Das Projekt einer verkehrsunabhängigen Anbindung zwischen Meran, Schenna und Tirol wird seit Jahrzehnten diskutiert. Seit Rom eine Mitfinanzierung zugesagt hat, laufen die Vorbereitungsarbeiten jetzt aber auf Hochtouren. Wie es heißt, müssen die Arbeiten bis Ende 2025 vergeben sein.
von Philipp Genetti
Im Wortlaut der aktuellen Projektbeschreibung ist von einem „intermodalen öffentlichen Personennahverkehrs-Projekt“ (ÖPNV) die Rede: konkret einer Standseilbahn Meran-Schenna, einem Bus-Rapid-Transit–System in Meran, einem Umsteigeknoten und Shuttlebussen Tirol-Schenna-Passeiertal.
Herr Vallazza, Sie sind seit 2021 Ressortdirektor des Landes für Mobilität und Infrastrukturen und dadurch eine der Schlüsselpersonen für das Projekt Standseilbahn Meran-Schenna. Geben Sie uns einen kurzen Überblick zum geplanten Vorhaben?
Martin Vallazza: Das Projekt sieht eine Standseilbahnverbindung zwischen Meran und Schenna mit zwei Zwischenstationen in der Handwerkerzone Tirol und beim Ofenbauer vor. Um das Standseilbahnprojekt mit dem öffentlichen Verkehr zu verbinden, ist zudem ein sogenanntes BRT-System (Schnellbussystem) in Meran und ein Shuttlebus-System in Schenna vorgesehen. Man sieht daraus, dass es sich nicht um ein einzelnes Projekt handelt, sondern um einen Teil eines Gesamtsystems zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs und zur Verringerung des Straßenverkehrs.
In den vergangenen Jahren hat man wenig Konkretes über das Projekt gehört. Inzwischen stehen alle Varianten, Machbarkeitsstudien und Projektunterlagen online frei zur Einsicht bereit. Wie ist das zu erklären?
Im Sommer 2022 hat sich nach längerer Intervention von Landesrat Alfreider und Landeshauptmann Kompatscher die Möglichkeit aufgetan, dass auch Südtirol Anrecht hat auf einen wichtigen finanziellen Beitrag aus Rom für sogenannte Massentransportmittel. Nur durch diese Geldmittel war an eine Umsetzung dieses Bauvorhabens zu denken. Im letzten Sommer musste dann innerhalb von knapp zwei Monaten ein eigenes Vorprojekt erarbeitet werden, welches wir mit den betroffenen Gemeinden abgestimmt haben. Da in dieser kurzen Zeit aber keine ausreichende Diskussion mit den Bürgern möglich war, haben wir schon im Sommer zugesagt, dass wir das Projekt mit allen Beteiligten diskutieren werden, sollte die Finanzierung aus Rom zugesagt werden. Und aus diesem Grund haben wir uns auch für die Transparenz zu diesem Projekt entschieden.
Inwieweit werden Bürger in den Entwicklungsprozess miteinbezogen?
Im Februar wurden von morgens 9 Uhr bis abends 23 Uhr alle interessierten Bürger und der Gemeinderat von Meran informiert. Ergänzend dazu gab es Ende März eine Informationsveranstaltung, welche an die möglicherweise betroffenen Grundeigentümer gerichtet war. Daran anschließend wurde an zwei Nachmittagen mit den Gemeinden und Interessenvertretern aus Tourismus, Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt und dem Komitee „So nicht“ das Projekt in allen Fassetten diskutiert. Dabei kamen auch sehr interessante Verbesserungsvorschläge zur Sprache, die wir in unser Projekt gerne einarbeiten werden.
Die beiden Schwerpunkte des ÖPNV-Projekts liegen einerseits auf der neuen Standseilbahn und andererseits auf dem BRT-System. Was bedeutet das?
Ziel des Projektes ist es, die Straßen von Meran vom Auto- und Busverkehr zu entlasten. Mit der Nordwestumfahrung wird dazu bereits ein wichtiger Schritt für die Achse Tirol-Passeier-Meran erreicht. Allerdings wird durch die Umfahrung der Verkehr nur von der Stadt in den Tunnel verlagert. Mit der Standseilbahn kann die Achse Schenna-Obermais-Meran vom Straßenverkehr entlastet werden und eine echte Alternative zur Straße geschaffen werden.
Warum ist der Widerstand bei einem Teil der Bevölkerung gegenüber dem Projekt groß?
Ein großes Anliegen der Bürger war vor allem die Information zum Projekt und welche Vor- und Nachteile dieses hat. Die Anrainer des möglichen Talstation-Standortes Karl-Wolf-Platz haben die Sorge, dass sich ihr Viertel durch dieses Projekt verändern könnte. Aus diesem Grund wurde auch eine mögliche Talstation in der Galileistraße überprüft.
Was sind die Vor- bzw. Nachteile der Talstation Karl-Wolf-Straße?
Die Talstation in der Karl-Wolf-Straße wurde im ursprünglichen Projekt so gewählt, da diese eine sehr gute Anbindung an das Busnetz ermöglicht. Zudem ist dieser Standort näher zum Schulzentrum und Krankenhaus. Nachteil dieser Variante ist, dass sie etwas weiter vom historischen Stadtzentrum entfernt ist. Die Variante einer Talstation in der Galileistraße hingegen hat den Vorteil der Nähe zur historischen Stadtmitte, zur neuen Kavernengarage und auch zum Sessellift nach Tirol. Der Nachteil dieser Variante ist die schlechtere Anbindung an das Busnetz und die größere Entfernung zum Schulzentrum und zum Krankenhaus.
Wie wird der oberirdische Verlauf der Standseilbahn in das bestehende Landschaftsbild eingebunden?
Der freie Trassenverlauf zwischen der Handwerkerzone Tirol und kurz vor Schenna war Teil des zweiten Workshops mit den Interessenvertretern. In diesem Bereich soll die Trasse auf einer möglichst landschaftsschonenden und leichten Stahlkonstruktion verlaufen. Dabei ist es sehr wichtig, die bestehenden Obstbauflächen und auch die Natur- und Erhöhungsflächen möglichst wenig zu belasten. Dies kann erreicht werden, indem die Trasse nahe am Flusslauf der Passer geführt wird und sich ansonsten möglichst an Wegen oder Grundstücksgrenzen orientiert.
Ist eine Anbindung an Tirol-Dorf nicht mehr geplant?
Für uns ist es wichtig, dass die Gemeinde Tirol eng in die Planungsarbeiten eingebunden ist und auch die Anbindung von Tirol mitgedacht wird. In Abstimmung mit dem Land ist die Gemeinde Tirol gerade dabei dazu eigene Ideen auszuarbeiten.
Was liegt Ihnen an diesem Projekt besonders am Herzen?
Die Idee zu einer Standseilbahnverbindung durfte ich schon vor rund 20 Jahren als junger Ingenieur mitplanen. Man sieht also, dass die Idee schon lange besteht. Jetzt durch die Anschubfinanzierung aus Rom besteht aus meiner Sicht die einmalige Chance, das Projekt umzusetzen. Ich hoffe, dass wir durch den intensiven Austausch mit den Bürgern nun ein Projekt entwickeln, das von einem Großteil der Bevölkerung als Vorteil gesehen wird. Bei der Umsetzung werden wir sehr darauf achten, dass die Bauarbeiten sowohl für die Anrainer als auch für die Landschaft so schonend wie möglich durchgeführt werden.