von Michael Andres
Die Trachten gehören zu Südtirols Kulturkreis wie wohl kaum ein anderes Kleidungsstück. Bei Festanlässen, Aufmärschen und auch sonst werden Trachten gerne getragen. Dabei gibt es in Südtirol zahlreiche verschiedene Trachten. Insbesondere in Sachen Farben und Schmückungen unterscheiden sich dabei die Trachten in den diversen Tälern bzw. Bezirken. Zudem unterscheiden wir zwischen den traditionellen Trachten, die vorrangig von Volkstanzgruppen, Musikkapellen, Schützen und Marketenderinnen, aber auch von Chören und Brauchtumsgruppen getragen werden, und der Tracht als Mode. Diese wird gerne auf Wiesenfesten, wie dem Oktoberfest, aber auch bei anderen Feierlichkeiten getragen. Große Tradition in unserem Bezirk haben etwa die Burggräfler Tracht sowie die Passeirer Tracht. Die auffälligen roten Aufschläge auf dem „Wollehemat“ sind ein Markenzeichen der Burggräfler Männertracht. Die Joppe hat sich seit mehr als 200 Jahren kaum geändert und ist somit das einzige Trachtenteil in ganz Tirol, das derart beständig getragen wird. Sowohl Männer als auch Frauen im Burggrafenamt unterscheiden zwischen zwei Trachten-Formen: das „Bäurische Gwand“ und die „Burggräfler Miedertracht“ der Frauen, und das Kurz- und „Langbäurische Gwand“ bei den Männern.
Die „Burggräfler Miedertracht“, im Volksmund auch „Meraner Dirndl“ genannt, wird vor allem von Musikantinnen getragen, aber auch von Volkstanzgruppen und in Schützenkompanien. Wie auf www.burggrafenamt-online.eu, einem Nachrichtenportal des Schützenbezirks Burggrafenamt Passeier, dargelegt wird, handelt es sich bei der „Burggräfler Miedertracht“ um „die erneuerte Form der bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts getragenen Schnürmiedertracht“. Obwohl sich das Burggrafenamt im „bäurischen Gwand“ eine gewachsene und lebendige Tüchltracht erhalten konnte, erneuerte Gertrud Pesendorfer die alte Schnürmiedertracht und bezeichnete sie im 1945 erschienenen Büchlein „Unsere Tracht“ im Kapitel Meran als „Festtracht für Mädchen und Frauen“, heißt es in einem ausführlichen und lesenswerten Artikel von Andreas Leiter Reber auf der erwähnten Website. „Vom Volksmund „Meraner Dirndl“ genannt, hielt diese erneuerte Tracht in den 1970er und -80er Jahren rasch Einzug in die Burggräfler Musikkappellen, Volkstanzgruppen und Schützenkompanien“, schreibt der Autor auf www.burggrafenamt-online.eu.
Eigene Täler, eigene Trachten
Auch im Passeiertal findet man eine eigene Tracht. Sie wird besonders an Festtagen oder zu bestimmten Anlässen getragen. Die richtige bzw. ursprüngliche Passeirer Frauentracht wird hingegen kaum mehr getragen. Ende des 19. Jahrhunderts hat sich im Tale die Burggräfler Frauentracht, das „Übertüchl“ eingebürgert. Auch im Ultental gibt es sie, die besondere Tracht. Die Ultner Tracht ist wie viele andere Trachten stark an Traditionen gebunden. Das weiße Hemd hat einen einfachen Schnitt und einen kleinen Kragen. Es wird unter einer Weste getragen, die bis zum Kragen zugeknöpft wird. Darüber trägt Mann Hosenträger die durch ein Band auf Brusthöhe verbunden sind. Die Trachten sind etwa bei vielen Vereinen im Ultental zu bewundern, wie der Musikkapelle. Das Wort „Tracht” kommt von „tragen”. Wenn wir heute von Tracht sprechen, so meinen wir eine Kleidung, die bereits unsere bäuerlichen oder bürgerlichen Vorfahren getragen haben, erklärt die Südtiroler Arbeitsgruppe „Unsere Tracht“. Da es sich um die Kleidung der unteren Schichten und damit der Masse des Volkes gehandelt hat, spricht man auch von Volkstrachten, heißt es vonseiten der Trachten-Forscher. Im Unterschied zur sich rasch ändernden Mode veränderten sich die Volkstrachten im Laufe der Zeit nur sehr wenig. Die Tiroler Trachten waren immer an bestimmte Landschaften gebunden.
