl. Antonius. Bei geschlossenen Altarflügeln zeigt sich das Bild der Verkündigung an Maria. Der reiche künstlerische Schatz an diesem außergewöhnlichen archaischen Platz rechtfertigt zu jeder Jahreszeit einen lohnenden spirituellen Besuch auf St. Georgen bei Schenna.
von Jörg Bauer