Frischer musikalischer Wind weht durchs Land. Von Toblach bis Meran und weiter bis nach Trient: talentierte Nachwuchsmusiker aus allen Landesteilen bilden die Jugend-Bigband Südtirol. Vor rund 10 Jahren von Ewald Kontschieder und Helga Plankensteiner fast ausschließlich mit Teenagern auf den Weg gebracht und mittlerweile vom Verein Sweet Alps Lana getragen, begeistert die Band landauf landab mit kraftvollen, beschwingten und mitreißenden Konzerten.
von Josef Prantl/Florian Seiwald
Den Denkanstoß zur Gründung einer Südtiroler Jugend-Bigband lieferten die Musikschul-Direktoren Alexander Veit und Christian Laimer. Die 13 Nachwuchsmusiker sind heute zwischen 18 und 25 Jahren alt und spielen meist ein auf sie zugeschnittenes Programm, komponiert von Jazzmusikern aus der Europaregion Tirol. „Es erstaunt, wie viele Jugendliche am Jazz interessiert sind“, sagt Ewald Kontschieder. „Wir wollten dies fördern und gründeten vor rund 10 Jahren die Jugend-Bigband“, erinnert sich der Kulturschaffende und Gründer der Meraner Jazzakademie. In Zusammenarbeit mit jazzerfahrenen Südtiroler Musiklehrern ist so die erste Jugend-Bigband des Landes herangewachsen.
Meran im Jazz
Meran ist unter Weinliebhabern und Freunden der Klassischen Musik ein Begriff. Sei es das Merano WineFestival, seien es die Musikwochen, beide Megaevents haben den Namen der Stadt weit über die Landesgrenzen hinausgetragen. Aus einem Nischendasein herausgewachsen ist die Jazzwoche in Meran nach 20 Jahren mittlerweile besonders in Italien und Deutschland, aber auch Österreich recht bekannt. Das Festival MeranoJazz und die Jazzakademie gehören zum fixen sommerlichen Konzert- und Eventkalender, ebenso Lana Meets Jazz.
Ewald Kontschieder und Helga Plankensteiner sind die Drahtzieher und der Jazz hat es ihnen angetan. Kontschieder leitet über den Verein „Muspilli“ die Jazzakademie, Plankensteiner gehört zu den Pionieren des Jazz in Südtirol und ist in zahlreichen Projekten aktiv. Beiden liegen junge Menschen am Herzen. Ihre Vision: Jungen talentierten Musikern den Zugang zur Kreativität und besonders zum Jazz zu ermöglichen, sie zu fördern und einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. „Wenn wir die Südtiroler Musikszene ansehen, dann stehen Musikkapellen, Chöre, Orchester im Vordergrund. Wenig Beachtung und Förderung findet der Jazz“, sagt Ewald Kontschieder. „Dabei ist Jazz für junge Leute durchaus attraktiv, weil er weniger an die Noten gebunden ist und viel Spielraum für Improvisation lässt“, erklärt Helga Plankensteiner, die die Jugend-Bigband leitet und am Dirigentenpult steht.
Wenn die Musik ins Blut geht
Die jungen Musiker aus dem ganzen Land treffen sich regelmäßig zum gemeinsamen Spiel: 6 Saxofonisten, 2 Trompeter, 2 Posaunisten, ein Schlagzeuger, 1 Bassist und 1 Pianist; alles Instrumente, die eine Bigband eben braucht. Interessant ist, was gespielt wird: In erster Linie sind es originale Stücke von Komponisten aus der Region, darunter von Michael Lösch, Fiorenzo Zeni, Martin Ohrwalder, Helga Plankensteiner. „Jazz klingt so easy, leicht und locker, aber er ist genauso schwierig wie Klassik“, sagt Helga Plankensteiner. Die solistischen Fähigkeiten der aufstrebenden Jungmusiker sind beachtlich, freut sich Kontschieder. Die 10-jährige Aufbauarbeit trägt Früchte. Aber Training ist wichtig: Tonleitern üben, Harmonien pauken, Improvisationen ausprobieren oder weiterentwickeln und üben, üben, üben.
Alles geht zurück auf den Jazz
Was man dort lernt, ist auch für Pop- oder Rockmusik nützlich, wissen die Bandmitglieder. Das freie Improvisieren bei Jam Sessions macht Spaß. Dabei einigt man sich auf ein Akkordschema bzw. „Changes“ eines sogenannten Standard, dann klingt es harmonischer. So zum Beispiel in a-Moll und g-Moll, darauf wird improvisiert. Das Burggrafenamt scheint zu einem Hotspot des Jazz heranzuwachsen. Ewald Kontschieder zusammen mit dem wohl bedeutendsten Jazzmusiker Italiens, Franco D’Andrea, und Helga Plankensteiner haben viele Jahre lang darauf hingearbeitet. Die Lananerin studierte klassisches Saxophon am Tiroler Landeskonservatorium in Innsbruck und Jazz am Konservatorium Trient. Zu ihren zahlreichen Projekten gehören die internationale Frauenband „Fifth Side“ oder das Saxofonquartett mit 2 Schlagzeugern „Barionda“. Zusammen mit Michael Lösch organisiert Plankensteiner das mittlerweile renommierte Jazzfestival „Lana Meets Jazz“. Sie zeichnet auch verantwortlich für die Konzertreihe „All About Music“ und gestaltet jeden Montag auf Rai Südtirol die Radiosendung „Abenteuer Jazz“.