Die Arbeitsgruppe „Unsere Tracht“ hat sich auf das vielfältige Thema der Trachten qualifiziert. Auf www.unsere-tracht.info sind viele Informationen zu Trachten aufgelistet. Die Mitglieder des Vereins ohne Gewinnabsichten setzen sich zusammen aus Forschern, Handwerksmeistern und Vertretern trachtentragender Vereine. „Es ist uns wichtig: Das Tragen der Tracht ist eine historisch gewachsene Tradition, die trotz laufender Veränderungen bis heute fortlebt“, erklärt die Arbeitsgruppe.
Wir haben mit dem Vorsitzenden von „Unsere Tracht“, Helmut Rizzolli, gesprochen.
Trachten erfreuen sich auch heute größter Beliebtheit und sind immer aktuell. Warum übt dieses Kleidungsstück eine solche Faszination aus?
Helmut Rizzolli: Unsere Bauern- und Bürgertrachten sind ein ganz besonders schöner Ausdruck unserer Volkskultur. Sie lassen ehemals abgrenzbare Räume erkennen und zeugen von alten Zusammenhängen wie etwa Gerichtbezirken und Handelswege oder Alters- und Berufsgruppen.
Wann gab es in Südtirol die ersten Trachten und welche waren es?
Die bildlich am frühesten dokumentierbaren Elemente sind die Burggräfler Joppe („Hemat“ genannt) um das Jahr 1700 und die Pusterer Männer- und Frauentracht einige Jahrzehnte später.
Welche Trachten gibt es heute in Südtirol?
Gewachsene Trachten, erneuerte Trachten – von Gertrud Pesendorfer in der Optionszeit – und wiederbelebte Trachten, die abgekommen waren.
Vor über zehn Jahren haben Sie mit der „Trachtenfibel“ einen Leitfadem zum Thema Trachten herausgebracht. Warum?
Es ist ein allgemein verständlicher Leitfaden zum Tragen und Anfertigen unserer Tiroler Volkstrachten zwischen Kufstein und Ala.
Was macht der Verein „Arbeitsgruppe Unsere Tracht“?
Wir beschäftigen uns mit der Erforschung und Wiederbelebung von historischen Volkstrachten im alttirolischen Raum und bieten kostenlose Beratung von Einzelpersonen, Gruppen und Vereinen hinsichtlich der Neuanschaffung von Trachten oder deren Abänderung. Es werden fundierte Gutachten zur Erlangung eines Landesbeitrages ausgestellt, sowie Publikationen herausgegeben und Vorträge organisiert. Trachtentragen muss gelernt werden. Es soll niemals zu einer reinen Äußerlichkeit werden, sondern den Willen zur Bewahrung unserer lokalen Besonderheiten zum Ausdruck bringen.
Welches sind ihre persönlichen Lieblingstrachten?
Mich freut die Wiederbelebung abgekommener Trachten, wobei sich die Erneuerung auf die heutigen Erfordernisse der Tragbarkeit beschränken soll, und gediegenes handwerkliches Können zum Einsatz kommen soll. In einigen Fällen ist es gelungen, dass nicht nur trachtentragende Vereine sondern auch Einzelpersonen diese völlig in Vergessenheit geratenen Trachten nun als Bekenntnis ihrer Heimatverbundenheit wieder tragen.