Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine große Herausforderung. Erziehungsarbeit muss in unserer Gesellschaft eine größere Wertschätzung erfahren.
Die ersten sechs Jahre sind die wichtigsten in der Entwicklung eines Kindes. In dieser Zeit werden Eltern immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Deshalb sind sie dankbar, wenn sie in ihrer Rolle als Eltern gestärkt und ermutigt werden. Die Eltern-Kind-Zentren unterstützen sie darin.
Die BAZ sprach mit Sandra Moszner vom Elki Lana.
Frau Moszner, welche Angebote gibt es für Familien mit Kindern bis sechs Jahren?
Es gibt verschiedene Angebote, sie beinhalten z. B. Betreuung und Bildung in den Kitas oder bei Tagesmüttern und anschließend ab ca. 2,8 Jahren in den Kindergärten. Zudem gibt es familienunterstützende Angebote wie die Familienberatungsstellen oder Elkis.
Letztere sind in erster Linie Orte der Begegnung und bieten Familien mit Kindern bis zu sechs Jahren vielfältige Angebote wie Geburtsvorbereitungskurse, Spielgruppen, Vorträge und Initiativen wie Family Support.
Beobachten Sie einen steigenden Druck auf Eltern?
Ich nehme wahr, dass Eltern heute vielfältigem Druck ausgesetzt sind: Sie sind zu großen Teilen verunsichert und versuchen häufig den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Heute beherrschen Zeitdruck, Organisations- und Leistungsdruck oder auch ein idealisiertes Bild von Familie den Alltag von vielen Eltern. Gar einige Eltern fühlen sich im Erziehungsalltag gestresst und das mitunter schon am Beginn von Elternschaft. Dabei erschweren Erwartungen an Bildung und Erziehung, die kaum zufriedenstellende Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber auch finanzielle Herausforderungen den Alltag mit Kindern. Eltern fühlen sich oft hohen Erwartungen ausgesetzt und mit diesen gleichzeitig alleine gelassen.
Was brauchen Eltern?
Eltern sind vielfältig und brauchen damit auch unterschiedliche Angebote. Sicher brauchen Eltern häufig Zeit und auch eine stärkere Wertschätzung und Anerkennung ihres jeweiligen Lebenskonzeptes. Dann brauchen sie Möglichkeiten, einander zu begegnen, sich auszutauschen, eventuell auch gegenseitig zu unterstützen und auch ein gutes soziales Netz. Letztlich gehören auch verbesserte Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine verbesserte Betreuungssituation auch in qualitativer Hinsicht dazu. Was Eltern nicht brauchen ist der x-te gutgemeinte Ratschlag. Während es guttut, gehört und in der eigenen Realität mit Sorgen und Ängsten wahr- und ernstgenommen zu werden.
Bei Problemen und Konflikten in der Familie hilft oft auch ein Blick von außen. Gerade der ist momentan aber nur schwer zu bekommen. Es ist für Eltern wichtig, zeitnah einen Beratungstermin bei den zuständigen Stellen zu erhalten.
Wie sehen Sie das Thema Vereinbarkeit?
Vereinbarkeit bedeutet in unserer Gesellschaft: die Kinder sind betreut, während ihre Eltern erwerbsarbeiten. Erholung und Freizeit und vor allem freie Zeit sind für Eltern meistens nicht drin. Welchen Stellenwert Zeit hat und welchen sie zukünftig braucht, das ist mir durch die Autorin Teresa Buecker und ihr Buch „Alle Zeit“ klargeworden. Und, dass es dabei ganz oft nicht um Vereinbarkeit, die perfekte Organisation und effiziente Strukturen geht – sondern einfach um fehlende Zeit. Zeit ist ein großes Thema, über das auch bei uns viel zu wenig gesprochen wird. Im Mittelpunkt steht nach wie vor, Beruf und Familie irgendwie zu „vereinbaren”. Dabei wird jedoch zu wenig gefragt, ob es allen Beteiligten wirklich gut geht. Dass der Spagat zwischen Familie, Beruf und allem anderen stressig ist und erschöpfend sein kann, gilt oft als normal. Wir gewöhnen uns an diese Normailität und werden dadurch mitunter krank. Zudem wird Elternzeit häufig abgewertet, weil in dieser Zeit kein Geld verdient wird. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass wir den Glaubenssatz „Zeit ist Geld“ sehr stark verinnerlicht haben und viele Menschen über Zeit vor allem als etwas nachdenken, das man nutzen sollte, um beruflich voranzukommen – und mehr Geld zu verdienen.
Ist Elternschaft also ein Nachteil in der Berufswelt?
Sicher muss sich auch auf der Arbeitgeberseite Einiges tun. Es gibt schon Arbeitgebende, die Elternzeit auch als Berufserfahrung werten und auch ihren Betrieb dahingehend umgestalten. Aber viel zu oft ist leider das Gegenteil der Fall. Eltern, insbesondere Frauen, werden wegen ihrer Doppelrolle häufig diskriminiert.
Flexible Zeitmodelle oder Teilzeit können Karrierebremser sein oder werden erst gar nicht ermöglicht. Der Mehrwert, den Elternschaft für die Gesellschaft bringt wird nicht anerkannt noch wertgeschätzt. Und das in Zeiten, in denen überall Fachkräfte fehlen!
Sind mehr Betreuungseinrichtungen die Lösung für den Fachkräftemangel?
Mehr Betreuungseinrichtungen allein bringen noch lange keine zusätzlichen Fachkräfte und brauchen auch Personal das bereits fehlt. Einfache Lösungen gibt es nicht, dafür sind wir als Menschen viel zu komplex. Und „mehr Einrichtungen“ ist sicher kurzfristig unmöglich und langfristig zu kurz gedacht. Zu bedenken ist z. B., dass Erzieher mehr verdienen sollten, damit ihr Beruf auch zum Leben reicht. Zudem sollten die Mitarbeiter in sämtlichen Einrichtungen mehr Zeit pro Kind erhalten, damit die Qualität in Betreuung und Bildung steigt und alle Beteiligten gesund bleiben können. Insgesamt sind wahrscheinlich Lösungen anzustreben, in denen es nicht nur darum geht die Kinder, aber auch alte oder kranke Menschen, immer mehr institutionell zu betreuen sondern die Fürsorgearbeit in der Gesellschaft wertzuschätzen und gerechter auf mehr Schultern zu verteilen. Denn schlussendlich ist es ja gerade die gemeinsam verbrachte Zeit in fürsorglichen Beziehungen welche das Leben lebenswert machen.