Septembertag
30. September 2021
Regionalmeister in Meran ermittelt
30. September 2021
Alle anzeigen

Historisches Untermais

Der Meraner Stadtteil Untermais birgt eine spannende Ortsgeschichtein sich, die es sich lohnt, einmal näher zu betrachten. Ein Gespräch mit dem Untermaiser Heimatkundler und Antiquar Georg Hörwachter.

von Philipp Genetti

Herr Hörwarter, was viele heute gar nicht mehr wissen ist, dass die heutigen Stadtteile von Meran, Meran „Stadt“, „Untermais“, „Obermais“ und „Gratsch“ bis 1923 noch eigenständig verwaltet wurden. Was können Sie sonst noch von der frühen historischen Entwicklung von Untermais berichten?
Georg Hörwachter: Wenn wir auf die Ortsgeschichte von Untermais zurückblicken, blicken wir auf eine sehr komplexe und geschichtsbeladene Zeit zurück. Es ist nach wie vor nicht ganz klar, wo genau sich die römische Station „Maia Castrum“ lokalisieren lässt, auf welcher die Entstehung von „Mais“ zurückzuführen ist. Einige Historiker vermuten ihren Standort bei Zenoburg, andere hingegen in Obermais. Es ist aber durchwegs denkbar, dass sich die Station noch vor dem Durchlauf der Passer auf der „Unter“-Maiser Seite befunden hat. Immerhin entwickelte sich auf „Maiser“ Ge­biet auch die dominierende alte Siedlung von Meran, sowie die Urpfarre „Untermais“, in die auch Hafling eingegliedert war und zu der Obermais lediglich eine Filial­pfarre bildete. Auch die Dichte an historischen Bauten zeugt dafür, dass Untermais eine besondere Rolle in der Entwicklungsgeschichte von Mais gespielt haben muss. Außerdem bildete Untermais bis ins frühe 20. Jahrhundert, gleich wie Obermais und Gratsch eine eigenständige Landgemeinde und damit ein unabhängiger Vorort von Meran. Ein Vorort der durch kaiserliches De­kret sogar 1906 sogar noch zur Marktgemeinde ernannt worden war, bevor er rund zwei Jahrzehnte später zusammen mit Obermais, Gratsch und Hafling in die Stadt Meran eingemeindet wurde.

Welche historischen Persönlichkeiten begegnen uns in der frühen Geschichte von Untermais?
Die ersten „Unter“-Maiser Persönlichkeiten treten in der Geschichtsschreibung um bzw. nach der Zeit der Christianisierung auf. Hervorzuheben sind hierzu der Heilige Valentin von Rätien, einer der ersten Bischöfe von Passau und Wanderprediger in Meran (* um 400; † um 475 in Mais), dem auch die heutige St.-Valentin-Kirche oberhalb von Schloss Trauttmansdorff geweiht ist und der Autor des Latein-Deutschen Wörterbuchs „Codex Abrogans“ und späteren Bischof von Freising „Arbeo von Mais“ (723–784 n. Chr.).

Auch die Marienkirche in Untermais zeugt für eine frühe Ortsgeschichte. Was hat es damit auf sich?
Mit der Marien-, oder auch Maria-Trost-Kirche, befindet sich in Untermais die älteste Kirche von Meran. Es handelt sich hierbei vermutlich ursprünglich um eine Eigenkirche eines weltlichen oder geistlichen Stifters. Wenn man den Turm kunstgeschichtlich untersucht, ist er ein Paradebeispiel der Romanik und kann dem zur Folge auf das 11. Jahrhundert datiert werden. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche einen vierfachen Wandel erlebt und musste mehrfach den neuen Anforderungen der Zeit Rechnung tragen und erweitert werden. Das erklärt, weshalb wir heute am Kirchenbau neben dem romanischen Turm, auch eindeutigen Elementen aus der Gotik, Renaissance und der Barock-Zeit erkennen können. Die Wallfahrt ist bei der Maria-Trost-Kirche hingegen erst ab dem 15. Jahrhundert nachweisbar. Wahrscheinlich seit der Zeit von Karl dem Großen (um 800) bildete die Pfarre Untermais auch die Diözesangrenze und damit die nördlichste großräumige Pfarre von Trient. Meran, auf der gegenüberliegenden Seite des Passerufers, gehörte stattdessen bis zur Zeit des Wiener Kongresses (1816) kirchlich zur Pfarre Johannes in Dorf Tirol, die zur damaligen Zeit an die Diözese „Chur“ in Graubünden (Schweiz) angegliedert war. Die Dazugehörigkeit zur Diözese Trient unterstrich somit die Unabhängigkeit der Landgemeinde Untermais von Meran, selbst wenn man wirtschaftspolitisch und gerichtlich in unweigerlicher Abhängigkeit zu den Tiroler Burggrafen blieb. 1816 wurde Meran an die vorhandene „Groß“-Pfarre Untermais angegliedert und gehörte bis zur Errichtung der Diözese Bozen-Brixen (1964) zu Trient.

