In Zeiten des Klimawandels und einer boomenden Baubranche wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. Aber was bedeutet nachhaltig zu bauen?
Die Baubranche im Burggrafenamt boomt weiter. In Zeitungen und vielen weiteren Medien, auf Messen und bei Tagungen fällt dabei immer wieder das Schlagwort „Nachhaltigkeit“. Nachhaltig bauen solle man. Denn, gerade wenn es um das Thema Bauen geht, gilt es, längerfristige Ziele ins Auge zu fassen. Gebäude werden für eine jahrzehntelange Nutzung gebaut. Dementsprechend wird heute vor allem auch auf einen niedrigen Energieverbrauch gesetzt.
Nachhaltig bauen ist aber mehr, als „nur“ ein Klimahaus zu bauen. „Nachhaltig“ verkomme dabei schon manchmal zu einem Modewort. „Dies spiegelt in meinen Augen diesen Gedanken aber nicht wider“, erklärt Daniel Pircher. Der 40-Jährige aus Naturns unterrichtet als Technisch-Praktische Lehrperson an der Technologischen Fachoberschule in Meran in der Fachrichtung „Bauwesen, Umwelt und Raumplanung“. Wir haben mit dem Experten über das Thema nachhaltig Bauen gesprochen.
BAZ: Was bedeutet nachhaltig Bauen?
Daniel Pircher: Ich verstehe darunter einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen. Zum nachhaltigen Bauen zählen eine Reihe von verschiedenen Aspekten: die energieeffiziente Planung des Gebäudes und der erforderlichen Anlagen, die gut überlegte Auswahl der Baustoffe auf ihre Umweltverträglichkeit, das Wassermanagement und die Adaptierbarkeit an zukünftige Bedürfnisse. Besonders wichtig ist meiner Meinung nach auch der sparsame Umgang bzw. die Wiedergewinnung und die geringe Versiegelung der begrenzten Baufläche. Mutige Entscheidungen in der Landesraumordnung und der Urbanistik sind essentiell für eine ausgewogene Entwicklung der Ortsbilder, besonders in Bezug auf die Tourismusentwicklung. Im Prinzip ist nachhaltiges Bauen ein Drahtseilakt zwischen Ästhetik, Komfort und Behaglichkeit auf der einen Seite und schonendem Umgang mit der Umwelt, geringem CO2-Ausstoß und Langlebigkeit auf der anderen Seite.
Welche Bauweisen liegen derzeit allgemein im Trend?
Im Moment ist der Holzbau stark im Vormarsch, nicht zuletzt aufgrund der Forcierung von Seiten des Marktes. Aufgrund der vielen energetischen Sanierungen und Aufstockungen bringt Holz durch sein geringes Eigengewicht einen entscheidenden Vorteil. Zudem können die straffen Zeitpläne bei Hotelbauten besser eingehalten werden. Der Wohnbau hingegen wird bei uns zu einem großen Teil noch in Massivbauweise hergestellt. Beide Bereiche haben sich technisch sehr entwickelt. Weitere Trends, welche sich mit fortschreitender Technik etabliert haben, sind sehr große Glasflächen, SmartHome Lösungen und komplexe organische Strukturen. Ob alle Trends ökologisch sinnvoll sind, wäre genauer zu erörtern.
Wann lohnt sich eine Sanierung, wann ein Neubau?
Dies ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Es hängt in erster Linie von der bestehenden Bausubstanz ab. Ich würde allgemein behaupten, eine ältere Wohnung preiswert zu kaufen und zu sanieren ist, aufgrund der noch geltenden finanziellen Anreize, meist billiger als die Investition in eine neue Wohnung. Wir haben im Land noch ein großes Potential an leerstehenden Immobilien, welche wiedergewonnen werden könnten.
Welche Vorteile bietet ein Klimahaus?
Seit 2017 ist das KlimaHaus A als Mindeststandard in unserer Provinz vorgeschrieben und bürgt für einen geringen Energieverbrauch und eine niedere CO2-Bilanz der Anlagen im Gebäude. Das individuelle Nutzerverhalten, der Ressourcenverbrauch oder die Lebensdauer werden jedoch nicht berücksichtigt. Die Zertifizierung trägt sicherlich zu einer Wertsteigerung der Immobilie bei. Die Baukosten sind aber nicht zuletzt wegen der komplexeren Planung und den erforderlichen Anlagen stetig angestiegen.
Holz, Beton und Co.: Welche Materialien empfehlen Sie?
Jeder der Baustoffe hat seine Vor- und Nachteile. Die Zementherstellung ist für einen hohen CO2-Ausstoß verantwortlich, jedoch gibt es für Kellergeschosse oder im Tiefbau keine Alternativen zum Beton. Holz hingegen ist nahezu CO2-neutral, muss jedoch mit Folien, Klebstoffen und Dämmmaterialien kombiniert werden. Mir gefällt die Idee einer monolithischen Bauweise mit Wärmedämmziegeln ohne Wärmedämmverbundsystem. Diese Art zu bauen hat sich bei uns aber noch nicht durchgesetzt.
Vom Hanf bis zum Stroh gibt es viele innovative Baustoffe. Was halten Sie davon?
Ich finde es spannend, welche Fülle an Baustoffen verwendet und wie neue Ideen in Projekten realisiert werden. Wir waren in diesem Schuljahr auf Architekturreise in Vorarlberg und haben dort unter anderem Stampflehm als Baustoff kennengelernt.
Dies ist nur ein Beispiel eines ökologischen Nischenproduktes. Vielfach ist es eine preisliche Entscheidung und hängt von der eigenen persönlichen Einstellung ab. Ich würde es spannend finden, wenn Materialien im gesamten Lebenszyklus bewertet werden, also Rohstoffgewinnung, Energieaufwand bei der Herstellung, Transport, Dauerhaftigkeit und nicht zuletzt auch die Entsorgung bzw. die Wiederverwertbarkeit.
Dabei würden einige gängige Dämmstoffe schlecht abschneiden.
Michael Andres