Das Ultental hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark entwickelt und behielt dennoch viel von seiner Ursprünglichkeit.
Was besonders ins Auge fällt, sind die bekannten Schindeldächer historischer Höfe im Ultental. In den vergangenen Jahrhunderten waren es besonders die europaweit bekannten Heilquellen der „Bäder“, die auch sehr prominente Persönlichkeiten in das Ultental lockten, wie z. B. Otto von Bismarck, den späteren deutschen Kanzler, worüber es Aufzeichnung gibt, dass er das „Mitterbad“ besuchte.
Die Geschichte des Ultentales
Die einzigartige Geschichte des Tales findet sich im Talmuseum, dem neuen Dokumentationszentrum „Culten“, wie auch im Naturparkhaus „Lahnersäge“ dokumentiert. Mehrere Funde von Tonscherben und Leichenbrandstätten bezeugen die lange Siedlungsgeschichte des Ultentales, die bis ins 1. Jahrtausend vor Christus reicht. Weitere Besiedlungen werden durch rätoromanische Formen urkundlich erwähnt. Im Zuge der Völkerwanderung erlebte das Gebiet den ersten größeren Ansturm. Es waren demnach vor allem Ostgoten, die in das Seitental flüchteten. Ihre Überbleibsel finden sich heute in einigen Kultzeichen und Mundartformen. Als das Tal 1082 durch das Kloster Weingarten übernommen wurde, hatte es sich bereits gut entwickelt und war gut besiedelt. Es existierte sogar eine Rechts- und Wirtschaftsform mit großzügigen Freiheiten der Landwirte und der Zuweisung der Waldgrundstücke an bestimmte Bauernhöfe. Im Jahre 1140 scheint Ulten bereits erstmals als selbstständiges Gericht auf. Es war die Zeit, in der die Herren von Eppan die sogenannten „Pfleger“ stellten. Ihr Schloss „Escheloch“ taucht 1164 erstmals in Urkunden auf. Leider zerfiel das herrschaftliche Anwesen in den darauffolgenden Jahrhunderten, sodass es 1790 nur noch als Ruine bekannt war und durch das Pfleghaus in der naheliegenden Gemeinde St. Pankraz ersetzt wurde. Später übernahmen die Tiroler die Verwaltung über das Gericht Ulten.
Der Name Ulten
Über die Ursprünge der Bezeichnung „Ulten“ ist man sich bis heute nicht einig, auch wenn es unzählige Geschichten und Spekulationen darüber gibt. Diese reichen vom ursprünglich verwendeten Namen „uldna“ bis hin zum Ausspruch „ultun“. Als zuverlässigste Erklärung erweist sich, laut neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft, die Annahme, dass die Bezeichnung mit einem einstigen Besitzer namens „ulte-nu“ zusammenhängen könnte, der dem Tal den Namen gab. Die italienische Bezeichnung für das Tal entlang der Falschauer ist „Val d᾿Ultimo“.
Die Ursprünge der Gemeinde Ulten
Noch lange bevor Ulten eine selbstständige Gemeinde wurde, war das ganze Tal in zuerst 8, dann aber 12 Wercher, d. h. autonome Siedlungsgebiete unterteilt. Diese Einteilung erfolgte gemäß der Regelung der Abgaben des Gemeinwesens, der Rechtsprechung und der Verteidigung. So gab es 1430 beispielsweise 198 freie Bauern und nur 28 sogenannte „Hörige“ mit weniger Rechten. Nachdem Maximilian I. im Jahr 1492 die Herrschaft und das Gericht Ulten an die Grafen von Trapp übertragen hatte, blieb das Tal bis 1830 unter deren Verwaltung und wurde anschließend dem Gericht Lana angegliedert und später dem von Meran. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts bildete das gesamte Ultental die gemeinsame Gemeinde „Ulten“. 1960 spaltete sich St. Pankraz von der Gemeinde Ulten ab und bildete seine eigene Verwaltung. Seither besteht die Gemeinde Ulten aus den drei Fraktionen St. Walburg, St. Nikolaus und St. Gertraud, wobei St. Walburg den Hauptort mit dem Rathaus bildet.
