Die Regierung sucht fieberhaft nach Finanzquellen, um mit weiteren Finanzspritzen die negativen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Krise etwas abzufedern. Europa soll sich solidarisch verhalten, die zusätzliche Verschuldung Italiens zulassen und Italiens Zahlungsfähigkeit möglichst gemeinschaftlich garantieren. Das erste Hilfspaket der Regierung im Ausmaß von 25 Milliarden Euro (Cura Italia) ist in der Abgeordnetenkammer mit einer Vertrauensabstimmung durchgeboxt worden, um die Obstruktion der Oppositionsparteien zu umgehen. Die nationale Einigkeit in der größten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg – wie von allen beschworen – gibt es längst nicht mehr. Alle sind schon wieder mit der „Motorsäge“ unterwegs und sägen am Stuhl des Ministerpräsidenten Conte oder an den Stühlen der Landeshauptleute, Gesundheits- und Wirtschaftslandesräte der schwer gebeutelten Regionen. Abgestimmt wurde auch über das Dokument zur Wirtschaftsplanung (DEF), welches ein weiteres Hilfspaket im Ausmaß von rund 50 Milliarden Euro auf Schuldenbasis ermöglichen soll. Von diesen Schulden wird Südtirol dann in Zukunft wieder ca. 1 %„mitabstottern“ müssen, das sind immerhin 500 Millionen Euro. Daher ist es überaus wichtig, dass wir Parlamentarier uns auch bei der Auswahl der Maßnahmen zugunsten der von der Regierung ausgewählten Wirtschaftssparten Tourismus, Gastronomie, Kleinhandel, Transport und Logistik angemessen einbringen können. Die Möglichkeiten zum Arbeiten in Rom sind für uns jetzt wenigstens wiedergegeben. Es gibt in der Stadt auch wieder Hotels, die einen Notdienst eingerichtet haben, sogar mit Frühstück. Auch die Mensa im Parlament ist wieder geöffnet. Der Eintritt ist nur im Gänsemarsch möglich. Auf dem Fußboden sind die 2-Meter-Abstände voneinander eingezeichnet. Es gibt zwei warme Menüs zur Auswahl. Das Essen ist in warmhaltende Plastikbehälter abgepackt. An jedem Tisch darf nur eine Person sitzen, alle mit dem Blick auf die Mauer statt auf den Nachbartisch und mit Rücken gegen Rücken. Ein bisschen übertrieben scheint mir. Man sieht nicht, wer kommt oder wer geht. Auch die Kommissionen funktionieren wieder.
Südtirols Sonderweg
Der „Südtiroler Weg“ bei der Bewältigung der Corona-Krise samt vorzeitiger Öffnung von Einzelhandelsgeschäften, Bars und Gastronomiebetrieben wird in Rom von meinen Kollegen kaum angefeindet, im Gegenteil man befürwortet die Initiative und erwartet sich Rückschlüsse, wie dieser Versuch wohl ausgeht. Die Provinz Trient hat das Virus noch weit weniger im Griff als wir in Bozen und tut daher bei diesem Weg nicht mit. Trient bildet somit eine natürliche Barriere zum übrigen Staatsgebiet. Ansonsten bilden die Grenze in Taufers im Münstertal, am Reschen sowie die verschneiten Dolomitenpässe und der Totalstillstand im Tourismus eine weitere Barriere. Rom lässt Bozen walten, aber wälzt alle Verantwortungen auf das Land ab. Sie bemühen sich jedoch nicht besonders, die Richtlinien für den Covid-19-Arbeitsschutz, mit welchem das gesamtstaatliche Versicherungsinstitut für Arbeitsunfälle INAIL von der Regierung betraut wurde, schnell auszuarbeiten, damit man in nicht gefährdeten Regionen zur Normalität zurückkehren kann. So will man die Südtiroler Initiative untergraben. In dieser heiklen Phase darf es daher in Südtirol beim Arbeitsschutz kein „Wischi-Waschi“ geben, sondern alle müssen mit den wieder errungenen Freiheiten sehr diszipliniert umgehen und peinlichst aufpassen, dass nichts passiert. Das Land hat Mut gezeigt, wir alle müssen jetzt aber noch viel mehr Verantwortung zeigen als früher: Abstand halten, Masken tragen, soziale Kontakte auf das Notwendigste herunterfahren. In Rom haben wir die Verabschiedung des „DL Covid 19“ auf der Tagesordnung, bei welchem wir aus Überzeugung dagegen stimmen wollen, weil dort die rechtliche Basis der Notdekrete des Ministerpräsidenten festgelegt werden.
In „Phase 2“ sollen Staats- und Landessgesetze die Maßnahmen vorgeben, nicht zentralistische Regierungsdekrete. Nach diesem Dekret folgt dann das „DL liquiditá/imprese“ mit geringen Auswirkungen auf die Südtiroler Wirtschaft und Mitte Mai das „DL Maggio“, mit welchem 55 Milliarden Euro umverteilt werden sollen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer für 2021 weiter ausgesetzt werden soll.
Albrecht Plangger, Kammerabgeordneter