Es sei neben dem Küchelbergtunnel das wichtigste Verkehrsprojekt im Westen des Landes, sagt Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider. Gemeint ist die neueste Auflage der Umfahrung Forst-Töll-Rabland. Den ersten Schritt zu einer Schnellstraße durch den Vinschgau sehen hingegen die Umweltschützer im Vorhaben.
Die Historie einer Umfahrung für Forst, Töll und Rabland ist alt. Der Streit darum auch. Wer die Vinschgauer Straße auf dieser Teilstrecke kennt, weiß von den Staus das Jahr hindurch. Wer hier entlang wohnt, kann ein Lied singen: von Lärm, Umweltbelastung, Gefahren. Durchschnittlich befahren 25.000 PKWs und LKWs die Algunder Fraktion Forst. Die Auffahrt bei Schloss Forst nach Marling ist nicht ungefährlich. Wenige Meter davor endet bzw. beginnt auch die Schnellstraße Meran-Bozen: ein Nadelöhr, das für regelmäßige Staus sorgt. Auch die Diskussion um eine Umfahrung von Rabland kann auf eine lange Geschichte blicken. Eine Lösung wurde bis heute nicht gefunden. Meinungsverschiedenheiten gab es in dieser Angelegenheit zuhauf. Umso mehr erstaunt es, dass nun im Auftrag der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt eine Machbarkeitsstudie vorliegt, die alle zufriedenstellen könnte. Einziger Wermutstropfen: die Kosten von rund 200 Millionen Euro. Ausgearbeitet haben diese Studie der Architekt Johannes Thaler von „konoA“ in Brixen und die Ingenieure Günther Rauch und Walter Pardatscher von „Planpunkt“ in Neumarkt. Kurzum: Sie schlagen eine Straße von rund 7 Kilometern Länge vor, wobei Dreiviertel der Strecke im Tunnel durch den Marlinger Berg führt. Zwei Fliegen scheint man sprichwörtlich so mit einer Klappe zu schlagen: die Umfahrung von Forst und die Umfahrung von Rabland und sogar von der Töll in einem einzigen großräumigen Straßenprojekt.
Für den Präsidenten der Bezirksgemeinschaft Alois Kröll ist die Zeit reif dafür. „Eine große Umfahrung, die Forst, Töll und Rabland miteinschließt, ist die sauberste und sinnvollste Lösung“, sagt der Schenner Bürgermeister. Dass alle betroffenen Gemeinden nun auch hinter dieser Lösung stehen, ist beileibe nicht selbstverständlich. „Die Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt steht voll und ganz hinter der weiträumigen Umfahrung“, bestätigt Kröll. Auch der Vinschgau scheint damit durchaus zu liebäugeln. Nun liegt es am politischen Willen der Landesregierung, konkrete Taten zu setzen. Das hoffen auch alle! Bis es allerdings zur Projektausschreibung und zum eigentlichen Baubeginn kommen kann, wird noch viel Wasser die Etsch hinunterfließen. „Man muss aber mal starten“, zeigt sich Kröll optimistisch. So sieht es auch Albert Gögele. Der Partschinser Bürgermeister hofft sehr, dass die „schöne Idee“ nicht ein Papiertiger bleibe. Für Rabland und die Töll sei die weiträumige Umfahrung das Beste, was passieren könnte und würde den zwei Partschinser Fraktionen neue Lebensqualität verschaffen. Daher sei man auch zu Kompromissen bereit und verzichte auf eine eigene Zufahrt, um so die bereits hohen Kosten zu reduzieren.