Wirtschaftsstandort Ulten
Das Gebiet um die Gemeinde Ulten hat im Laufe seiner Geschichte weniger als viele andere Gebiete von seiner Ursprünglichkeit verloren. Davon zeugen nicht nur die historischen Bauernhöfe mit den einzigartigen „Schindeldächern“ sondern die gesamte Kultur. Einst waren die Bauernhöfe die Vorläufer der heutigen Hofstätten und dienten vor allem der Bewirtschaftung von Hochweiden. Überhaupt hat die Landwirtschaft in Ulten bis heute seine Bedeutung behalten, wobei auf den rund 271 noch heute bewirtschafteten Höfen vor allem Viehwirtschaft betrieben wird. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in Ulten auch Getreide angebaut. Davon zeugen noch bis heute einige Mühlen. Auch Hanf und Flachs wurden angepflanzt und fanden ihren Einsatz als Rohstofffasern für die Tuchwebereien. Den Loden hingegen gewann man aus Schurwolle. Daraus wurde früher vielfach die Kleidung angefertigt. Als heutige Erwerbsquellen hinzugekommen sind Handwerk, Handel, Tourismus, Dienstleistung, Industrie und Gewerbe, bei dem die Holzverarbeitung nach wie vor einen beachtlichen Stellenwert einnimmt. Außerdem haben viele Bauern durch „Urlaub auf dem Bauernhof“ eine lukrative Nebenerwerbsquelle entdeckt. Besonders attraktiv für den Tourismus ist auch das einzigartige Ski- und Wandergebiet Schwemmalm, welches jährlich viele Besucher anzieht.
Bäderkultur in Ulten
Der Fremdenverkehr hat in Ulten eine lange Geschichte, was, wie bereits erwähnt, vor allem mit den zahlreichen „Heilwasserbädern“ zusammenhängt, deren Überreste noch bis heute zu finden sind. Die Ursprünge dieser Badekultur reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück. Ihren Aufschwung erlebte sie im Hochmittelalter, wo es vor allem die Ritter waren, die die Idee vom Orient in das Alpenland brachten. Im 16. Jahrhundert war das Baden vorübergehend aus Angst vor Seuchen verpönt. Weil bei einigen Mineralwasserquellen aber tatsächlich eine heilsame Wirkung zu beobachten war, entstanden in der Nähe dieser Quellen sogenannte Wallfahrtskapellen und Badehäuser. Die wohl älteste und weit über den Alpenraum hinaus bekannte Badeeinrichtung im Ultental war das „Mitterbad“, das sich in der heutigen Gemeinde St. Pankraz befindet. Auch wenn sich bei der stark verfallenen Struktur heute nur noch schwer erahnen lässt, welche Bedeutung dieses „Badl“ einst hatte, war es doch während seiner Blütezeit ein Magnet für den europäischen Adel. Auch zahlreiche Künstler wie der Schriftsteller Thomas Mann besuchten gerne das Mitterbad, um sich bei verschiedenen Badekuren zu erholen. Insgesamt gab es in Ulten vier Mineralwasserquellen: das eben genannte Mitterbad, das Bad Lad, das Lotterbad und das Bad Überwasser. Wie die Namen erahnen lassen, unterschied man bei den Bädern zwischen „Herrenbadln“, „Bauernbadln“ und „Lotterbadln“, wobei letztere vor allem der einfachen Bevölkerung zugutekamen.
Wasserreiches Tal
Das Ultental ist jedoch nicht nur wegen seiner vielen „Heilquellen“ landesweit als eines der wasserreichsten Gemeinden bekannt. Das Tal besitzt auch mehrere Stau- und Bergseen, von denen die meisten ohne sichtbaren Zufluss sind. Die Ultner Bergseen befinden sich alle über 2000 Meter über dem Meeresspiegel und sind großteils nur zu Fuß erreichbar. Dazu gehören der Falkomaisee und der Uenletztensee auf der Sonnenbergseite, die Drei Seen mit dem Plombodensee, die Kofelraster Seen und der Arzkarsee. In nördlicher Himmelsrichtung befinden sich außerdem der Klapfbergersee oder Schrummsee, der Seefeldsee im Auerbergtal, der Hochwartsee oder auch Seegrubnersee, sowie der Laugensee, der nahe des Gampenpasses liegt.
Die Stauseen
Mit dem Grünsee, dem Weißbrunnsee, dem Arzkarsee, dem Zogglersee und dem Pankrazer See verfügt das Ultental nicht weniger als fünf Stauseen, die insgesamt rund 56 Millionen m3 Wasser fassen und jährlich eine Stromproduktion von über 400 Millionen KW Strom ermöglichen.
