Die Menschen im Lande werden immer älter und bleiben trotzdem aktiv. In der „dritten Lebensphase“ möchten Senioren in der Gesellschaft integriert bleiben und mit ihren Anliegen gehört werden. Insbesondere die Corona-Krise hat gezeigt, wie unerlässlich Gemeinschaft für alle Altersgruppen ist – insbesondere für jene, die schon viel erlebt haben.
von Jasmin Maringgele
Der Grundstein zur Errichtung einer koordinierten Anlaufstelle für Senioren und deren Belange wurde im KVW – als erster Sozialverband Südtirols – im Jahre 1982 gelegt. Zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter engagieren sich seither für die Vermittlung eines positiven Altersbildes, soziale Teilhabe für und unterschiedliche Hilfestellungen im Alltag. Von 1985 bis Juni 2013 stand Lisl Lantschner als Vorsitzende der damaligen „Dienststelle für Altenarbeit im KVW“ vor und leitete mannigfaltige Entwicklungen und Umsetzungen ein. Exemplarisch für ihr langjähriges erfolgreiches Tun im KVW stehen drei besondere Initiativen: Der Beginn des Seniorentheaters, das Projekt „Lebensgeschichten schreiben“ und der Einsatz für eine qualitative Ausbildung für Pflegeberufe. Die Ursprünge des Seniorentheaters in Südtirol lassen sich auf die damalige Dienststelle für Altenarbeit zurückführen. In Zusammenarbeit mit Maria Thaler Neuwirth wurde dieses Projekt mittlerweile in den Südtiroler Theaterverband einbezogen. Ein besonderes Herzensprojekt von Lisl Lantschner liegt in den niedergeschriebenen Lebensgeschichten von Senioren, die wichtige Ereignisse und Stationen in deren Leben markieren. Diese aus Österreich stammende Idee, lässt Senioren selbstständig – in ihren eigenen Worten und von ihnen selbst geschrieben – eindrucksvolle Zeitzeugnisse in Form kleiner Bücher erschaffen. Vom Vinschgau bis ins Pustertal entstanden in den Dörfern und Städten lesenswerte Anekdoten der „einfachen Leute“.
Dem erfolgreichen Einsatz der KVW Senioren, unter der Federführung von Lisl Lantschner, ist es unter anderem zu verdanken, dass in den letzten Jahrzehnten eine massive Aufwertung und Spezialisierung von Pflegeberufen und der Pflege von Angehörigen zu Hause erfolgte. Besonders wichtig war in der Vergangenheit der direkte Kontakt mit den Pflegenden in den Dörfern, die vielmals die neuen Angebote und Kurse dankend annahmen. Mittlerweile erfolgt eine fundierte Aus- und Weiterbildung in den Sozial- und Gesundheitsdiensten in der Landesfachschule für Sozialberufe Hannah Arendt – auch auf Bestreben der KVW Senioren.
Im Frühling 2013 kam es zu einer Neustrukturierung des Vereins und es erfolgte eine Namensänderung in „KVW Senioren“ anstelle der „Dienstelle für Altenarbeit“. Seither fungiert Maria Mayr Kusstatscher als Vorsitzende. Ihr stehen ein Vorstand, eine Arbeitsgruppe und unterschiedliche Gremien zur Seite. Alle haben es sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam die Interessen der Südtiroler Senioren zu vertreten. Die Alterspyramide in Südtirol zeigt klar auf: Im Jahr 2021 beläuft sich der Anteil der über 67-Jährigen bereits auf 18 %. Zum Vergleich lag der Anteil im Jahr 1991 bei 11 % und für das Jahr 2031 werden 21 % der Bevölkerung Südtirols über 67 Jahre alt sein. Dem demografischen Wandel liegen Chancen und Herausforderungen zu Grunde, die es als Gemeinschaft zu bewältigen gilt.
„Vorsicht ja, Angst nein“
Während der andauernden Pandemie lag Frau Kusstatscher und allen Engagierten im Verband viel daran, den Senioren auch weiterhin eine Stütze in schwierigen Zeiten zu sein. So blickt sie auf zahlreiche Gespräche zurück und fasst zusammen, dass die meisten Senioren mittlerweile ziemlich gelassen sind. Zwar gehören sie mit zur Risikogruppe, verweisen jedoch darauf, dass sie in ihrem Leben schon Schlimmeres erlebt und durchgestanden haben. Bombeneinschläge mit verheerenden Folgen für Leib und Leben, überstürzte Fluchten in Luftschutzbunker mit kleinen Kindern an der Hand und die oftmals nicht mehr heimgekehrten oder schwer traumatisierten Soldaten des vorangegangenen Krieges, sind bei vielen noch gegenwärtig. Viele Senioren sind sich zudem bewusst, dass sie – ob ihres Alters – anfälliger für die Folgen von Erkrankungen sind. Nichtsdestotrotz verhalten sich die meisten vorsichtig und halten sich an die empfohlenen Hygiene-Maßnahmen. Ganz im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention versuchen Senioren besonders ihr Immunsystem zu stärken, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Denn: Die Impfung ist nur ein Baustein. Dabei achten die Senioren laut Kusstatscher auf gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Salate, sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Besonders wichtig ist es, häufig an die frische Luft zu gehen und Vitamin D in Form von Sonnenlicht zu tanken.
Ausdrücklich betonen möchte Frau Kusstatscher in diesem Zusammenhang, dass jeder Krise auch eine Chance zum Wachsen und zur Neuerung innewohnt. Es geht ihr darum, nach den vergangenen 18 Monaten neue Behutsamkeit zu lernen, Mitgefühl, Solidarität und Kooperationsbereitschaft. Es braucht Wege des Miteinanders, des Austauschens mit Thesen und Antithesen, des Zuhörens – und des Humors, der Zuversicht. Denn aus der Angst heraus, können wir nicht auf Dauer leben. Der KVW möchte es insbesondere ängstlichen und zurückgezogenen Menschen wieder ermöglichen, sich – unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnamen – wieder zu gemeinsamen Ausflügen, Spaziergängen, Vorträgen und Gesprächsrunden zu treffen. Zur Erhaltung der Gesundheit braucht es Begegnungsmöglichkeiten. An der aktiven Teilnahme am Leben und den Sorgen anderer findet Maria Kusstatscher tiefste Sinnerfüllung.
Neben den zahlreichen Bildungsangeboten des KVW ist in den letzten Monaten vor allem die Nachfrage nach Hilfestellungen zur Nutzung des Internets bei Senioren gestiegen. Ehrenamtliche Senioren-Online-Begleiter unterstützen Senioren vor Ort, um die digitale Welt kennenzulernen. Dank Hörfunk, Fernsehen, Telefon und Computer, sind Senioren nicht mehr so einsam wie früher. So weiß Maria Kusstatscher zu berichten, dass viele Senioren gerne an Online-Konferenzen und Vorträgen teilnehmen.
Ein weiterer Aspekt ist für Frau Kusstatscher wesentlich in den Fokus gerückt. Die Lebenserwartung ist in Südtirol zwar so hoch wie nie zuvor, dennoch gilt die Gewissheit, dass unser aller Leben endlich ist. Durch die Rückbindung an Gott und in der Hoffnung auf ein glückliches Weiterleben nach dem irdischen Dasein, können viele ältere Menschen gelassener bleiben. Die Corona-Zeit hat unweigerlich viele mit Fragen nach dem Tod konfrontiert. Für Frau Kusstatscher ist der Blick in die Zukunft dennoch voller Zuversicht. Daran kann man sich getrost ein Beispiel nehmen.