Mit dem Projekt „Gesund in Algund“, der sogenannten „ANKER-Studie“ und einem Pilotprojekt im Bereich „Biodiversität“ setzt die Gemeinde Algund Akzente für eine nachhaltige Dorfentwicklung.
von Philipp Genetti
Die BAZ sprach über die Nachhaltigkeit in Algund mit Bürgermeister Ulrich Gamper, dem Präsidenten des Tourismusvereins Michael Schwellensattl und der Projektleiterin Johanna Pichler.
Durch die Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ist das Thema Lebensqualität heute wichtiger denn je. Gesundheitsvorsorge war in Algund schon immer ein wichtiges Thema. Welche Projekte hat die Gemeinde in diesem Zusammenhang umgesetzt?
Ulrich Gamper: Das Mehrjahresprojekt „Gesund in Algund“ zur Gesundheitsvorsorge im Dorf ist eines der Projekte im Bereich „Gesundheit“. Ziel dieses Projektes ist es, den Bürgern, ausgehend von der Fünf-Säulen-Lehre nach Pfarrer Sebastian Kneipp zu vermitteln, dass Gesundheit vor der eigenen Haustür beginnt. Durch die Sanierung und Wieder-Inbetriebnahme alter Trinkbrunnen sind wir dabei, das Thema „Trinkwasser“ im Dorf aufzuwerten. Außerdem läuft zurzeit die sogenannte „ANKER-Studie“, die wir mit dem Tourismusverein in Auftrag gegeben haben, um das gesunde Erleben messbar zu machen.
Um die Projekte zu koordinieren haben Gemeinde und Tourismusverein eine Gesundheitskoordinatorin beauftragt.
Michael Schwellensattl: Nachdem das Thema „Gesundheit“ nicht nur Gäste, sondern auch Einheimische anspricht, haben wir die Algunder Projektmanagerin Johanna Pircher als Gesundheitskoordinatorin beauftragt, um die verschiedenen Gesundheitsinitiativen im Dorf zu koordinieren. Vor allem ging es darum, die Gesundheitsstudie „Algunder Natur- und Klimatherapie: Green Excercise vs. Nature Connection“ (kurz ANKER Studie), die wir mit der Medizinischen Privatuniversität „Paracelsus“ aus Salzburg begonnen haben, mit dem Gemeindeprojekt „Gesund in Algund“ zusammenzuführen.
Frau Pichler, Sie begleiten die verschiedenen Gesundheitsprojekte der Gemeinde. Können Sie uns etwas darüber erzählen?
Johanna Pichler: Mit der ANKER-Studie möchten wir dem Gartendorf einen zeitgemäßen Inhalt geben und aufzeigen, dass ein Urlaub in Algund zur Stärkung des Immunsystems und zu einer ganzheitlichen Gesundheit beitragen kann. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Studie leider um ein Jahr verzögert. Sie soll aber innerhalb Juni 2021 abgeschlossen werden. Mit den über 120 Probanden, die sich an der ANKER-Studie beteiligen, versprechen wir uns ein aussagekräftiges und zukunftsweisendes Ergebnis, das durch die Zusammenführung mit dem Kneipp-Projekt der Gemeinde die Entwicklung eines nachhaltigen Angebotes für Einheimische und Gäste ermöglicht. Das Kneipp-Projekt ist ein Teilbereich der Initiative „Gesund in Algund“ und will mit den 50 über das gesamte Gemeindegebiet verteilten Kneipp-Stationen Besucher dazu einladen, sich intensiver mit der Fünf-Säulen-Lehre von Sebastian Kneipp auseinanderszusetzen. Diese beinhaltet sowohl die Themen „Wasser“, „Kräuter“, „Ernährung“, „Bewegung“ als auch „Lebensordnung“, wobei letzteres für Kneipp eine wesentliche Rolle für eine ganzheitliche Gesundheit spielt.
Beim Thema „Nachhaltigkeit in der Gemeinde“ wird oft der Wunsch nach einer nachhaltigen Landwirtschaft geäußert. Wie wird diese gefördert?
Ulrich Gamper: In Algund haben wir den Vorteil mit dem „Bioexpress“ und der „Algunder Sennerei“ zwei starke Lebensmittelproduzenten vor Ort zu haben, welche die öffentlichen Einrichtungen mit regionalen Lebensmitteln versorgen. Nachdem das Thema „Nachhaltige Landwirtschaft“ für mich ein persönliches Herzensanliegen ist, bemühe ich mich als bekennender Biobauer auch in meiner Funktion als Bürgermeister, die Aspekte der Nachhaltigkeit in jeder noch so kleinen Entscheidung miteinzubringen. Als Gemeinderat haben wir in unserem programmatischen Bericht sogar gemeinsam beschlossen, die Förderung der Biolandwirtschaft voranzutreiben. Ganz unabhängig davon werden die neu ausgeschriebenen Pachtverträge, der öffentlichen Landwirtschaftsflächen an Biobauern vergeben. Das liegt aber weniger an mir, sondern vielmehr daran, dass in unserer Gemeinde bereits ein hoher Prozentsatz an biologischer Landwirtschaft betrieben wird. In der Fraktion Plars sind es mittlerweile schon über 50 Prozent. Aber auch die vielen ortsansässigen Pioniere der Südtiroler Biobauern, allen voran der Algunder Bauer Josef Kröss vom Töllerhof tragen dazu bei, dass sich die Landwirtschaft in Algund immer mehr in Richtung „Nachhaltigkeit“ entwickelt.