Die Pflanzenwelt
Die unterschiedlichen Höhenlagen des Ultentales begünstigen eine große Vielfalt an Pflanzen, was ein dreimaliges Mähen unter dem Jahr ermöglicht. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Heu, dem sogenannten „Grumet“ oder „Grund-Mahd“ und dem „Povel“. Einen besonders hohen Nährwert besitzen die vielen Gräser und Bergkräuter auf den höheren Lagen. Das Ultental gehört nach dem Eggental zu den waldreichsten Gebieten in ganz Südtirol. Die häufigsten Baumarten sind Fichte und Lärche. Die Waldgrenze befindet sich auf ca. 2000 Höhenmeter.
Beweis für ein gutes Waldklima
Besonders eindrucksvoll sind in Ulten auch die „Ultner Urlärchen“, welche den besten Beweis für das förderliche Waldklima bieten. Die Urlärchen befinden sich in St. Gertraud und werden auf ein Alter von rund 850 Jahren geschätzt. Wer nach Ulten kommt, sollte sich einen Besuch des Dokumentationszentrums „Culten“, das Naturparkhaus „Lahnersäge“ und das Ultner Talmuseum nicht entgehen lassen, wo die wissenschaftliche Aufbereitung dieser Besonderheiten des Tales zu sehen sind.
Das Talmuseum
Es befindet sich in St. Nikolaus und wurde im ehemaligen Gebäude der Volksschule errichtet. Es zeigt in sieben Räumlichkeiten die Geschichte um die Bauern- und Volkskultur des Ultentales. Außerdem findet man im Museum verschiedene historische landwirtschaftliche Geräte und unterschiedlichste Handwerksgegenstände. Auch mehrere präparierte Tiere, wie beispielsweise ein Auerhahn, Steinadler und sogar ein Bär sind hier zu sehen. In einer alten Bauernküche erhält man einen kleinen Eindruck, wie das karge Leben der Einwohner in Ulten damals ausgesehen hat.
Die historische Sägemühle
Die „Lahnersäge“ befindet sich in St. Gertraud und ist Teil eines Nationalparkhauses des Nationalparks Stilfser Joch. Bis weit in die 1980er Jahre war diese Säge noch in Gebrauch. Heute wird sie nur noch für Schauzwecke verwendet und bietet einen Grund mehr, die Gegend zu besuchen. Angetrieben wird die Lahnersäge durch die Stromkraft der Falschauer.
Das Dokumentationszentrum „Culten“
Mit dem neuen Dokumentationszentrum „Culten“ wurde im Frühjahr 2018 in Ulten eine kulturelle Sehenswürdigkeit errichtet, die Aufschluss über die Geschichte des Tales gibt. Das „Culten“ ist in drei Bereiche aufgegliedert: dem Dokumentationszentrum der Siedlungsgeschichte in der Stein-, Bronze- und Eisenzeit, mit dem Nachbau eines Brandopferaltars als Herzstück, dem Bauernhaus „F’Hochhaus“, das die Blockbauweise des 15. Jahrhunderts dokumentiert, sowie den Außenbereich, wo einige für das Ultental typische Kulturpflanzen angepflanzt wurden. Dieser Bereich wird auch für kleinere kulturelle Veranstaltungen genutzt.
Verborgener Bergbau und Holzwirtschaft
Wie im Dokumentationszentrum zu sehen, erinnern an den einstigen Abbau von Erzen bis heute die Namen „Silberhof“ oder „Knolleisen“ in St. Pankraz. Auf dem Gemeindegebiet Ulten selbst wurde bis ins 21. Jahrhundert wertvoller Marmor abgebaut. Eine beachtliche historische Erwerbsquelle war auch die traditionelle Holzverarbeitung, die den Bauern lange Zeit als eiserne Reserve diente. Die bereits erwähnte Lahnersäge ist nur eine der zahlreichen kleinen Sägewerke, die im Tal betrieben wurden. Eine führende Rolle spielte vor allem die Säge des Schmiedhofes. Jahrhundertelang wurde das verkaufte Holz über die Falschauer nach Lana getriftet. Es diente als Brennholz und später als Rohstoff der bekannten Pappenfabrik in Lana zur Herstellung von Papier bzw. Karton.
von Philipp Genetti