Die ehemaligen süddeutschen Stifte von Polling, Füssen, Steingaden, Weingarten in Untermais zeugen dafür, dass die Landwirtschaft hier einen hohen Stellenwert einnahm.
Es war im Mittelalter durchaus üblich, dass sich Klöster in Weingegenden Anwesen gekauft hatten um ihren Messwein herzustellen. Der nicht genießbare Wein oder in schlechten Jahrgängen, wurde stattdessen in den Klosterapotheken zu Medizinalweinen verarbeitet. Um die landwirtschaftliche Produktion zu überwachen, wurden Stiftsverwalter eingesetzt. Der sogenannte „nassen“ Zehnten muss­te dann alljährlich mit hohem Aufwand nach Süddeutschland geliefert werden.

Welche weiteren historischen Wirtschaftszweige fand man in Untermais?
Von Rädermacher, Müller, Bäcker, Innungen (sprich Handwerker), Fleischer oder Tuchscherer finden wir im historischen Untermais ein relativ breites Dienstleistungsgewerbe. Ein Überbleibsel aus längst vergangener Zeit ist das Mühlgebäude der alten Stamser-Mühle in der Reichsstraße, in dem bis vor wenigen Jahren auch der bekannte „Pub One“ untergebracht war.

Sie sprachen davon, dass sich ein beachtlicher Teil des Maiser Gemeinwesens in Untermais entwickelt hat. Welchen Stellenwert hatte die Landgemeinde Untermais gegenüber der Landeshauptstadt Meran?
Die Nähe zur Residenz der Tiroler Grafen auf Schloss Tirol und der Landeshauptstadt Meran hatten für die Landgemeinde Untermais eine große Bedeutung. Durch ihre Lage boten sich die Maiser den Tiroler Fürsten als idealen Zulieferer an. Daher konn­ten die Landwirte von Untermais für ihre Erzeugnisse auch recht hohe Preise ansetzen. Außerdem führten die zahlreichen Landtage und politischen Festlichkeiten, die in Meran abgehalten wurden, auch viele kaufkräftige Leute aus dem Ausland nach „Mais“. Die Landgemeinden um Meran bildeten somit bereits unter den Tiroler Grafen mit der Stadt Meran eine Symbiose und so kommt es nicht von ungefähr, dass sich im nahegelegenen „Mais“ mehrere wohlhabende Bür­ger und Grafschaften ihre An­sitze errichten ließen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass der Ruhm Merans ohne die Beihilfe von „Mais“ nicht zustande gekommen wäre.

1460 wurde Innsbruck zur neuen Residenz- und Hauptstadt der Grafschaft von Tirol. Welche Auswirkungen hatte das auf Untermais?
Das ist einfach erklärt: „Als die Aktie von Meran sank, war Untermais unmittelbar davon betroffen.“ Die Auswirkungen waren verheerend. Der Verlust des Stellenwertes von Meran als Tiroler Landeshauptstadt hat zu einer Verarmung geführt.
Um es bildhaft zu umschreiben: „Die Lichter gingen im Theater plötzlich aus.“ Zwar konnte sich im Meraner Gebiet dank der Landwirtschaft mehr oder weniger autark über Wasser halten, jedoch verlor das Meraner Land allmählich seinen Glanz.

Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Meran einen neuen Höhepunkt. Wie kam es dazu?
Mit dem aufkommenden Fremdenverkehr und den Erschließlungen des geordneten Verkehrswesens mit Vier-Gespann-Kutschen, der Errichtung der Poststationen und später der Eisenbahnlinien gewann Meran nach der napoleonischen Zeit – als der Friede einkehrte – wieder neu an Ruhm. Engländer reisten nun ins Meraner Land um die Berge zu besteigen und Kaiserin Sissi entdeckte Meran aufgrund seines alpinmediterranen Klimas als Sommerresidenz.
Meran wurde mehr und mehr zum „Terrainkurort“, sprich „Bewegungskurort“. Es wurden Wanderwege angelegt, Sport- und Alpenvereine gegründet und das gesellschaftliche Leben durch Theater und Musik wieder neu belebt. Dazu ist zu sagen, dass die „Maiser“ es verstanden haben gleich auf den „neuen“ Trend aufzuspringen und mitzuziehen. So entstanden auch hier Kurpavillons in Obermais und auch die Markthallengasse, die parallel zur Rathausstraße in Untermais (heute Matteotti-Straße) verlief, wurde nicht nur für die Einheimischen errichtet. Spätestens seit der Errichtung des Tennis- und Freizeitsportzentrums und des späteren Pferderennplatzes wurde Untermais zum Sportstandort des Meraner Landes.

Das ehemalige Untermaiser Rathaus in der Matteottistraße

Die Matteottistraße heute

Untermais ist neben den sportlichen Einrichtungen auch Merans wirtschaftlich stärkster Stadtteil. Sie haben die Ent­wicklung der vergangenen 50 Jahre miterlebt und als langjähriger Gemeinderat auch gestaltet. Wie hat sich das Ortsbild in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Untermais hat sich vom Bauern- und Gewerbeort zum attraktiven Vorstadtswohnort entwickelt, wobei die Errichtung der Wirtschaftszonen maßgeblich dazu beigetragen hat.