Das Bild eines Südtiroler Bauern, der mit dem Sprühgerät durch seine Wiesen fährt, hat vor einigen Jahren eine heftige Debatte ausgelöst. Kann man sagen, dass „Spritzen“ schädlich ist?
Es kommt immer darauf an, was man spritzt. Die Dosis macht bekanntlich das Gift, die Dosis und der Wirkstoff.
Vereinfacht gesagt macht es einen Unterschied, ob man Weihwasser spritzt oder hochgradiges Gift. Das Spritzen an sich ist lediglich eine Form der Ausbringung eines Mittels auf eine Fläche. Auch in der Bio-Landwirtschaft wird gespritzt, nur werden jene Spritzmittel eben nicht chemisch-synthetisch hergestellt.
Ein weiteres aktuelles Landwirtschaftsthema ist die Biodiversität. Worum geht es hier?
Wir leben heute in einer Welt, in der man sich immer mehr spezialisiert. Das reicht vom Handwerk, der Industrie, dem Tourismus bis hin zur Dienstleistung. Das Problem am Ganzen ist aber, dass unsere Welt damit immer einseitiger wird und die Vielfalt in Berufen, aber auch im Leben verloren geht. Dasselbe Phänomen beobachtet man auch in der Landwirtschaft. Mit dem Konzept der Biodiversität versucht man nun die Artenvielfalt in der Landschaft wieder zurückzugewinnen, um dem Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken und um vor allem Nützlingen wie Insekten neuen Lebensraum zu ermöglichen.
Algund hat in der Biodiversität eine Vorreiterrolle übernommen und zusammen mit der Bauernjugend und dem Tourismusverein ein Pilotprojekt ausgearbeitet, um die Artenvielfalt in den Obstwiesen zu fördern.
Michael Schwellensattl: Das Projekt ist von der Bauernjugend angeregt worden, nachdem es sich auch um ein sichtbares Projekt handelt, haben wir als Tourismusverein sofort mitgemacht. Durch die gezielte Abwertung des Südtiroler Apfels besteht im Tourismus in Hinblick auf die Landwirtschaft dringender Erklärungsbedarf. Der Gast ist nach wie vor an unseren Produkten interessiert. Er will aber mehr als zuvor wissen, wo und wie unsere heimischen Produkte hergestellt werden. Mit dem Projekt zur Förderung der Biodiversität in Algund wollen wir mit dem Gast in Kontakt treten und ihm zeigen, welchen Nährwert und welche gesunden Eigenschaften unser landwirtschaftliches Produkt hat. Nachdem die Gemeinde die Finanzierung der Saatmaschine übernommen hat, werden vom Tourismusverein die Kosten für das Saatgut übernommen. Dieses kann sich jeder Bauer nach Belieben zusammenstellen.
Ziel des Projektes ist es, den mittleren Streifen in den Obstwiesen zwischen den „Zeilen“ mit Blühpflanzen zu bereichern. Einerseits um Insekten mehr Lebensraum zu geben und auf der anderen Seite, um das Dorfbild neu zu beleben. Es steht jedem Bauern frei sich am Pilotprojekt zu beteiligen. Zusammen mit der Bauernjugend und der Gemeindeverwaltung möchten wir damit sowohl die Algunder als auch die Besucher unserer Gemeinde für das Thema Biodiversität sensibilisieren.
Wie kann man sich in Algund am Projekt beteiligen?
Das Projekt ist grundsätzlich nicht auf die Landwirtschaft beschränkt. Dementsprechend kann sich jeder Algunder sein Saatgut zusammenstellen und sich am Projekt beteiligen, indem sie sich bei der Ortsgruppe der Südtiroler Bauernjugend melden. Im Sinne der „Urbanen Biodiversität“ wurde auch ein Teil des neuen Einkaufszentrums „ALGO“ bepflanzt, das am 15. April offiziell eröffnet wurde.
Was bedeutet das ALGO für Algund?
Ulrich Gamper: Auf ungefähr 18.000 Quadratmetern wurden insgesamt 40 Geschäfte und Restaurants realisiert und 400 neue Arbeitsplätze geschaffen. Hinzu kommen 750 Parkplätze, die Erweiterung der Zughaltestelle und ein Radweg. Diesen Herbst soll im ALGO auch ein Cineplexx-Kino eröffnet werden. Alles Weitere hängt hingegen von der Entwicklung der Corona-Pandemie ab. Als Bürgermeister wünsche ich mir, dass das Einkaufzentrum im gesamten westlichen Teil Südtirols gut angenommen wird und viele Kunden ins ALGO kommen.