Die BAZ sprach mit Helga Plankensteiner über die Jugend-Bigband, was junge Menschen am Jazz begeistert und über Meran als zukünftige Jazzstadt.
Mit jungen Menschen zu jazzen, geht das? Die meisten interessieren sich mehr für Rock oder Pop?
Helga Plankensteiner: Ja, das stimmt, viele interessieren sich für Rock und Pop. Aber es kommen immer wieder junge Menschen in die Schulen oder zu Kursen, die sich für Jazz interessieren; das sind meistens sehr kreative Jugendliche, die motiviert sind herausfordernde Stücke zu spielen.
Sie leiten die Jugend-Bigband Südtirol. Was versteht man eigentlich unter einer Bigband und was macht diese Formation so besonders?
Wie das Wort schon andeutet, sprechen wir hier von einer großen Besetzung (big) mit vielen Bläsern und Rhythmusgruppen. Die Jugendbigband Südtirol aber hat eine außergewöhnliche Besetzung, mit nur 2 Trompeten und 2 Posaunen anstelle von 4 und mit mehr Saxofonen als üblich. Das hat sich einfach so ergeben. Das Interessante an der Big Band ist die Verbindung zwischen Komposition und Improvisation und der großartige kraftvolle Sound, der sich durch die vielen Bläser ergibt.
Junge Menschen an eine Musik heranzuführen, die zunächst einmal fremd für sie klingt, ist sicher nicht einfach. Wie kam es zur Gründung der Band und wie sieht das Repertoire aus?
Gegründet wurde die Big Band Südtirol nach einem Denkanstoß von den Direktoren der Musikschulen Lana und Meran. Um die Organisation aber unabhängiger gestalten zu können, haben wir uns dazu entschlossen, die Band mit Hilfe von einem Verein zu gründen. Im Jazz wird ja viel improvisiert, so auch in der Organisation, vor allem um flexibel zu bleiben; z.B. gewannen wir im Jahr 2017 mit dem Verein Sweet Alps einen wichtigen nationalen Wettbewerb der SIAE und konnten dadurch 11 Konzerte in Italien und Österreich spielen. Das Repertoire der Big Band umfasst ausschließlich Kompositionen von Musikern aus der Euregio-Region, das war auch für den Wettbewerb der SIAE ein wichtiges Kriterium. Jazzmusiker wie Florian Bramböck oder Michael Lösch schreiben seit vielen Jahren für die Band, sie kennen die Stärken mittlerweile und können so z. B. die Soli richtig verteilen, den Schwierigkeitsgrad anpassen usw.
Wie sind Sie zum Jazz gekommen und was lieben Sie so sehr daran?
Vor 30 und mehr Jahren gab es in Südtirol einige wichtige Bigbands und ich durfte bei einigen erste wertvolle Erfahrungen im Jazz sammeln. Die Big Band ist ein toller Einstieg in diese Welt. Mir persönlich hat sofort der Swing gefallen und diese andere Art der Phrasierung, später auch die Improvisation, die jedem und jeder die Freiheit gibt, sich musikalisch zu entfalten.
„Jazz ist mehr als nur Musik, Jazz ist eine Lebenseinstellung“, sagte der weltberühmte US-amerikanische Jazz-Saxophonist und Komponist Charlie Parker. Sehen Sie das auch so?
Für mich persönlich stimmt der Satz, jedoch glaube ich, dass nicht jeder so empfinden muss.
Gibt es aber überhaupt einen Bezug zwischen unserer Tiroler Kultur und dem Jazz?
Ich stamme aus Südtirol und spiele Jazzmusik, da gibt es zwischen den Kulturen viele Schnittstellen, vielleicht nicht immer sofort hörbar, aber doch da.
Kann Jazz zu einem Aushängeschild für Meran werden?
Das wäre wünschenswert und Ewald Kontschieder hat mit seiner Jazzacademy Meran ja schon viele wichtige Impulse gesetzt. Außerdem haben wir 2021 zusammen das Festival Autumn in MeranO ins Leben gerufen, das sind Schritte in die richtige Richtung.
Die Jugend-Bigband Südtirol
Trompete: Andreas Schwärzer, Tobias Leiter
Saxofon: Maria Pixner, Alex Radmüller, Jakob Hofer, Mattia Kaltenhauser, Valentin Gasser, Johannes Winkler
Posaune: Florian Lanz, Michael Taschler
Klavier: Tobias Psaier
Bass: Valentin Taschler
Schlagzeug: Johannes Auer
Leitung: Helga Plankensteiner