Die Streckenführung
Baulos 1 startet auf dem Gemeindegebiet Naturns bei der Pizzeria „Caregnato“ an der SS 38. Hier soll ein Kreisverkehr entstehen, der auf die neue Straße führt, die bis nach Forst reicht, also direkt auf die Schnellstraße Meran-Bozen. Baulos 2 hingegen startet mit einem Kreisverkehr an der heutigen MeBo-Ausfahrt in Algund; von hier aus geht es auf einer Brücke über die Etsch in den Marlinger Berg hinein. Die Tunnellösung ist seit Jahrzehnten schon im Bauleitplan der Gemeinde Algund eingetragen, also keine neue Sache. Wen wunderts, dass Ulrich Gamper voll und ganz hinter der Studie steht. Wenn es gelänge, Forst vom täglichen Durchzugsverkehr zu entlasten, ist dies auch ein großer Gewinn für die gesamte Gemeinde, ist Algunds Bürgermeister überzeugt. Die Freude, dass es endlich gelungen ist, die vier betroffenen Burggräfler Gemeinden auf einen Nenner zu bringen, ist ihm anzusehen. Noch nicht ausgestanden sind allerdings die Meinungsverschiedenheiten um die Ein- und Ausfahrten entlang der Strecke. Das weiß auch Gamper. Die Partschinser konnten zwar überzeugt werden, auf „ihre“ Ausfahrt auf der Töll zu verzichten, allerdings sind nicht alle mit einer nun geplanten Zu- bzw. Ausfahrt kurz nach der Brauerei Forst glücklich. Kritik hagelt es gerade von Seiten einiger Forster. Die Befürchtung steht im Raum, dass sie durch den Zulaufverkehr von der Töll und von Partschins noch immer sehr belastet werden, auch wenn der Durchzugsverkehr wegfalle. Interessanterweise steht die Brauerei selbst nicht mehr ganz hinter der Ausfahrt, obwohl unter vorgehaltener Hand behauptet wird, die Zufahrt sei eigens für sie gedacht. Ganz anders sieht dies der Algunder Bürgermeister, für den dies die einzige Möglichkeit ist, die Fraktion Forst völlig vom Durchzugs-, aber auch Zielverkehr zur Brauerei zu entlasten. In einem Schreiben an den Landeshauptmann spricht er von einem Jahrhundertprojekt und schlägt neben Forst auch in Ried eine Zufahrt vor.
Die Fraktion zwischen Rabland und Plaus mit einigen Pensionen und Hotels liegt interessanterweise auf Algunder Gemeindegebiet. So könne man direkt dorthin kommen – unter anderem auch zur Aschbacher Seilbahn – ohne durch die Anliegergemeinden fahren zu müssen. Auch den Rablandern könne eine Zufahrt in Ried zugutekommen, da sie so schneller auf die neue Straße kommen würden und nicht auf der alten Straße nach Meran bzw. zur MeBo fahren müssten. Zurück zum Streckenverlauf: Von Saring aus geht es ein zweites Mal über die Etsch und direkt dem Fluss entlang, nun aber oberirdisch weiter bis zum Kreisverkehr „Caregnato“ an der Plauser Geraden.
Die Ausmaße
Der Forster Tunnel hat eine Länge von 763 Metern, während der Rablander Tunnel 3731 bzw. 3566 Meter lang ist, je nach geradliniger oder kurviger Streckenführung. Die 2 Etschbrücken werden mit 80 und 120 Metern bemessen. Grundsätzlich ist man bemüht, möglichst wenig Kulturgrund zu verbrauchen. Die Trassenführung ist so gestaltet, dass auch möglichst wenig privater Grund betroffen ist.
Die Sorge der Umweltschützer
Kritik am Projekt gibt es vor allem von Seiten der Umweltschutzgruppe Vinschgau, die darin den ersten Schritt zu einer Schnellstraße durch den Vinschgau sieht. Denn die Umfahrung Forst-Töll-Rabland ist nicht das einzige Straßenvorhaben im Tal. Seit 2019 baut das Land an der Umfahrung von Kastelbell und Galsaun. Hier entsteht der zweitlängste Tunnel des Landes mit 2,5 Kilometern. Kosten: 75 Millionen Euro. Die Umfahrung Forst-Töll-Rabland wäre dann das zweite Straßengroßprojekt mit rund 200 Millionen Euro Kosten. Drittes großes Straßenprojekt im Tal würde die Umfahrung von Mals und Schluderns sein; man rechnet auch hier mit 100 Millionen Euro: Steuergelder, die laut Umweltschützern nicht zu rechtfertigen sind.
Die Zunahme des Individualverkehrs im Vinschgau sei für die Bewohner des Tals spürbar. „Die Zahlen beweisen, dass es von 2002 bis 2018 eine durchschnittliche Zunahme des Straßenverkehrs um 20 Prozent im Vinschgau gab“, sagt der Bozner Verkehrsplaner Helmuth Moroder. Für ihn sei es politisch falsch, in den Straßenbau so große Summen zu investieren. Die Zukunft liege nicht im Individualverkehr. Zudem würde der Vinschgauer Bahn, die elektrifiziert und ausgebaut wird, kein guter Dienst erwiesen. Die vorgenommenen Klimaziele der Landesregierung seien damit auch nicht zu erreichen, ist die Umweltschutzgruppe überzeugt. Dass der Verkehr auf der Vinschgauer Straße aber großteils hausgemacht ist, würde dabei unterschlagen, entgegnen den Umweltschützern die Projektbefürworter. „Allein die Vinschgauer Obstgenossenschaften erzeugen durch ihre Transporte ein hohes Aufkommen an LKW-Verkehr durch das Tal“, rechnet Algunds Bürgermeister vor.
von Josef Prantl