Monatelang fiel kein Niederschlag, dann hörte es nicht mehr auf zu regnen. Zweimal innerhalb von zwei Wochen hat Dauerregen die Romagna unter Wasser gesetzt. Manche Leute hatten sich nach der ersten Flut am 4. Mai schon neue Haushaltsgeräte gekauft, dann kam die zweite Flut, die noch viel schlimmer war. In einigen Gebieten fiel in eineinhalb Tagen so viel Regen wie sonst in sechs Monaten.
Nach Angaben der Zivilschutzbehörde wurden 36.000 Personen aus ihren Häusern evakuiert, teils mit Hubschraubern, teils mit Schlauchbooten, die über die überfluteten Straßen fuhren. Mindestens 15 Menschenleben sind zu beklagen; die ersten Schätzungen zur Höhe der Schäden belaufen sich auf 6 Milliarden Euro. Neben Gebäuden und Infrastrukturen wurde vor allem die Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen.
Das Hinterland der Adria wird auch als Italiens Obstgarten bezeichnet, in welchem Pfirsiche, Pflaumen, Kirschen, Aprikosen und Kiwis angebaut werden. Bis zu 15 Millionen Obstbäume müssen jetzt ausgerissen werden, weil ihre Wurzeln verfault sind. Um die Stadt Ravenna mit ihren wertvollen Kunstschätzen zu retten, wurde das Wasser, mit Zustimmung der landwirtschaftlichen genossenschaft „Cab Terra“, auf deren Felder geleitet. 200 Hektar Land mit Mais, Weizen, Rüben und Radischen sind verloren. In den teilweise großen Viehzuchtbetrieben ertranken tausende Tiere.
Nach der Flut halfen sehr viele Freiwillige, in Gummistiefeln und mit Schlamm bedeckt, beim Aufräumen. „Engel des Schlamms“ werden sie von der Bevölkerung genannt. Doch jetzt drohen neue Gefahren: das verunreinigte Wasser könnte Seuchen auslösen. Daher stehen die Menschen vor den Impfstationen Schlange, um sich gegen Tetanus und Hepatitis A impfen zu lassen.
Angesichts dieser apokalyptischen Szenen, mitten in Norditalien, stellt sich die Frage wie es dazu kommen konnte. Neben der Erderwärmung, die bekanntlich zu einer Häufung von extremen Wetterereignissen führt, wird der Versiegelung der Landschaft durch Bautätigkeit sowie die Einzwängung der Flüsse zwischen Apennin und Adria, in schmale Flussbetten, die Hauptschuld gegeben.
Die Regierung hat zwar im Schnellverfahren 2 Milliarden Euro an Wiedergutmachungsgeldern zur Verfügung gestellt. Wenn jedoch keine Präventionsmaßnahmen und keine konsequente Politik zur Vermeidung klimaschädlicher Gase in Angriff genommen wird, ist es nur eine Frage der Zeit bis zur nächsten Umweltkatastrophe.